Costüm

[479] Costüm (fr. Costume, vom ital. Costume, Gewohnheit, Gebrauch), Alles, was zu der einem Volke einer Zeit, einem Stande eigenthümlichen [479] Tracht gehört (daher sich costümiren, sich in eine bestimmte Tracht kleiden). Für die historische Darstellung ist das Studium des C-s (die Costümkunde) von großer Wichtigkeit, da sich in der Decoration des menschlichen Körpers nicht minder die Geistesrichtung einer Zeit ausprägt, wie in den Denkmälern der bildenden Kunst. Erst die neuere Zeit erkannte den Grundsatz an, daß neben der Naturwahrheit auch die historische Treue von den Gegenständen der Kunst gefordert werden müsse. Die Dichtkunst kommt nur da, wo sie die Sitten eines Volkes u. einer Zeit auch in der äußeren Erscheinung charakterisirt, also im Epos u. im Roman, in den Fall, auch des C-s zu erwähnen. Wichtiger ist die Darstellung des C-s in der bildenden Kunst, weil diese unmittelbar durch die sichtbare Erscheinung wirkt. Die Rücksicht auf das C. mußte sich hier um so mehr geltend machen, je mehr profane, dem realen Leben entnommene Elemente neben den mythologischen od. christlich-religiösen Gestalten Gegenstand künstlerischer Darstellung wurden. Für jene idealen Figuren bestand in der ersten Zeit der Regeneration der bildenden Künste in Italien ein bestimmter traditioneller Typus des C-s, später wendete man die jeweilige Kleidertracht auch auf die Götter u. Heroen, auf die biblischen Personen, die Apostel u. Heiligen an. Diese Außerachtlassung der historischen Rücksicht dauerte bis zum Wiederaufblühen der Künste gegen Ende des 18. Jahrh., u. noch die Maler des Zeitalters Louis XV. kleideten griechische Gottheiten u. arkadische Schäfer nach der Mode ihrer Zeit. David war einer der Ersten, welcher auf die Gewandung größeren Fleiß verwandte u. eine bessere Geschmacksrichtung herbeiführte. Anders als mit der Malerei verhielt es sich mit der Plastik; hier wurde das Zeitcostüm selbst bei monumentalen Bildwerken, bei Portraitstatuen u. dergl., wo das C. der Zeit zum Verständniß des Kunstwerkes wesentlich beiträgt, entschieden verworfen u. die Gestalten mit einer faltigen, halb antiken, halb idealen Gewandung behangen. Die realistische Richtung brach sich erst allmälig Bahn; ihr Vorkämpfer war Schadow in Berlin, dann Thorwaldsen, später Rauch u. Rietschel u. in Frankreich David d'Angers; doch hat die neueste Zeit noch Anhänger des idealen C-s aufzuweisen. Die Schauspielerkunst schloß sich in ihrer Entwickelung in Bezug auf das C. ganz der Malerei an, u. noch um die Mitte des 18. Jahrh. sah man griechische Helden, römische Feldherren etc. in Allongenperrücken, kurzen Beinkleidern u. Schnallenschuhen auf der Bühne erscheinen, während Fürstinnen der alten Welt in Reifröcken u. Glaceehandschuhen auftraten. Talma war einer der Ersten, welcher nach der Revolution die historische Treue des C-s als Princip für die Bühne aufstellte. Früher schon wirkte Koch in dieser Beziehung reformirend, indem er zuerst 1775 in Berlin den Götz von Berlichingen im historischen C. gab. Seinem Beispiel folgten Schröder u. Iffland, u. vor Allem war Graf von Brühl, während er das Hoftheater in Berlin von 1815–30 verwaltete, bemüht, im C. der historischen Treue Rechnung zu tragen. Viel hat man darüber gestritten, ob jene Schöpfungen der dramatischen Poesie, deren Inhalt kein eigentlich historischer ist, sondern auf der Phantasie des Dichters beruht, in einem modernen C. od. in dem C. der Zeit zu geben seien, welcher der Dichter angehört. Die meisten Gründe hat wohl die letztere Ansicht für sich. Das Interesse an der Geschichte des C-s ist durch die Bedeutung, welche dieselbe für die moderne Kunst erhalten hat, mächtig angeregt worden, u. wir besitzen bereits mehrere vortreffliche Werke über diesen Gegenstand der historischen Forschung, u.a.: Hefner, Trachten des christlichen Mittelalters, Frkf. 1847 ff.; Weiß, Costümkunde, Stuttg. 1856 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 479-480.
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