[292] Seidel, 1) Ludwig Philipp von, Astronom und Mathematiker, geb. 24. Okt. 1821 in Zweibrücken, gest. 13. Aug. 1896 in München, studierte in Königsberg, Berlin und Göttingen, habilitierte sich 1847 in München und wurde daselbst 1854 Professor der Mathematik an der Universität, später auch am Polytechnikum und Konservator der mathematisch-physikalischen Sammlung des Staates. Er lieferte Untersuchungen über Kettenbrüche und Reihen, über die Brechungs- und Zerstreuungsverhältnisse verschiedener Medien und über den Weg eines Lichtstrahls, der durch eine Reihe von brechenden Linsen geht. Mit C. A. Steinheil führte er die ersten genauen photometrischen Messungen der Helligkeit der Planeten und der Fixsterne aus. Er schrieb: »Untersuchungen über die Konvergenz und Divergenz der Kettenbrüche« (Münch. 1846); »Untersuchungen über die gegenseitigen Helligkeiten der Fixsterne 1. Größe und über die Extinktion des Lichtes in der Atmosphäre« (das. 1852); »Untersuchungen über die Lichtstärke der Planeten Venus, Mars, Jupiter und Saturn« (das. 1859); »Resultate photometrischer Messungen an 208 der vorzüglichsten Fixsterne« (das. 1862). Vgl. Lindemann, Gedächtnisrede auf Philipp Ludwig v. S. (Münch. 1898).
2) Heinrich, Dichter, geb. 25. Juni 1842 zu Perlin in Mecklenburg, gest. 7. Nov. 1906 in Großlichterfelde, studierte auf den Polytechniken in Hannover und Berlin, erlernte auch in Schwerin und Güstrow die praktische Maschinenbaukunde und war dann als Ingenieur tätig, unter anderm beim Bau der großen Halle des Anhalter Bahnhofs in Berlin. Trotz seiner Erfolge auf technischem Gebiet entschloß sich S. 1880 dennoch, diesem Beruf zu entsagen und sich ganz der Literatur zu widmen. Die Reihe seiner Märchen und kleinen Novellen, die allesamt von einer sinnig poetischen, mit dem feinsten Blick für Außen- und Innenleben begabten, dazu mit dem liebenswürdigsten Humor ausgerüsteten Natur Zeugnis ab legen, eröffneten die Novelle »Der Rosenkönig« (Berl. 1871), die »Blätter im Winde«, Gedichte (das. 1872), und die Märchensammlung »Fliegender Sommer« (Bresl. 1873). Ihnen folgten die durch den Reiz ihrer Stimmung wie ihrer Form gleich bestechenden Novellen: »Aus der Heimat« (Bresl. 1874; später betitelt »Geschichten und Skizzen aus der Heimat«, 11. Aufl., Stuttg. 1907; Gesamtausgabe u. d. T. »Heimatgeschichten«, das. 1902, 2 Bde.), die »Vorstadtgeschichten« (Berl. 1880), »Jorinde, und andre Geschichten« (Leipz. 1882; später nach der berühmtesten dieser Erzählungen »Leberecht Hühnchen, Jorinde und andre Geschichten« betitelt), die Gedichtsammlungen: »Winterfliegen« (Berl. 1880), »Idyllen und Scherze« (Leipz. 1884), »Wintermärchen« (Glogau 1885), »Glockenspiel«, gesammelte Gedichte (Leipz. 1889) und »Neues Glockenspiel«, gesammelte Gedichte, zweite Sammlung (das. 1893) und die reizenden Büchlein: »Neues von Leberecht Hühnchen und andern Sonderlingen«, der Vorstadtgeschichten 2. Bd. (das. 1888), »Die goldene Zeit«, neue Geschichten aus der Heimat (1888), »Ein Skizzenbuch«, neue Geschichten (1889), »Leberecht Hühnchen als Großvater« (1890), »Leberecht Hühnchen«, Gesamtausgabe (1900); »Sonderbare Geschichten« (1891), »Der Schatz und Anderes« (1892), »Berliner Skizzen«, neue Vorstadtgeschichten (1894), »Von Perlin nach Berlin. Aus meinem Leben« (1894; Gesamtausg., Stuttg. 1903); »Kinkerlitzchen« (1895), »Die Augen der Erinnerung und Anderes« (1897, alle Leipz.); »Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande« (Bd. 1, Stuttg. 1901; Bd. 2 u. 3, das. 1906). Alle diese Schriften sind in zahlreichen Auflagen verbreitet. Seidels »Gesammelte Schriften« erschienen in 19 Bänden (Stuttg. 18941906), »Erzählende Schriften« daselbst 1899 bis 1900, in 7 Bdn., »Phantasiestücke«, Gesamtausgabe der Märchen (das. 1903) und eine Gesamtausgabe seiner »Gedichte« daselbst 1903. Außerdem schrieb er noch: »Natursänger« (Text zu Giacomellis Bildern aus dem Vogelleben. Leipz. 1888) und verschiedene Kinderbücher. Vgl. Biese, Fritz Reuter, Heinrich S. und der Humor in der deutschen Dichtung (Kiel 1891, mit Seidels Selbstbiographie); Stern, Studien zur Literatur der Gegenwart (3. Aufl., Dresd. 1905).
3) Paul, Kunstschriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 14. April 1858 in Schwerin, studierte in Straßburg, Leipzig und Berlin die Rechte und erwarb in Leipzig den Doktorgrad, wandte sich dann aber ganz den früher schon nebenher betriebenen Kunststudien zu und trat nach einer einjährigen Studienreise 1885 in den Dienst der Berliner königlichen Museen ein. Mehrere Aufsätze über die Kunst unter Friedrich Wilhelm I.[292] und über den spätern Friedrich II. in Rheinsberg erregten die Aufmerksamkeit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. der ihn nach seinem Regierungsantritt zum Kustos der Sammlungen in den königlichen Schlössern berief. 1894 wurde er zum Dirigenten dieser Sammlungen, 1896 auch zum Direktor des Hohenzollernmuseums ernannt. In diesen Stellungen erwuchsen ihm dankbare Aufgaben in der Ordnung und Neuaufstellung der bisher in keiner Weise gesichteten Kunstwerke, in erster Linie der von Friedrich d. Gr. erworbenen französischen, später unter anderm auch der Schackgalerie in München sowie in deren wissenschaftlicher Durchforschung. Hauptfrüchte seiner Studien sind die Werke: »Friedrich der Große und die französische Malerei seiner Zeit« (Berl. 1892); »Der Silber- und Goldschatz der Hohenzollern im Schlosse zu Berlin« (das. 1896); »Französische Kunstwerke des 18. Jahrhunderts im Besitze Sr. M. des deutschen Kaisers und Königs von Preußen« (das. 1900); »Die Gemälde von Arnold Böcklin in der Schackgalerie zu München« (Münch. 1902); »Die Bildnisse der Hohenzollernherrscher vom Großen Kurfürsten pis Kaiser Wilhelm II.« (Berl. 1904); »Die Bildnisse der Königin Luise« (das. 1906). Mit Bode und Friedländer gab er heraus: »Die Gemälde alter Meister im Besitze Sr. M. des deutschen Kaisers und Königs von Preußen« (das. 1906); mit mehreren andern: »Der Kaiser und die Kunst« (das. 1907). Seit 1897 leitet er auch das von ihm begründete Hohenzollern-Jahrbuch. Er ist Professor und Senator der Berliner Akademie der Künste.