Canōva

[640] Canōva, Antonio C., Marquis v. Ischia, geb. 1. Nov. 1757 in Passagno im Venetianischen; diente, eines armen Mannes Sohn, in der Küche des Gutsherrn Falieri; ward von seinem Brodherrn, dessen Aufmerksamkeit er durch einen Löwen von Butter erregte, zu einem Bildhauer in Bassano in die Lehre geschickt, kam von da auf die Akademie nach Venedig, gewann bald mehrere akademische Preise u. fertigte in seinem 16. Jahre eine Statue der Eurydice. 1779 ging er mit einer jährlichen Pension von der Akademie nach Rom, vollendete hier Dädalus u. Ikarus (1782), ein Werk, welches allgemeine Bewunderung fand u. ihm einen Auftrag des Venetianischen Gesandten Giuliano zur Darstellung Theseus, welcher den Minotaur erlegt, verschaffte. Dieses 1783 vollendete Bildwerk erhöhte seinen Künstlerruf so sehr, daß er 1787 erwählt wurde, das Grabmal des Papstes Clemens XIV. in der Apostelkirche daselbst zu bilden (1792 aufgestellt). Nach Vollendung desselben war er allgemein als der größte plastische Künstler seiner Zeit anerkannt, so daß unter seinem Einfluß eine aus der Wiederbelebung des antiken Geschmackes hervorgehenden Regeneration der Bildkunst zu Stande kommen konnte. (Vgl. Bildhauerkunst). Während der Kriegsunruhen verließ er Rom. kehrte aber bald zurück. 1798 u. 1799 reiste er nach Österreich u. Preußen u. fertigte nach seiner Rückkehr seinen Perseus mit dem Medusenhaupt, den der Papst kaufte u. an die Stelle des nach Paris entführten Apollo von Belvedere im Vatican aufstellte. 1802 wurde er Generalinspector aller Kunstsachen im Kirchenstaate u. folgte in demselben Jahre einem Rufe Bonapartes nach Paris, entwarf das Modell zu einer kolossalen Statue desselben als Heros u. modellirte seine Büste. 1815 kam er zum 2. Male als päpstlicher Gesandter nach Paris, um die reclamirten Kunstschätze abzuholen. Bei der Rückkehr nach Rom wurde er vom Papst, dem er eine Colossalstatue der Religion zur Aufstellung in einer der größten Kirche Roms zu schenken beabsichtigte, aber durch den Einspruch der Cardinäle daran gehindert wurde, zum Präfecten der schönen Künste u. zum Marquis von Ischia mit einem Jahrgehalt von 3000 Scudi ernannt, u. 1816 sein Name ins Goldene Buch des Capitols eingetragen. Gekränkt durch das Verfahren der Cardinäle verließ er Rom u. zog sich nach Passagno zurück. C. war von äußerst humaner Gesinnung u. verwandte große Summen, um vielen armen Familien Unterhalt u. jungen Künstlern Unterstützung zu verschaffen. In seinem Geburtsorte erbaute er eine Kirche in antikem Styl, wo er die Statue der Religion u. eine Pieta aufstellen wollte. Er lebte in den letzten Zeiten mit seinem Bruder, dem Abbe C., einem Hellenisten, zu Venedig u. st. dort am 13. Oct. 1822. In der Kirche dei Frati wurde ihm ein großes Denkmal gesetzt. In der Akademie wird in einer Urne seine rechte Hand aufbewahrt. C. hat sich auch als Maler versucht u. legte fast einen größeren Werth auf diese Versuche (eine schlafende Venus, ein schlafender Adonis, eine Kreuzabnahme u. verschiedene Bildnisse) als auf seine Bildwerke. Er hat das Verdienst, die Kunst wieder gehoben u. nach einem positiven Ziele, vornehmlich der Anmuth u. Schönheit, nach dem Muster der Antike geleitet zu haben. Freilich verfiel C. dabei öfter ins Weichliche, Schwächliche u. Gezierte. Wo er irgend kann, vermeidet C. feste u. scharfe Formen, so daß seine glatten Gestalten in der Regel knochenlos erscheinen; deshalb gab er ihnen öfter Politur od. auch einen gelblichen Firniß. Am wenigsten glücklich ist er in seinen Reliefs. Er modellirte größtentheils seine Kunstwerke nur, überließ dann ihre Ausführung geschickten Arbeitern u. legte blos die letzte Hand zur Vollendung derselben an. Werke: Amor, Psyche u. Hebe, in Petersburg; 2 Athleten u. Perseus mit dem Medusenhaupt, im Vatican; Herkules den Lykos an einen Felsen schleudernd, bei Torlonia in Rom; Theseus in carrarischem Marmor (1805–19) im Volksgarten zu Wien; Napoleon, mit Scepter u. Reichsapfel u. einen Genius mit Krone u. Palme, in dem Besitze des Herzogs Wellington in London, das Mausoleum der Erzherzogin Marie Christine in Wien; Venus victrix, bei Lord Cowdon in London, u. Venus aus dem Bade, in der Glyptothek in München; die 3 Grazien u. die büßende Magdalene in der Gallerie Leuchtenberg in München; Denkmal Alfieris in S. Croce zu Florenz; Denkmal (des Prätendenten) Jakob III. v. England[640] in der Peterskirche u. Clemens XIV. in der Apostelkirche zu Rom etc. Vgl. A. Paravia, Notizie intorno alla vita di Antonio C., Rom 1823; außerdem Lebensbeschreibungen von Cicognara, 1823; Missirini, 1824, 4 Bde.; Rosini, 1825; Beschreibung seiner Werke von Albrizzi, Pisa 1825, 5 Bde; Quatermère de Quinci, Par. 1834; seine Werke in Umrissen von Moses, Lond. 1828, 3 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 640-641.
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