Jolly

[297] Jolly, 1) Philipp von, Physiker, geb. 26. Sept. 1809 in Mannheim, gest. 24. Dez. 1884 in München, studierte in Heidelberg, Wien und Berlin, habilitierte sich 1834 in Heidelberg als Privatdozent, wurde 1847 ordentlicher Professor und 1854 als Professor der Physik nach München berufen. Jollys Arbeit über die Endosmose gab zuerst ein exaktes Maß dieses Vorganges, indem er die Volumänderungen maß, die sich dabei zeigen, und die Gewichtsmengen der sich austauschenden Substanzen bestimmte. Durch Konstruktion eines Luftthermometers war er imstande, die Ausdehnungskoeffizienten der Gase mit einer früher nicht erreichten Genauigkeit zu messen. Durch seine Analysen der atmosphärischen Luft mit Hilfe des[297] Kupfereudiometers wurden kleinste Schwankungen in ihrer Zusammensetzung ermittelt. Den Wagen gab J. eine sehr große Genauigkeit und Empfindlichkeit besonders durch Anwendung der Ablesungen mit Spiegel und Skala. Es gelang ihm, die Genauigkeit so weit zu treiben, daß er durch Wägungen die wechselnde Zusammensetzung der atmosphärischen Luft erkennen konnte. Mit der Wage bestimmte J. auch die Abnahme der Schwerkraft bei Entfernung von der Erdoberfläche, indem er den Gewichtsunterschied eines Körpers bestimmte, je nachdem derselbe in der Wagschale lag oder an einem 21 m langen Draht an derselben aufgehängt wurde; ferner die Dichtigkeit der Erde, indem er die Gewichtszunahme des Körpers maß, wenn unter ihn eine Bleikugel von 1 m Durchmesser gebracht wurde. Er schrieb: »De Euleri merito de functionibus circularibus« (Heidelb. 1834); »Anleitung zur Differential- und Intregalrechnung« (das. 1846); »Die Prinzipien der Mechanik gemeinfaßlich dargestellt« (Stuttg. 1852); »Über die Physik der Molekularkräfte« (Münch. 1857). Vgl. Böhm, Philipp von J. (Münch. 1886).

2) Julius, bad. Staatsminister, Bruder des vorigen, geb. 21. Febr. 1823 in Mannheim, gest. 14. Okt. 1891 in Karlsruhe, studierte 1840–44 die Rechte, habilitierte sich 1847, ward 1857 Professor der Rechte in Heidelberg und trat 1861 als Rat ins Ministerium des Innern unter Lamey. In Verbindung mit Roggenbach, Mathy und Bluntschli strebte er nach Deutschlands Einigung im Anschluß an Preußen, schied, als die badische Regierung 1866 mittelstaatliche Politik trieb, aus dem Ministerium aus, ward aber nach Preußens Sieg im September 1866 Minister des Innern und übernahm im Februar 1868 nach Mathys Tode den Vorsitz im Gesamtministerium. Im Innern die liberalen Grundsätze seiner Vorgänger in der Organisation der Verwaltung und in der kirchlichen Gesetzgebung befolgend, beförderte er nach außen die deutsche Einheit durch möglichst engen Anschluß Badens an den Norddeutschen Bund. 1870 stellte er sich wie der Großherzog entschlossen auf Preußens Seite und führte die Verhandlungen in Versailles über den Anschluß Badens an den Norddeutschen Bund und die Bildung des Deutschen Reiches. Da seine Kirchen- und Schulpolitik (Zulassung der gemischten Schulen, die Ausdehnung des Loyalitätsreverses, den das Gesetz über die Dotation der Geistlichen forderte, auf die evangelische Geistlichkeit und die entschiedene Haltung gegen die katholische Kirche) nicht mehr die Billigung des Großherzogs fand, erhielt J. 1876 seine Entlassung und ward 4. Okt. Präsident der Oberrechnungskammer. Er schrieb: »Der Reichstag und die Parteien« (Berl. 1880). Vgl. H. Baumgarten und L. Jolly, Staatsminister J., ein Lebensbild (Tübing. 1897); Hausrath, Zur Erinnerung an Julius J. (in »Alte Bekannte«, 1. Teil, Leipz. 1899).

