Stern [3]

[949] Stern, 1) Julius, Komponist und Dirigent, geb. 8. Aug. 1820 in Breslau, gest. 27. Febr. 1883 in Berlin, trat schon mit zwölf Jahren als Violinspieler öffentlich auf, ward 1834 auf der Akademie der Künste in Berlin Rungenhagens und Bachs Schüler in der Komposition und empfing 1843 auf zwei Jahre ein Staatsstipendium, machte zunächst bei Mieksch in Dresden gründliche Studien im Gesang und begab sich dann nach Paris, wo er als Dirigent des Deutschen Männergesangvereins glänzende Erfolge hatte. 1847 nach Berlin zurückgekehrt, gründete er hier seinen später berühmt gewordenen Chorgesangverein, dessen Direktion 1873 Stockhausen, 1878 M. Bruch, 1880 E. Rudorff, 1890 Fr. Gernsheim, 1904 Arno Kleffel übernahm. 1850 begründete er gemeinschaftlich mit Kullak und Marx das Konservatorium der Musik, das er, nachdem 1855 Kullak und zwei Jahre später auch Marx ausgeschieden waren, allein übernahm und bis an seinen Tod mit ungewöhnlichem Geschick geleitet hat. Geringern Erfolg hatte seine Wirksamkeit als Orchesterdirigent 1869–71 an der Spitze der Berliner Symphoniekapelle sowie 1873–75 an der von ihm organisierten Kapelle der Reichshallen. Von seinen Kompositionen haben namentlich die Lieder und Gesangunterrichtswerke Beifall gefunden. Vgl. R. Stern, Erinnerungsblätter an Julius S. (Leipz. 1886).

2) Adolf, Dichter und Literarhistoriker (eigentlich Adolf Ernst), geb. 14. Juni 1835 in Leipzig, gest. 15. April 1907 in Dresden, trat sehr früh in die Literatur ein, studierte 1852–53 in Leipzig Philosophie und Geschichte, lebte in den folgenden Jahren in Weimar, Chemnitz, Zittau, Dresden, Jena und Schandau und kehrte 1865 nach Dresden zurück, wo er 1868 zum außerordentlichen, 1869 zum ordentlichen Professor der Literatur- und Kulturgeschichte am Polytechnikum ernannt ward. Von seinen poetischen Schriften nennen wir: »Gedichte« (Leipz. 1860, 4. Aufl. 1900); die Novellen: »Am Königssee« (das. 1863), »Historische Novellen« (das. 1866), »Neue Novellen« (das. 1875), »Aus dunklen Tagen« (das. 1879, 3. Aufl. 1905); »Drei venezianische Novellen« (das. 1886, 2. Aufl. 1905); »Auf der Reise« (Dresd. 1890); »Die Wiedergefundene« (Stuttg. 1891); »Ausgewählte Novellen« (das. 1898, 2. Aufl. 1905); »Vier Novellen« (das. 1901); »Gluck in Versailles. Nanon« (das. 1904); »Maria vom Schiffchen« (Hamb. 1906); ferner die Romane: »Das Fräulein von Augsburg« (Leipz. 1868), »Die letzten Humanisten« (das. 1880, 3. Aufl. 1889), »Ohne Ideale« (das. 1881, 2 Bde.; 2. Aufl., Dresd. 1906), »Camoëns« (Leipz. 1887; 2. Aufl., Dresd. 1907), »Die Ausgestoßenen« (das. 1907); die epischen Dichtungen: »Johannes Gutenberg« (Dresd. 1873, 2. Aufl. 1889), »Wolfgangs Römerfahrt« (das. 1906) u. a., Werke, die uns S. als einen[949] Dichter von reicher Phantasie und künstlerischer Darstellung erkennen lassen. Als Literarhistoriker veröffentlichte er die Anthologie: »Fünfzig Jahre deutscher Dichtung« (Leipz. 1871, 2. Aufl. 1877); »Grundriß der allgemeinen Literaturgeschichte« (das. 1874, 4. Aufl. 1906); »Aus dem 18. Jahrhundert«, Essays (Berl. 1874); »Zur Literatur der Gegenwart«, Bilder und Studien (Leipz. 1880); »Geschichte der neuern Literatur« (das. 1883–85, 7 Bde.); »Geschichte der Weltliteratur« (Stuttg. 1888); »Beiträge zur Literaturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts« (Leipz. 1893); »Studien zur Literatur der Gegenwart« (Dresd. 1895, 3. Aufl. 1905; neue Folge 1904), Arbeiten, die durch umfassendes Wissen, Sicherheit des Urteils und Geschmack der Darstellung ausgezeichnet sind. Er schrieb noch: »Wanderbuch«, Bilder und Skizzen (Leipz. 1877, 3. Aufl. 1890), »Hermann Hettner«, Lebensbild (das. 1885), »Die Musik in der deutschen Dichtung« (das. 1888) und gab »W. Hauffs sämtliche Werke« (Berl. 1879, 4 Bde.), »Herders ausgewählte Schriften« (Leipz. 1881, 3 Bde.), »Chr. Gottfr. Körners gesammelte Schriften« (das. 1882) und die letzten Auflagen von Vilmars »Geschichte der deutschen Nationalliteratur« heraus, die er mit einer Fortsetzung: »Die deutsche Nationalliteratur vom Tode Goethes bis zur Gegenwart« versah (auch in Sonderausgabe, 5. Aufl., Marb. 1905). Mit Erich Schmidt gab er Otto Ludwigs »Gesammelte Schriften« heraus (Leipz. 1891, 6 Bde.), denen er eine wertvolle Biographie des Dichters beifügte (Sonderausgabe, 2. Aufl. 1906); ferner veröffentlichte er des Musikers Peter Cornelius' gesammelte »Gedichte« (das. 1890) und eine Übersetzung ausgewählter Gedichte des Grafen Snoilsky (a. d. Schwed., Dresd. 1892), »Liszts Briefe an Karl Gille« (Leipz. 1903) u. a. Sterns »Ausgewählte Werke« erschienen in Dresden, 6 Bde. Vgl. Stiller, A. S. und seine dichterischen Werke (Dresd. 1901); Bartels, Adolf S. der Dichter und der Literarhistoriker (das. 1905). – Seine Gattin Margarete, geborne Herr, geb. 25. Nov. 1857 in Dresden, gest. daselbst 4. Okt. 1899, Schülerin Liszts, war eine namhafte Klavierspielerin. Vgl. die Biographie ihres Gatten: »Margarete S. Ein Künstlerinnenleben« (Dresd. 1901).

