Todesstrafe

[641] Todesstrafe (Poena capitis), diejenige Strafe, bei welcher das Strafübel darin besteht, daß dem Verbrecher unter der leitenden Aufsicht des Staates auf eine bestimmte, mehr oder minder schmerzhafte Weise das Leben entzogen wird. A) Wie die Vollziehung jeder rechtmäßigen Strafe, so setzt auch die Vollziehung der T. ein rechtliches Erkenntniß (Todesurthel) voraus, durch welches in Anwendung bestehender Strafgesetze dem Verbrecher das Leben abgesprochen worden ist. Da die T. allgemein als die schwerste unter allen Strafen betrachtet wird u. zugleich ein Strafübel ist, dessen Anwendung die Unmöglichkeit einer späteren Milderung od. Wiederaufhebung in sich schließt, so gelten bezüglich der Fällung von solchen Todesurtheln mehrfache Besonderheiten, wie sie bei anderen Strafurtheilen sonst nicht vorkommen. Hierher gehört namentlich, daß die Fällung von Todesurtheilen öfters Stimmeneinhelligkeit erfordert, sowie daß da, wo die Straferkenntnisse noch nach bestimmten Beweisregeln gefällt werden, öfters die Bestimmung sich findet, daß ein Todesurtheil nur bei vorliegendem directen Beweis gefällt u. nicht auf Indicien (s.d.) gebaut werden darf. Allgemein besteht ferner in fast allen civilisirten Staaten die Regel, daß Todesurtheile nicht eher vollzogen werden dürfen, bevor sie die landesherrliche Bestätigung erhalten haben. Der Gerichtshof, welcher das Todesurthel gefällt hat, hat zu diesem Zwecke dasselbe nach eingetretener Rechtskraft mit gutachtlichem Berichte dem Justizministerium vorzulegen, u. letzteres erstattet dann dem Regenten einen schriftlichen Vortrag, worin sowohl das Thatsächliche des Falles, als auch die rechtliche Erwägung desselben mit dem Antrag auf Bestätigung od. Verwandlung der Strafe in eine gelindere enthalten ist. Erfolgt die Bestätigung, so wird das Todesurthel in der Regel am dritten Tage, vom Tage der Eröffnung an gerechnet, meist an einem Dienstag od. Freitag, keinesfalls an einem Sonn- od. Feiertag, u. gewöhnlich zur Vormittagszeit zum Vollzug gebracht. Nur im Kriege, od. wenn das Martialgesetz verkündet ist, so wie in dringenden Fällen auf der See, bedarf es keiner landesherrlichen Bestätigung; dieselbe wird dann durch die Bestätigung des Höchstcommandirenden od. des Schiffscapitäns ersetzt. Vom Momente des eröffneten Urtheils an wird dem Verurtheilten ein Seelsorger beigegeben, welcher ihn zum Tode vorbereitet, auch wird es dem Verurtheilten verstattet, unter Aufsicht, Besuche seiner Verwandten u. Bekannten zu empfangen, um von ihnen Abschied zu nehmen u. seinen Nachlaß zu ordnen. Auch sonstige, den Verhältnissen nach nicht unpassende Wünsche werden dem Verurtheilten noch erfüllt; dagegen sind die Mißbräuche bei der sogenannten Henkersmahlzeit, nach denen man bei der letzten Mahlzeit dem Delinquenten noch alle Genüsse gewährte, welche er verlangte, jetzt abgeschafft. Ebenso ist der feierliche Aufzug, mit welchem der Delinquent sonst oft unter Begleitung der Schulen, welche dabei geistliche Lieder anstimmten, u. von Frohnbauern, welche deshalb bald zu Fuß, bald zu Pferde (Galgenritt) zu erscheinen hatten, zur Richtstätte geführt wurde, so wie die Hegung des Hochnothpeinlichen Halsgerichts (s.d.) auf der Richtstätte, wobei nach nochmaliger Vorlesung der ergangenen Urtheile der Stab über den Verbrecher gebrochen u. derselbe dann in feierlicher Anrede dem Scharfrichter zur Execution übergeben wurde, fast überall außer Gebrauch gekommen. Über den ganzen Act wird durch den Gerichtsschreiber ein Protokoll aufgenommen. Bei Schwangeren muß mit der Vollziehung der T. so lange Anstand genommen werden, bis die Niederkunft erfolgt ist.