3) Ludwig von, Jurist, Sohn von J . 1), geb. 12. März 1843 in Heidelberg, wurde nach vorübergehender Tätigkeit in der bayrischen und elsaß-lothringischen Staatsverwaltung 1874 ordentlicher Professor in Tübingen, wo er jetzt den Lehrstuhl für Verwaltungsrecht inne hat. Er gab mit Eisenlohr das Polizeistrafgesetzbuch für Baden heraus (Heidelb. 1867, 2 Tle.) und verfaßte zusammen mit Baumgarten eine Biographie seines Oheims, des Staatsministers Julius Jolly (s. Jolly 2).

4) Friedrich, Mediziner, Bruder des vorigen, geb. 24. Nov. 1844 in Heidelberg, gest. 4. Jan. 1904 in Berlin, studierte in München und Göttingen, promovierte 1867 mit einer Arbeit über die Ganglienzellen des Rückenmarks in München, wurde daselbst Assistent an der Klinik unter Pfeufer, dann in Werneck unter Gudden und in Würzburg unter Rinecker. Hier habilitierte er sich 1871 als Privatdozent mit einer Abhandlung über den Gehirndruck und über die Blutbewegung im Schädel. 1873 folgte er einem Ruf als außerordentlicher Professor und Direktor der psychiatrischen Klinik nach Straßburg, erhielt daselbst 1875 die ordentliche Professur der Psychiatrie, und 1890 ging er als ordentlicher Professor und Direktor der psychiatrischen und Nervenklinik nach Berlin. J. arbeitete über Hirnsklerose, Halluzinationen, Delirium acutum, Kriegspsychosen, Aphasie etc., auch berichtete er über Irrenpflege in Schottland, über Epileptikeranstalten etc. Er schrieb: »Bericht über die Irrenabteilung des Juliushospitals« (Würzb. 1873); »Hysterie und Hypochondrie« (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie«, Leipz. 1877); »Untersuchungen über den elektrischen Leitungswiderstand des menschlichen Körpers« (Straßb. 1884); »Vorgeschichte und gegenwärtige Einrichtung der psychiatrischen Klinik in Straßburg« (Rede, das. 1887); »Über Irrtum und Irrsinn« (Berl. 1893). Seit 1890 redigierte er das »Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten«. Vgl. Siemerling, Zur Erinnerung an F. J. (Berl. 1904).

5) Julius, Sanskritist und Sprachforscher, Bruder des vorigen, geb. 28. Dez. 1849 in Heidelberg, studierte 1867–70 in München, Berlin und Leipzig vergleichende Sprachwissenschaft und orientalische Sprachen, habilitierte sich 1872 als Privatdozent in Würzburg und wurde daselbst 1877 außerordentlicher, 1886 ordentlicher Professor des Sanskrits und der vergleichenden Sprachwissenschaft. 1882–83 bereiste ev Indien. Seine ersten Publikationen gehören dem Gebiete der Sprachvergleichung an, so: »Ein Kapitel vergleichender Syntax« (Münch. 1872), »Geschichte des Infinitivs im Indogermanischen« (das. 1873). Dann aber fiel das Schwergewicht seiner Arbeiten in das Gebiet des altindischen Rechts; unter anderm veröffentlichte er: »Über die rechtliche Stellung der Frauen bei den alten Indern« (Münch. 1876); »Tagore Law Lectures: Outlines of an history of the Hindu law of partition, inheritance and adoption« (Kalk. 1885); »Recht und Sitte« (Straßb 1896, in Bühlers »Grundriß der indo-arischen Philologie«), ferner Textausgaben und Übersetzungen indischer Rechtstexte. Für Bühlers »Grundriß« lieferte er auch die Behandlung der indischen Medizin (3. Bd., 10. Heft, Straßb. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 297-298.
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