[59] Aussetzung, 1) A. der Kinder, die widerrechtliche Versetzung eines, des Lebens u. der Gesundheit ohne fremde Hülfe unfähigen Kindes an einen, von geeigneter menschlicher Hülfe entblößten Ort u. Verlassung desselben. Erfolgt die A. des Kindes mit der bestimmten Absicht, entweder den Tod des Kindes herbeizuführen od. doch dasselbe an seiner Gesundheit zu beschädigen, so tritt unter Anwendung allgemeiner Grundsätze je nach Maßgabe des Erfolges die Strafe des entweder vollendeten od. doch versuchten Verbrechens der Tödtung od. der Gesundheitsverletzung ein, gleichviel wer derjenige gewesen ist, welcher die A. bewirkte. Zu einem selbständigen Verbrechen wird dagegen die Kindesaussetzung, wenn sie entweder durch die Mutter od. durch eine gleich ihr zur Erhaltung des Kindes gesetzlich verpflichtete Person zunächst nur in der Absicht geschieht, sich dieser Erhaltungspflicht zu entledigen u. des Kindes ledig zu werden. In diesem Sinne wird das Verbrechen der Kindesaussetzung als eigenes Delict schon in der Carolina (Art. 132) u. ebenso in den neueren Strafgesetzbüchern aufgeführt. Das Verbrechen gilt dann schon vollendet mit dem Augenblick der wirklichen Verlassung des Kindes in der oben erwähnten Absicht. Die Strafe dafür ist verschieden, je nachdem die Rettung des Kindes eine wahrscheinliche od. unwahrscheinliche war, u. das Kind hinterher gefunden u. dem Leben erhalten worden ist od. nicht. Konnte in letzterem Falle die Verbrecherin den Tod voraussehen, so kann die Strafe bis zu 10 Jahr Zuchthaus u. höher ansteigen. Übrigens kann das Verbrechen der Kindesaussetzung auch uneigentlicher Weise dadurch begangen werden, daß das Kind nicht gerade ausgesetzt wird, daß aber die aufsichtpflichtige Person in der Absicht, das Kind zu verlassen, sich von ihrer Wohnung entfernt u. dasselbe dort ohne Zurücklassung von Nahrungsmitteln od. Aufträgen dazu liegen läßt. Dagegen läßt sich das Verbrechen nicht annehmen, wenn ein Kind in ein Findelhaus gelegt wird, indem der Staat durch Gestattung einer solchen Anstalt im Voraus die Verpflichtung übernimmt, für solche Kinder zu sorgen u. daher in solchem Falle von einem Versetzen des Kindes in einen hülflosen Zustand nicht gesprochen werden kann. Das Verbot der A. der Kinder verdankt seine Entstehung erst dem Einfluß christlicher Ansichten. Bei den alten u. nicht christlichen Völkern fand u. findet sie noch heute oft statt, ohne daß darin ein verbrecherisches Thunerblickt wird. Viele ausgezeichnete Männer (so z.B. Ödipus, Kyros, Romulus u. Remus), sollen ausgesetzt worden sein. Bei den Lacedämoniern mußte es sogar geschehen, wenn das Kind schwächlich od. mißgestaltet war. Eigene Männer aus jeder Zunft bestimmten in den Leschen, ob der Vater das Kind erziehen dürfe; wenn nicht, so ward es in eine Höhle am Berge Taygetos gelegt. In Athen geschah die A. der Kinder meist an dem Kynosarges, wo die Kinder oft von Vorübergehenden aufgehoben u. erzogen wurden. Bei den Thebanern war das A. der Kinder bei Todesstrafe verboten; wer zu arm war sein Kind zu ernähren, mußte es vor den Magistrat bringen, welcher es dann bei einem Wohlhabenden[59] unterbrachte, u. der Erzieher behielt dann das Kind als Sklaven. In Rom hatte Romulus bestimmt, alle Knaben u. die ältesten Töchter zu erziehen; die 12 Tafeln erlaubten nur die A. monströser Kinder; später ward die A. der Kinder sehr gewöhnlich, es geschah stets, wenn der Vater das von der Hebamme zu seinen Füßen gelegte Kind nicht aufhob. Die A. der Kinder geschah dort gewöhnlich an der Columna lactaria od. am Velabrum (s.d.). Hob ein Vorübergehender das Kind auf, so erhielt er alle Rechte auf dasselbe, der Vater verlor sie. Unter Valentinian u. Gratian ward das Aussetzen der Kinder zu Rom verboten, jedoch unter nicht sehr harten Strafen. Griechen u. Römer gaben den ausgesetzten Kindern gewöhnlich einen Ring od. eine andere Kostbarkeit (Γνωρίσματα, Crepundia, Monimenta) mit, um Vorübergehende zu veranlassen, das Kind aufzunehmen, auch wohl, um in Zukunft den Findling wieder zu erkennen. Erst das Christenthum trat dieser Sitte mit Entschiedenheit u. Nachdruck entgegen u. wirkte auf Abschaffung derselben bei allen heidnischen Völkerschaften, so bei den Celten, Nordgermanen, Slaven, zunächst dadurch, daß die Kinder in der Nähe ausgesetzt wurden, wo sie dann Aufnahme u. Erziehung in den kirchlichen Instituten fanden. Bei den Muhammedanern ist die A. der Kinder streng verboten, die Gläubigen halten es für ein großes Verdienst, Ausgesetzte aufzunehmen u. zu erziehen. In China, Japan u. Ostindien ist die A. der Kinder erlaubt u. so häufig, daß die Jesuiten allein im 18. Jahrh. binnen 3 Jahren 9702 Kinder gezählt zu haben versichern, die allein in Peking durch Wagen gesammelt u. in eine Grube geworfen worden wären. Auch auf den Südseeinseln, bes. zu Otaheiti, war das A. der Kinder, wenigstens sonst, sehr häufig, u. auf Madagascar werden alle an bestimmten Monaten od. Tagen in der Woche u. unter gewissen Constellationen der Planeten geborene Kinder ausgesetzt. Die A. anderer hülfsbedürftiger Personen, z.B. Blödsinniger, Taubstummer, ganz verborgen Erzogener wird nach den neueren Strafgesetzbüchern nach gleichen Grundsätzen bestraft, wie die A. der Kinder; 2) A. des Sacramentes, so v.w. Ausstellung des Sacramentes; 3) A. der Kosten, die Verschiebung der Entscheidung über die Kosten des Processes bis auf ein anderes Urtheil, vorzüglich in Zwischenerkenntnissen.