B) Hinsichtlich der Vollziehungsart der T. unterscheidet man einfache u. qualificirte (geschärfte) T-n, u. versteht unter den ersteren die,[641] bei denen es lediglich auf die bloße Lebensberaubung abgesehen ist, unter den letzteren solche, welche zugleich absichtlich mit körperlichen Martern od. Beschimpfungen verknüpft sind. Zu den einfachen T-n gehört die Enthauptung (s.d.), das Hängen (s.d.), das Erschießen (s.d.), Kämpfen mit wilden Thieren u. das Ertränken (Säcken, s.d.); von qualificirten T-n kennt die frühere Criminalrechtsgeschichte das Rädern (s.d.), Verbrennen (sd.) auf dem Scheiterhaufen, Viertheilen (s.d.), die Steinigung (s.d.), das Pfählen (s.d.), das Lebendigbegraben u. Einmauern (s.d. 2), das Stürzen von hohen Felsen, z.B. vom Tarpejischen Felsen (sd.) in Rom, das Zersägen (s.d.), die Kreuzigung (s.u. Kreuz S. 797) etc. Außerdem kommen als Schärfungen einfacher T-n vor: das Schleifen auf einer Kuhhaut od. Schleife zur Gerichtsstätte, das Kneipen mit glühenden Zangen, das vorausgehende Aus- u. Abreißen einzelner Glieder, z.B. bei Verleumdern der Zunge, das Flechten des Leichnams auf das Rad od. das Stecken des Kopfes auf einen Pfahl, die Abährung des Halses (s.u. Enthauptung). Im heutigen Rechte ist diese Mannigfaltigkeit der T-n zum größten Theil abgeschafft. Qualificirte T-n kommen bei den gesitteten europäischen Völkern fast gar nicht mehr vor, u. von den einfachen ist in der Regel nur eine beibehalten, u. zwar in Österreich der Strang, in den übrigen Ländern die Enthauptung, welche theils durch das Beil, theils durch das Schwert, theils durch eine besondere Maschine, wie in Frankreich die Guillotine (s.d.) od. wie im Königreich Sachsen, durch das Fallschwert (s.d.) vollzogen wird. Nur für Militärverbrechen u. bei Verkündigung des Standrechtes besteht daneben noch die Vollziehungsart der T. durch Erschießen (Arquebussiren, Füsiliren), s. Erschießen a). Die Französische Revolution hat öfters das Beispiel gegeben, daß solche Erschießungen in Masse, mit Flinten u. Kanonen (Mitraillade) stattgefunden haben; auch einzelne Militärverbrecher wurden vor Kanonen angebunden u. so rücklings erschossen, z.B. 1857 während des Seapoyaufstandes in Ostindien.

