Sturm [4]

[152] Sturm, 1) Jakob S. (von Sturmeck), elsäss. Staatsmann, geb. 10. Aug. 1489 in Straßburg, gest. daselbst 30. Okt. 1553, stammte aus einer alten, 1640 erloschenen Patrizierfamilie, studierte zuerst in Freiburg Theologie, dann die Rechte in Lüttich und Paris, wurde 1525 zum erstenmal Stadtmeister in seiner Vaterstadt, schloß sich früh der Reformation an und nahm 1529 an dem Religionsgespräch in Marburg teil, trennte sich dann aber von den Lutheranern und überreichte 1530 auf dem Reichstag in Augsburg die Confessio tetrapolitana (vgl. Reformierte Kirche, S. 691). Um die Aufnahme seiner Vaterstadt in den Schmalkaldischen Bund zu erreichen, machte er 1532 Luther einige Zugeständnisse, war aber mit der Haltung der Verbündeten nicht einverstanden. Straßburgs Angelegenheiten leitete er mit Umsicht und vertrat die Interessen der Stadt mit Geschick. 1547 nach der Unterwerfung Süddeutschlands durch Karl V. erlangte er durch Fußfall und Abbitte vom Kaiser Verzeihung für Straßburg. S. gründete die Bibliothek und ein Gymnasium in Straßburg, das bald erfreulich gedieh (s. Sturm 2). Vgl. die Reden von Baum, Jakob S. (Straßb. 1872), und Baumgarten (das. 1876).

2) Johannes von, berühmter Humanist und Schulmann, geb. 1. Okt. 1507 in Schleiden (Eifel), gest. 3. März 1589 in Straßburg, studierte in Lüttich bei den Hieronymianern und in Löwen, ward 1530 akademischer Lehrer der klassischen Sprachen in Paris und 1537 Rektor des neuen Gymnasiums in Straßburg, das unter ihm europäischen Ruf erlangte. Als eifriger Calvinist mit den Lutheranern in Streit über die Konkordienformel verwickelt, verlor S. 1582 seine Stelle. Kaiser Karl V. hatte ihn geadelt. Sturms Studienordnung, im wesentlichen auf Melanchthons Grundsätzen erbaut, war Vorbild für zahlreiche Schulpläne des 16. und 17. Jahrh. und hatte Einfluß auch auf die Ratio studiorum der Jesuiten. Vgl. Schmidt, La vie et les travaux de Jean S. (Straßb. 1855); Laas, Die Pädagogik des Johannes S. (Berl. 1872); Kückelhahn, Johannes S., Straßburgs erster Schulrektor (Leipz. 1872); Schmid, Johannes S. in Straßburg (in der »Geschichte der Erziehung«, Bd. 2, 2. Abt., Stuttg. 1889).

3) Jakob, Kupferstecher und Naturforscher, geb 21. März 1771 in Nürnberg, gest. daselbst 28. Nov. 1848, verdient durch seine ikonographischen Werke über die deutsche Flora und Fauna, nach Sturms Tode fortgesetzt von seinem Sohn Johann Wilhelm S. (geb. 19. Juli 1808, gest. 7. Jan. 1865 in Nürnberg), nämlich: »Deutschlands Flora in Abbildungen nach der Natur« (Nürnb. 1798–1855,163 Hefte mit 2472 Tafeln) und »Deutschlands Fauna« (das. 1805–57; Vögel, Amphibien, Mollusken, Käfer).

4) Karl, Mathematiker und Physiker, geb. 22. Sept. 1803 in Genf, gest. 18. Dez. 1855, studierte in Genf, war dann Hauslehrer und ging 1825 nach Paris, wo er 1829 den nach ihm benannten Satz entdeckte (s. Gleichung, S. 23). Er wurde 1830 Professor am Collège Rollin und 1840 Professor der Mathematik und Mechanik an der École polytechnique und der Sorbonne. Seine Lehrbücher: »Cours d'analyse« (Par. 1857–59, 2 Bde.; 12. Aufl. 1901; deutsch von Groß, Berl. 1897–98, 2 Bde.) und »Cours de mécanique« (Par. 1861; 2 Bde.; 5. Aufl. 1883; neuer Abdruck 1905; deutsch von Groß, Berl. 1898–1900, 2 Bde.) sind auch heute noch nicht ohne Wert.

