Katalōg

[369] Katalōg (v. gr. Katalŏgos), 1) ein Verzeichniß überhaupt; 2) im engeren Sinne ein Verzeichniß von Büchern, Münzen, Autographen, Kunstgegenständen, Alterthümern, Naturalien, überhaupt von den Gegenständen, welche in wissenschaftlichen od. Kunstsammlungen vorhanden sind. Wenn von K-en ohne weiteren Zusatz die Rede ist, so versteht man darunter 3) im engsten Sinne nur ein Verzeichniß der Bücher, welche in einer Bibliothek vorhanden sind. Wenn es schon aus verschiedenen Gründen räthlich erscheint, über jede kleinere, nur für den Privatgebrauch eines Einzelnen bestimmte Bibliothek einen K. zu besitzen, so wird dies zur Nothwendigkeit für alle, größeren Sammlungen, zumal wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Für eine gut eingerichtete u. gut verwaltete Bibliothek sind drei Hauptkataloge unerläßlich: a) der Accressionskatalog, der die neu hinzukommenden Bücher verzeichnet; b) der Realkatalog, welcher die vorhandenen Bücher wissenschaftlich anordnet, u. c) der Alphabetische K., welcher dieselben in alphabetischer Folge nach den Namen ihrer Verfasser od., wenn ein solcher nicht genannt ist, nach den Stichwörtern der Titel verzeichnet. Als Vorarbeit für letztere beide K-e ist bei größeren Büchersammlungen ein sogenannter Zettelkatalog erforderlich, welcher aus einzelnen, gleich großen Zetteln mit dem Titel je eines Buches besteht, die dann nach Bedürfniß theils systematisch, theils alphabetisch geordnet werden können. Mehrere größere Bibliotheken führen auch einen Standortskatalog, welcher die Bücher genau so verzeichnet, wie sie nach den verschiedenen Formaten gesondert u. numerirt wirklich aufgestellt sind. Auf einigen Bibliotheken (wie z.B. bisher in Berlin) hat man den Standortskatalog mit dem Realkatalog zu vereinigen gesucht. Die Lehre von der Anlage, Einrichtung u. Führung der K-e bildet wegen ihrer Wichtigkeit einen besonderen Theil der Bibliothekwissenschaft (s.d.). Die gedruckten K-e von öffentlichen, wie namentlich von Privatbibliotheken, bilden einen wichtigen Zweig der Bibliographischen Literatur. Sie haben vorzugsweise entweder ein literarisches od. ein bibliothekarisches Interesse. Das erstere ist u.a. der Fall, wenn die verzeichneten Bibliotheken sich durch große Anzahl von Werken auszeichneten, wie bei der von Thott (Kopenh. 1789–95, 12 Bde.), des Herzogs von Vallière (Par. 1783–88, 9 Bde.), des Bischofs Heber (Lond. 1834–36, 9 Bde.), des Belgiers Hulthem (Gent 1836–37, 6 Bde.); od. einen großen Reichthum an kostbaren u. seltenen Werken besitzen, wie die von Harley (verzeichnet von Maittaire, Lond. 1743–45, 5 Bde.) u. Libri (ebd. 1858); od. ausgezeichnet sind durch bibliographische Seltenheiten, wie die des Grafen Roxburgh (ebd. 1812); od. wegen alter Drucke, wie die des Lord Spencer (verzeichnet von Dibdin in der Bibliotheca Spenceriana, ebd. 1814–15, 4 Bde.), die Magliabecchische in Florenz (verzeichnet von Fossi, Flor. 1793, 3 Bde.), die königliche Bibliothek im Haag (Incunabelnverzeichniß von Holtrop, Haag 1856); od. wegen ausgezeichnet schöner Exemplare, z.B. durch Pergamentdrucke, wie die Büchersammlung des Mac Carthy (Par. 1815, 2 Bde.); od. durch einzelne mit Vorliebe gepflegte u. deßhalb mit einer gewissen Vollständigkeit besetzte Fächer. Um von letzter Klasse nur einige Beispiele anzuführen, so sind von Wichtigkeit für die Klassische Literatur der K. der Bibliothek des Grafen Rewiczki (Berl. 1794), des englischen Philologen Parr (Lond. 1827), des Humanisten G. Hermann (Lpz. 1850), für die Italienische Literatur die K-e von Capponi (Rom 1747), Floucel (Par. 1724, 2 Bde.), Gingneni (ebd. 1817) u. Libri (ebd. 1847), für die Geschichte u. Literatur der Ungarn der des Grafen Széchényi (Ödenb. 1799), für Niederländische Literatur u. Geschichte der der Geselschap voor nederlandsche letterkunde in Leyden (Leyd. 1847–49, 3 Bde.), für Flugschriften zur Niederländischen Geschichte Fr. Mullers Bibliotheek van Pamfletten etc. (Amsterd. 1856, Bd. 1), für deutsche Sprachkunde die K-e von Adelung (Dresd. 1807), Hoffmann von Fallersleben (Lpz. 1847), Lachmann, Heyse u. And.; für Orientalische Literatur die K-e der Bibliotheken von Langlès (Par. 1825), Silv. de Sacy (ebd. 1842–45, 3 Bde.), von Hammer (Wien 1856) u. Sprenger (Gieß. 1857), für die Flugschriften für Geschichte der Französischen Revolution der von Pikerécourt (Par. 1838), für die Französische dramatische Literatur der von Soleinne (Bibliothèque dramatique, Par. 1843 f.), für die Geschichte u. Geographie Amerikas die Bibliotheca Americana von durch (Lond. 1846, 2 Bde.), für Spanische u. Portugiesische Literatur der K. des Buchhändlers V. Salva (ebd. 1826–29, 2 Bde.), für die Goetheliteratur das Verzeichniß der Sammlung von Hirzel in Leipzig (Lpz. 1848), für die Schillerliteratur das von Hartung ebendaselbst (Lpz. 1851).