C) Seit ungefähr der Mitte des 18. Jahrh. ist die Frage vielfach aufgeworfen worden, ob die T. überhaupt nach der Bestimmung der Strafe rechtlich zulässig u. zweckmäßig sei. Insbesondere war es der Italiener Beccaria (s.d.), welcher zuerst dadurch, daß er in seinem Werk über die Verbrechen u. Strafen, 1764, dem Staate das Recht absprach T-n zu erkennen, weil ihm die Einzelnen kein solches Recht über Leben zu verfügen übertragen hätten, u. die T. als für die Strafrechtspflege nicht blos nicht nützlich, sondern vielmehr schädlich darstellte, die Frage zur Sprache brachte. Ihm folgten bald Andere, welche sich in gleichem Sinne aussprachen. Eine Folge davon war, daß schon in Toscana 1786 u. in Österreich, nachdem hier bereits seit 1781 fast kein Todesurtheil zur Vollstreckung gelangt war, durch Gesetz vom 2. April 1787 die T-aufgehoben wurde; indessen sah Kaiser Franz II. 1796 sich veranlaßt hier die T. wenigstens für Hochverräther wieder einzuführen, u. im Strafgesetzbuch von 1803 erhielt dieselbe von Neuem eine noch ausgedehntere Anwendung. In Frankreich kam die Aufhebung der T. seit 1790 mehrfach, insbesondere im Convent von 1793 durch Condorcet, zur Sprache u. im Jahre IV wurde dieselbe wirklich von dem Tage an, wo der allgemeine Frieden eintreten werde, verkündet. Später änderten sich indessen auch hier die Ansichten wieder, u. der Code Napoléon von 1810 droht für 36 verschiedene Verbrechensfälle die T. an. Im englischen Parlament wurde die Frage mehrfach in Verbindung mit Anträgen auf Verbesserung der Gefängnisse u. unter Hervorhebung der Nothwendigkeit mehr auf Besserung der Verbrecher hinzuwirken behandelt u. in Folge dessen wenigstens für eine große Anzahl von Verbrechen, welche früher mit T. bedroht waren, dieselbe abgeschafft. In Nordamerika erfolgte bes. unter dem Einfluß der Quäker schon 1786 im Staate Pennsylvanien versuchsweise u. 1794 definitiv die Einschränkung der T. auf den Mord, u. diese Ansicht ist dann bald auch in die Strafgesetzbücher mehrer anderer amerikanischen Staaten übergegangen. In bes. zahlreichen wissenschaftlichen Ausführungen ist die Frage über die Beibehaltung der T. in Deutschland behandelt worden; doch sind gerade hier die Ansichten am meisten aus einander gelaufen, da hier die Strafrechtsprincipien überhaupt, von denen man allenthalben ausgehen zu müssen glaubte, die mannigfaltigste Behandlung u. Ausbildung erfahren haben. Als Gegner der T. sind neuerdings namentlich hier aufgetreten Eschenmaier, Über Abschaffung der T., Tüb. 1831; Naubig, Die rechtswidrige T., Nürnb. 1833; Grohmann, Über das Princip des Strafrechts, Karlsr. 1832; Zöpfl, Denkschrift über die Rechtmäßigkeit u. Zweckmäßigkeit der T., Heidelb. 1839; Althof, Über Verwerflichkeit der T., Lemgo 1842; Nöllner, Wissenschaft u. Leben in Bezug auf die T., Frankf. 1843; Berner, Die Abschaffung der T., Dresd. 1851; Graf Reigersberg, im Gerichtssaal 1854, I. S. 432 u. II. S. 401 ff., u. Arnold, im Archiv des Criminalrechts, 1854, S. 544; Köstlin, System des Strafrechts, Tüb. 1855, S. 443 f.; Schlatter, Das Unrecht der T., Erl. 1857; Mittermaier, Die T., Heidelb. 1862. Dagegen ist die Vertheidigung der T., freilich in sehr verschiedenem Sinne, je nachdem Einige die absolute Nothwendigkeit, Andere diese nur für die jetzige Zeit nochanerkennen, geführt worden von Reidel, Die Rechtmäßigkeit der T., Heidelb. 