5) Julius, Lyriker, geb. 21. Juli 1816 zu Köstritz im Reußischen, gest. 2. Mai 1896 in Leipzig, studierte in Jena Theologie und wirkte zuerst in Göschitz bei Schleiz, dann seit 1857 in Köstritz als Pfarrer, bis er 1885 mit dem Titel eines Geheimen Kirchenrates in den Ruhestand trat. Von seinen Dichtungen sind hervorzuheben: »Gedichte« (Leipz. 1850, 6. Aufl. 1891); »Fromme Lieder« (das. 1852, 12. Aufl. 1893); »Zwei Rosen oder das Hohelied der Liebe« (das. 1854, 2. Aufl. 1892); »Neue Gedichte« (das. 1856, 2. Aufl. 1880); »Neue fromme Lieder und Gedichte« (das. 1858,4. Aufl. 1891; 3. Teil 1892); »Für das Haus«, Liedergabe (das. 1862); »Israelitische Lieder« (3. Aufl., Halle 1881) und »Von der Pilgerfahrt« (das. 1868); ferner die neue Sammlung »Lieder und Bilder« (Leipz. 1870, 2 Tle.; 2. Aufl. 1892); »1870. Kampf- und Siegesgedichte« (Halle 1870); »Spiegel der Zeit in Fabeln« (Leipz. 1872); »Gott grüße dich« (das. 1876,4. Aufl. 1892); »Das Buch für meine Kinder« (das. 1877, 2. Aufl. 1880); »Immergrün«, neue Lieder (das. 1879, 2. Aufl. 1888; illustriert von Thumann, 2. Aufl., das. 1899); »Märchen« (das. 1881, 2. Aufl. 1887); »Aufwärts!«, neue religiöse Gedichte (das. 1881); »Neues Fabelbuch« (5. Aufl, das. 1881); »Dem Herrn mein Lied«, religiöse Gedichte (Brem. 1884); »Natur, Liebe, Vaterland«, neue Gedichte (Leipz.!884); »Bunte Blätter« (Wittenb. 1885); »Palme und Krone«, Lieder zur Erbauung (Brem. 1887); »Neue lyrische Gedichte« (das. 1894); »In Freud und Leid«, letzte Lieder (Leipz. 1896). Tief religiöser Sinn, Innigkeit der Empfindung und echt deutsche Gesinnung zeichnen die Dichtungen Sturms durchweg aus. Er gab auch die Anthologie »Stille Andachtsstunden in frommen Liedern unsrer Tage« (Leipz. 1870, 8. Aufl. von Gerok 1903) und unter dem Pseudonym Julius Stern die Märchensammlung »Das rote Buch« (das. 1855) heraus. Vgl. Hepding, Julius S. (Gießen 1896); F. Hoffmann, Julius S. (Hamb. 1899).

6) Eduard, österreich. Politiker, geb. 8. Febr. 1830 in Brünn, studierte die Rechte, ward 1852 Advokat in Brünn und 1856 in Budapest. 1861 nach Brünn zurückversetzt, beteiligte er sich daselbst an der Gründung und Förderung vieler öffentlicher Vereine und Anstalten. 1865 ward er zu Iglau in den mährischen Landtag und von diesem 1867 in das österreichische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er bis 1890 angehörte. Er war Mitglied der verfassungstreuen Partei und ein vorzüglicher Redner. 1872 siedelte er als Advokat nach Wien über, nahm aber als Mitglied des Abgeordnetenhauses und des mährischen Landtags nach wie vor an der Politik lebhaften Anteil, war Vorstand der Vereinigten Linken, später des Deutsch-österreichischen [152] Klubs, Mitglied der Delegation und der Ausgleichungsdeputation. Wegen geschwächter Gesundheit zog er sich 1890 vom politischen Leben zurück.

7) August, Dichter und Schriftsteller, Sohn von S. 5), geb. 14. Jan. 1852 in Göschitz bei Schleiz, lebt als Rechtsanwalt in Naumburg a. S. Neben zahlreichen juristischen Werken, die meist dem Gebiete der Rechtsphilosophie angehören, veröffentlichte er unter andern poetischen Werken die lyrischen Sammlungen: »Gedichte« (Gütersl. 1878; 2. vermehrte Auflage, Hamb. 1905), »Lied und Leben« (das. 1889), »Deutsches Liederbuch« (2. Aufl., Leipz. 1894), »Neue Lieder« (Hamb. 1896), »Auf der Höhe« (das. 1903); die epischen Dichtungen: »Merlin« (Gera 1892), »Kaiser Friedrich der Edle« (Naumb. 1896), »Hohenzollernsagen« (Leipz. 1898), »König Laurins Rosengarten« (das. 1897), »Der König von Babel« (Wien 1900), »Deutsche Balladen« (Leipz. 1904); die Dramen: »Donat« (Hamb. 1891), »Reinhart Frei« (Naumb. 1893), »Verschollen« (das. 1894), »Das Rätsel des Lebens« (das. 1894), »Im Morgenrot des Jahrhunderts« (drei dramatische Dichtungen, das. 1899), zwei Einakter: »Siegfrieds Tod« und »Über den Menschen« (das. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 152-153.
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