Einen höheren Werth erhalten die K-e durch zweckmäßige Einrichtung; wenn sie nicht blos in den materiellen Angaben möglichste Vollständigkeit u. Genauigkeit anstreben, sondern sich auch durch eine lichtvolle u. leicht zu übersehende, dabei aber doch wissenschaftlich begründete Anordnung auszeichnen, so gewinnen sie auch ein bibliothekarisches Interesse. Die Bahn brachen in dieser Beziehung die Franzosen (deren K-e noch gegenwärtig zu den besten gehören), namentlich Gabr. Naudé durch seinen Catal. bibliothecae Cordesianae (Par. 1643) Durch bibliographische Genauigkeit, wie geschickte Anordnung, Zeichneten sich im 18. Jahrh.[369] die K-e des Buchhändlers Gabr. Martin aus; auf dem von ihm gelegten Grunde arbeiteten Debure im K-e der Bibliothek Gaigniats (1769) u. derselbe nebst Nyon bei der Katalogisirung der erwähnten Bibliothek La Vallières. Trefflich ist Morelli's K. der Pinelli'schen Bibliothek (Vened. 1787, 6 Bde.). Auf einen wahrhaft wissenschaftlichen Standpunkt erhoben sich zuerst Joh. Mich. Francke in dem Catalogus bibliothecae Bünavianae (Lpz. 1750–56, 7 Bde.) u. Audiffredi im alphabetischen K, der Casanati'schen Bibliothek (Rom 1761–68,4 Bde.), Unter den beurtheilenden K-en (Catalogues raisonnés) sind die von Crevenna (Amst. 1776, 6 Bde.), Serna Santander (Brüss. 1803, 5 Bde.), Dibdins erwähnte Bibliotheca Spenceriana, Denis Merkwürdigkeiten der Garelli'schen Bibliothek (Wien 1780) u. Renouards Catalogue d'une bibliothèque d'un amateur (Par. 1819, 4 Bde.) hervorzuheben. Die meisten K-e von Privatbibliotheken sind nicht wegen bibliothekarischen Zweckes, sondern blos zum Behufe des Verkaufs der Bücher (Auctionskataloge) verfertigt worden, weshalb sich ihre Verfasser auch bei der Einrichtung derselben mehr od. minder dieser Rücksicht unterordnen mußten; doch zeichnen sich die französischen Auctionskataloge selbst unbedeutender Bibliotheken durch geschickte Anordnung, hinlängliche Genauigkeit u. große Sauberkeit vortheilhaft aus. Dies gilt namentlich von den Auctionskatalogen des Hauses Silvestre (jetzt P, Jannet). Auch die K-e mehrer größeren Antiquargeschäfte, bes. Frankreichs, Belgiens u. der Niederlande, wie z.B. die von Weigel, Köhler u. F. A. Blockhaus in Leipzig, von Butsch in Augsburg, Müller in Amsterdam etc. werden von dem Bibliographen geschätzt. Neben diesen Antiquarischen K-en beginnen jetzt auch die Verlagskataloge (s. d.) eine bessere Form anzunehmen.

Die K-e der größeren öffentlichen Bibliotheken sind mit wenigen Ausnahmen nur handschriftlich vorhanden. Im vorigen Jahrhundert wurden zwar einige derselben, wie der der Bodleyanischen Bibliothek zu Oxford (Oxford 1738, 2 Bde) u. der Pariser Bibliothek (Par. 1739, 6 Bde.), gedruckt, doch sind sie in bibliothekarischer Hinsicht ungenügend. In neuester Zeit ist man namentlich in Frankreich, Belgien, den Niederlanden u. in den Vereinigten Staaten bemüht gewesen, die Bibliotheken durch den Druck der K-e allgemeiner zugänglich u. benutzbar zu machen. In Frankreich hat selbst die Regierung deshalb Verordnungen erlassen. So ist auf kaiserlichen Befehl selbst das riesenhafte Werk eines K-s der Parier Bibliothek (Section der französischen Geschichte, Par. 1858–59, Bd. 1–4; Section der Medicin, 1859, Bd. 1) im Druck begonnen worden; die K-e vieler Bibliotheken der größeren Provinzialstädte liegen bereits vollendet vor. In Deutschland haben sich die größeren Bibliotheken bisher fast nur mit der Herausgabe von Handschriftverzeichnissen, Zuwachs- u. Doublettenkatalogen begnügt. Doch besitzt man von einigen kleineren Sammlungen zum Theil treffliche Verzeichnisse, wie z.B. das Hoffmanns über die Hamburger Commerzbibliothek (Hamb. 1839 f.). In den Vereinigten Staaten haben fast alle größeren od kleineren Büchersammlungen ihre gedruckten K-e, von denen mehre ganz vorzüglich angelegt sind. Namentlich ist dort C. C. Jewett bestrebt gewesen, eine gewisse Einheitlichkeit in der Construction der Bibliothekskataloge herbeizuführen; er hat ein eigenthümliches Verfahren angegeben, welches es möglich macht, K-e zu stereotypiren, indem nicht die ganzen Columnen, sondern nur die einzelnen Buchtitel auf einzelne Täfelchen stereotypirt werden, u. so jederzeit der Platz derselben verändert werden kann. Vgl. Jewett, Smithsonian Report. On the Construction of Chatalogues of Libraries, Washingt. 1853.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 369-370.
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