1839; Hepp, Über den gegenwärtigen Stand der Streitfrage über die Zulässigkeit der T., Tüb. 1835, u. in den allgemeinen Werken über Strafrecht u. Rechtsphilosophie von Stahl, Richter, Jarke, Rotteck, Henrici, Geib, Biener, Hälschner, Abegg, Roßhirt, Marezoll, H. Bekker u. Andern. Als Hauptgründe für die Beibehal tung der T. werden meist geltend gemacht: Es sei eine allgemeine Forderung der Gerechtigkeit, daß die Größe des Strafübels mit der Größe des verübten Verbrechens im Einklang stehen müsse, es sei daher nothwendig u. auch den bei allen Völkern erhaltenen Traditionen gemäß, daß mindestens dem Morde als dem schwersten Verbrechen auch das schwerste Strafübel, nämlich Verlust des Lebens, folge. Man beruft sich ferner auf das allgemeine Rechtsbewußtsein, welches verletzt werden würde, wenn nicht die Gleichheit zwischen Strafe u. Verbrechen eingehalten werden sollte. Die einem großen Verbrecher zu Theil gewordene Begnadigung empöre das Volk u. führe nicht selten dazu, daß das Volk, wenn seinem Gerechtigkeitsgefühle nicht Genüge gethan werde, selbst blutige Sühne nehme. u. an dem Verbrecher vollziehe, was der Staat unterlassen habe. Daß die T. die rechte Sühne für die schweren Verbrechen bilde, spreche sich auch darin[642] aus, daß nicht selten der zum Tode verurtheilte Verbrecher selbst mit einer wundersamen Beruhigung des Gemüthes dem Tode entgegengehe u. denselben als ein Mittel empfinde, um zum Frieden mit sich selbst, mit Gott u. den Menschen zu gelangen. Vielfach wird die Nothwendigkeit der T. auch damit gegerechtfertigt, daß nur durch diese der bürgerlichen Gesellschaft genügende Sicherheit vor manchem gefährlichen Verbrecher gegeben werde. Keine andere Strafe enthalte ferner ein so wirksames Abschreckungsmittel von Begehung schwerer Verbrechen, wie auch die Vermehrung todeswidriger Verbrecher gezeigt habe, welche in den Staaten, die vorübergehend die T. aufgehoben hätten, eingetreten sei. Die Aufhebung der T. würde auch den Nachtheil haben, daß es dann an der nothwendigen Gradation der Strafübel fehlen würde u. die verschiedenartigsten Verbrechen dann gleichgestellt werden müßten. Das Recht auf die Vollziehung der T. könne dem Staate eben sowenig abgesprochen werden, als er z.B. das Recht ha be zur Erhaltung der bürgerlichen Rechtsordnung die Unterthanen als Soldaten zu verwenden u. sie dadurch ebensogut der Gefahr des Verlustes ihres Lebens auszusetzen. Jedenfalls zeige sich, daß im Kriegsstande die T. ganz unentbehrlich sei, woraus folge, daß sie auch sonst zur Erhaltung der Sicherheit des Staates u. des Schutzes der höchsten Güter der Unterthanen nicht unerlaubt sein könne. Endlich haben nicht wenige Schriftsteller sich zur Vertheidigung der T. auch auf die Aussprüche der Bibel berufen, welche, indem sie die T. als eine völlig erlaubte Strafart erwähnten u. gewissen Verbrechen sogar direct androhten, alle christlichen Gesetzgeber zur Beibehaltung derselben bestimmen müßten. Dagegen führen die Gegner der T. bes. an, daß es zunächst auf ganz willkürlichen Voraussetzungen beruhe u. auf den verwerflichen Grundsatz materieller Talion (s.d.) hinauskomme, wenn man die T. als die höchste Strafe u. als das allein dem Werthe nach für die schwersten Verbrechen specifisch gleichwichtige Strafübel ansehen wollte. Auch bei der Tödtung (s.d.) eines Menschen kämen die verschiedensten Grade der Verschuldung vor, u. es würde eine offenbare Verletzung der Forderung der Gerechtigkeit enthalten, wenn man blos deshalb, weil ein Mensch dabei sein Leben verloren hat, nun unterschiedlos dem Urheber der Tödtung mit dem Tode bestrafen wollte. Ebenso willkürlich sei die Unterstellung, daß das Rechtsbewußtsein des Volkes die T. fordere. Man verwechsele dabei rohe Volksausbrüche mit der wahren Stimme