3) Wilhelm, philosophischer Schriftsteller, geb. 11. Aug. 1844 in Sandberg (Provinz Posen), studierte in Breslau und Berlin Medizin und Philosophie, lebt in Berlin. Seine wichtigsten philosophischen Schriften sind: »Kritische Grundlegung der Ethik als positiver Wissenschaft« (Berl. 1897); »Die allgemeinen Prinzipien der Ethik auf naturwissenschaftlicher Basis« (das. 1901); »Das Wesen des Mitleids« (das. 1903). Sein philosophischer Standpunkt ist der kritische Positivismus: er verwirft alle religiösen und metaphysischen Voraussetzungen der Ethik.

4) Alfred, Geschichtsforscher, geb. 22. Nov. 1846 in Göttingen, habilitierte sich 1872 für Geschichte in Göttingen, wurde 1873 Professor der Geschichte in Bern und 1888 am Polytechnikum in Zürich. Er schrieb: »Über die zwölf Artikel der Bauern und einige andre Aktenstücke aus der Bewegung von 1525« (Leipz. 1868; Ergänzungen dazu in den »Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 12, Götting. 1872); »Milton und seine Zeit« (das. 1877–79, 2 Bde.); »Geschichte der Revolution in England« (in Onckens »Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen«, Berl. 1881, 2. Aufl. 1898); »Abhandlungen und Aktenstücke zur Geschichte der preußischen Reformzeit 1807–1815« (Leipz. 1885); »Das Leben Mirabeaus« (Berl. 1889, 2 Bde.); »Geschichte Europas seit den Verträgen von 1815 bis zum Frankfurter Frieden von 1871« (das. 1894–1905, 4 Bde.). Auch gab er »Briefe englischer Flüchtlinge in der Schweiz« (Götting. 1874) und mit W. Vischer den 1. Band der »Baseler Chroniken« (Leipz. 1872) heraus.

5) Daniel, Pseudonym, s. Agoult.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 949-950.
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