des Volkes u. übersehe, daß der verständigere Theil des Volkes sich mit Abscheu von dem Anblick der Vollziehung einer solchen Strafe hinwegwende. Mit der Ansicht ferner, daß durch die T. die bürgerliche Gesellschaft versöhnt werden solle, huldige man nur einer versteckten Wiedervergeltungstheorie u. erhebe das Rachegefühl zum Princip; berufe man sich aber auf die beruhigte Stimmung der Delinquenten selbst, so lehre die Erfahrung vielmehr, daß die Mehrzahl der zum Tode verurtheilten Verbrecher über ihre Lage gar kein klares Bewußtsein mehr hätten, u. daß es ebensoviele Fälle gebe, in denen die Verurtheilten nur unter Flüchen dem Tode entgegengingen. Die abschreckende Kraft der T. sei keineswegs auch in dem Maße vorhanden, daß sie eine besondere Sicherung darbiete, u. die Gradation der Strafen lasse sich auch ohne T. sehr wohl herstellen, daß die lebenslängliche Freiheitsstrafe für die schwersten Verbrechen absolut, für die minder schweren nur als Maximum gedroht werde. Die Nothwendigkeit die T. im Kriege beizubehalten u. hier auch für die Vertheidigung des Vaterlandes das Leben der Bürger zu verlangen, gebe keinen consequenten Schluß auf das Recht des Staates zur Beibehaltung der T., weil der Krieg ein Nothstand sei, während in friedlichen Verhältnissen der Staat dem Verbrecher gegenüber sich keineswegs in einem solchen Nothstand befinde. Die Berufung auf Stellen der Bibel könne Nichts entscheiden, weil, insoweit man dabei Stellen des Alten Testamentes vor Augen habe, das Alte Testament, u. namentlich das Mosaische Recht, keine Autorität für die heutige Gesetzgebung sei, auch alsdann die T. in Fällen beibehalten werden müsse, für welche sie selbst von den Vertheidigern der T. allgemein zurückgewiesen werde; insoweit aber Aussprüche des Neuen Testamentes in Frage kommen, weisen die Gegner der T. namentlich auf den Ausspruch Christi über die Ehebrecherin, so wie darauf hin, daß die Christliche Kirche von jeher die Besserung des Verbrechers Allem voranstellend der T. entgegengewirkt habe, u. daß auch die edelsten Theologen der Neuzeit (z.B. Schleiermacher, Predigten III., 512) dieselbe verworfen haben. Als positive Gründe für die Verwerflichkeit der T. werden aber daneben noch geltend gemacht, daß dieselbe direct über allen Zweck der Strafe in das Gebiet der Gottheit eingreife, welche allein über das Leben der Menschen zu bestimmen habe; daß sie durch die Beraubung der Möglichkeit für den Verbrecher, sich zu bessern u. durch aufrichtige Reue sich des höheren Lebens würdig zu machen, den würdigsten Zweck der Strafe verfehle; daß sie für die Übung wahrer Gerechtigkeit höchst gefährlich sei, insofern ihre Anwendung nicht, wie dies bei allen anderen Strafarten doch mehr od. weniger möglich bleibt, gestattet bei einer später sich herausstellenden Unschuld des Delinquenten das durch die Strafvollstreckung zugefügte Unrecht wieder gut zu machen; endlich, daß auch erfahrungsmäßig sowohl die Androhung, als die Vollziehung der T. weit mehr positive Nachtheile, als die von ihr gehofften Vortheile hervorbringe, indem einestheils schon die Richter, insbesondere Geschworene, bei der herrschenden Abneigung wider dieselbe, Alles anwendeten, um das Aussprechen der Strafe zu vermeiden; anderntheils die Vollziehung einer Hinrichtung bei dem Publicum statt eines ernsten, ergreifenden Eindruckes vielmehr, je nach dem Betragen des Verbrechers, meist nur das Gefühl des Abscheues wider die Henker, eines falschen Mitleides od. auch einer rohen Rache u. einer ungezügelten Luft an dem blutigen Schauspiel hervorrufe.

Bei diesem scharfen Gegenüberstehen der Ansichten ist es erklärlich, daß der Beschluß, welchen die Frankfurter Nationalversammlung in §. 9 der Grundrechte faßte, daß die T., ausgenommen wo das Kriegsrecht sie vorschreibe od. das Seerecht im Falle von Meutereien sie zulasse, abgeschafft sein solle, nur eine vorübergehende Bedeutung haben konnte, zumal sich diese Bestimmung unter denjenigen befand, welche nicht sofort in Wirksamkeit treten, sondern erst durch die Landesgesetzgebung in den einzelnen Staaten eingeführt werden sollten. Denn obschon hiernach Sachsen-Weimar, Koburg, Schwarzburg, Anhalt, Württemberg, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, [643] Braunschweig, Oldenburg, Baden, Nassau, Bremen, Frankfurt, Hamburg u. Schleswig-Holstein die T. abschafften, so ist dieselbe doch theils mit Beseitigung der Grundrechte überhaupt, theils ohne dieselbe später in den meisten dieser Staaten wieder eingeführt worden. Nur Oldenburg, Nassau u. Anhalt haben sich bis jetzt dieser Wiedereinführung enthalten. Dagegen haben die wiederholten Angriffe auf die Rechtmäßigkeit u. Zweckmäßigkeit der T. wenigstens die Wirkung gehabt, daß die Androhung derselben in allen neueren Gesetzbüchern auf sehr wenig Fälle u. deren Anwendung überdies noch durch die Gestattung der Annahme mildernder Umstände eingeschränkt worden ist. Den letzteren Ausweg hatte schon seit 1832 die Französische Gesetzgebung betreten. Verhältnißmäßig häufig ist die Androhung der T. noch im neuen Preußischen Gesetzbuch von 1851, in welchem sich dieselbe noch bei Hochverrath, acht Fällen des Landesverraths, Thätlichkeiten gegen den König, Mord, zwei Arten des Todtschlages u. bei gemeingefährlichen Verbrechen, wenn durch dieselben ein Mensch um das Leben gekommen ist, angedroht findet. Weniger häufig findet sich die T. schon in dem Österreichischen Strafgesetzbuch von 1852 zur Anwendung gebracht, nämlich nur bei Hochverrath, öffentlichen, mit Tödtungen verbunden gewesenen Gewaltthätigkeiten, Mord, räuberischem Todtschlag u. Brandlegung in zwei Fällen; außerdem ist die Anwendbarkeit der T. hier dadurch eingeschränkt, daß nach dem Gesetz da, wo der Schuldbeweis nur auf Indicien beruht u. wenn der Verbrecher noch nicht das 21. Jahr erreicht hat, nicht auf T. erkannt werden darf. Das neue Königlich Sächsische Strafgesetzbuch vom Jahre 1855 kennt die T. nur noch beim Hochverrath, Mord, dem Raub, wenn dabei ein Mensch getödtet wurde, u. der Brandstiftung in vier Fällen; das neue Baierische Strafgesetzbuch vom 10. November 1861 nur noch bei Hochverrath, in fünf Fällen des Staatsverraths, bei thätlichen Beleidigungen des Königs, Mord u. Raub mit Tödtung eines Menschen. Der neueste Entwurf eines Strafgesetzbuchs für Bremen hat die T. blos noch für den Mord beibehalten Der Deutsche Juristentag von 1863 (in Mainz unter Wächters Vorsitz) sprach sich gegen die T. aus. In Betreff der neueren ausländischen Strafgesetzgebung ist zu erwähnen, daß in Frankreich durch die Constitution von 1848 die Aufhebung der T. für politische Verbrechen erfolgte, daß jedoch durch Gesetz vom 10. Juni 1853 für Attentate gegen das Leben od. die Person des Kaisers die Wiedereinführung derselben erfolgte. In Belgien wurde die T. für politische Verbrecher schon 1834 aufgehoben; für die übrigen schwereren Verbrechen ist sie zwar auch in dem, im Jahre 1861 angenommenen Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs noch beibehalten worden, indessen die Zahl der Fälle, in denen sie angedroht ist, wesentlich vermindert. In England ist die Zahl der gesetzlich todeswürdigen Verbrechen durch die Bemühungen der Gegner der T. allmälig von 160 bis auf nur noch sieben (Mord, Mordversuch mit schweren Beschädigungen, Sodomie, Hauseinbruch mit schweren Gewaltthätigkeiten, Raub mit Verwundung, Brandstiftung an Wohnhäusern u. Hochverrath) herabgemindert worden, u. in Wirklichkeit zieht nur der Mord die T. nach sich, indem seit 1841 wegen der andern Verbrechen keine Hinrichtung vollzogen worden ist. Unter den Nordamerikanischen Staaten haben Michigan (1846), Rhode Island (1852) u. Wisconsin die T. ganz aufgehoben; andere Staaten, wie Maine (1837) u. Massachusetts (1852), haben die Einrichtung eingeführt, daß der todeswürdige Verbrecher erst ein Jahr im Gefängniß zu halten ist u. daß es dann von dem Gouverneur abhängt, ob er die Hinrichtung noch anordnen od. die lebenslängliche Inhaftirung wählen will. In Italien erfolgte für Toscana die Wiedereinführung der T. im Jahre 1803, doch wurde die T. nur sehr selten zur Anwendung gebracht. Das Strafgesetzbuch Sardiniens vom Jahre 1839 droht die T. noch in 41 Fällen an; die Beschlußfassung über neuere Anträge auf Abschaffung der T. ist bis zur Berathung eines allgemeinen Strafgesetzbuchs für ganz Italien ausgesetzt worden. Die Republik San Marino hob die T. 1859 auf. Für die Schweiz hat die neue Verfassung von 1848 (Art. 54) die T. allgemein bezüglch der politischen Verbrechen aufgehoben; außerdem haben die neuen Strafgesetzbücher von Freiburg (1849) u. Neufchatel (1854) dieselbe auch für alle anderen Verbrechen beseitigt, u. für Tessin wurde 1860 ein gleicher Antrag gestellt. Die übrigen Cantone haben die T. zwar noch beibehalten, jedoch wesentlich, z.B. durch Gestattung, daß bei Milderungsgründen der Richter davon abgehen dürfe (Genf, Luzern, Appenzell), u. dadurch, daß nach fünf Jahren vom Urtheil an keine T. mehr vollzogen werden darf (Solothurn), beschränkt. Auffallend ist die Strenge des neuen Niederländischen Gesetzbuchs von 1854, welches die T. selbst noch beim Kindermord u. Diebstahl in fünf Fällen androht. Große Verbreitung hat neuerlich die Ansicht gewonnen, daß ein bedeutender Theil der Einwendungen wider die T. damit falle, wenn die Hinrichtungen nicht mehr vollkommen öffentlich, sondern innerhalb geschlossener Mauern vollzogen würden, indem dadurch namentlich am besten die empörenden Auftritte vermieden würden, welche der bei öffentlichen Hinrichtungen stattfindende Zusammenlauf der Hefe des Volkes zuweilen mit sich führt. Die Einrichtung solcher Intra-Muran-Hinrichtungen (im Gegensatz von Extra-Muran-Hinrichtungen) erfolgte zuerst in mehren Staaten Nordamerikas. Neuerdings sind diesem Beispiele auch mehre deutsche Staaten, wie Preußen, Württemberg, Schwarzburg-Sondershausen, Hamburg, Sachsen-Altenburg, Königreich Sachsen, Baden u. Baiern, gefolgt. Die Hinrichtung wird hiernach in der Weise vollzogen, daß das Schaffot in einem rings begrenzten Raume, z.B. in dem Hofe des Gefängnisses, errichtet ist u. der Act selbst in Gegenwart einer Gerichtscommission, eines Beamten der Staatsanwaltschaft, des Gerichtsarztes u. nur einer geringen Anzahl von Zuschauern, soweit letzteres der Raum gestattet, Statt findet. Um dem größeren Publicum den Moment der Hinrichtung eindringlich zu machen, wird während des ganzen Vorganges mit einer besonderen Glocke geläutet, auch pflegt überdies eine kurze Schilderung der Missethat u. der Bestrafung in öffentlichen Blättern eingerückt zu werden. Indessen sind auch über die Zweckmäßigkeit dieser Maßregel die Ansichten sehr getheilt. Vgl. Mitterm aier, die T. S. 161 ff.; Neue Jahrbücher für Sächsisches Strafrecht, Bd. VII. S. 288 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 641-644.
Lizenz:
Faksimiles:
641 | 642 | 643 | 644
Kategorien:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon