[95] Nordlicht (Nordschein, Aurora borealis, Nordblüse), leuchtendes, kreisförmiges, in der Gegend der (magnetischen) Erdpole sich bildendes Meteor, welches mit den elektro-magnetischen Verhältnissen der Erde in Beziehung zu stehen scheint. Der Verlauf des N-es, wie es z.B. im hohen Norden zu Bossekop (70° nördl. Br.) von Lottin beobachtet u. beschrieben worden ist (derselbe sah dort in 206 Tagen 143 N-er), ist etwa folgender: In der Dämmerungszeit färbt sich der obere Theil des nach Norden hin beständig herrschenden leichten Nebels in einer Höhe von 4 bis 6°; es bildet sich ein blaßgelber, bogenförmiger, ein dunkleres Segment begrenzender Streifen; derselbe steigt allmälig höher, während sein höchster Punkt immer ungefähr nach der Richtung des magnetischen Meridians (5 bis 18° westlich davon abweichend) bleibt. Bald erscheinen schwärzliche Streifen, u. es bilden sich in Folge dessen aus dem Lichtbogen Strahlen, welche sich verlängern u. verkürzen (die Strahlen schießen) u. in der Gegend des vorigen Bogens am glänzendsten sind. Oft durchläuft mehrmals ein Wechsel des Glanzes die ganze Reihe von Strahlen, u. bei dieser undulatorischen Bewegung verläßt bisweilen einer der Füße des Lichtbogens od. beide den Horizont. Die Strahlen färben sich, die untersten Theile derselben hell blutroth, die mittleren smaragdgrün, die obersten bleiben gelb. Es bilden sich mehre concentrische Bogen, oft dicht hinter einander, bis zur Zahl 9. Verlängern sich die Strahlen hinreichend über das Himmelsgewölbe, so treffen sie ungefähr in einem Punkt, welcher der Richtung des Süden des der Inclinationsnadel entspricht, zusammen u. bilden hier die sogen. Krone des N-es (Corona borealis). Diese ist ohne Zweifel nur eine perspectivische Erscheinung; sie dauert nur wenige Minuten, u. mit ihr nimmt die Erscheinung ein Ende; die Strahlen werden kürzer, glanzloser, sie erscheinen nur noch südlich vom Zenith u. verschwinden, ehe sie hier den Horizont erreicht haben. Dies ist die vollständige Erscheinung eines N-es, welche oft mehre Stunden währt u. mit der Helligkeit des Vollmondes die Erde erleuchtet. Oft kommt die Krone nicht zu Stande, oft bleiben die Bogen unvollständig. Die Ausdehnung der N-er ist in Beziehung des Raums, innerhalb dessen einzelne N-er sichtbar werden, oft sehr ansehnlich, manche sind selbst in Italien u. Portugal gesehen worden. Das N. am 5. Jan. 1759 war in Pennsylvanien u. Frankreich, das am 17. Septbr. 1770 in Frankreich u. China, das am 7. Jan. 1831 im ganzen nördlichen u. mittleren Europa u. in Nordamerika sichtbar. Merkwürdig ist aber, daß mit den nördlichen Polarlichtern gleichzeitig in den südlichen Erdgegenden ähnliche Erscheinungen (Südlichter) wahrgenommen werden. Wenigstens wurden stets an den Tagen, wo Cook u. Forster (im Jahre 1773 u. später) in der Nähe des Südpols Polarlichter gesehen hatten, in der nördlichen Halbkugel entweder wirkliche N-er od. doch eine bedeutende Unruhe der Magnetnadel beobachtet. Die N-er zeigen sich sowohl am Morgen, als am Abend, u. sind überhaupt an keine bestimmte Stunde gehunden. Außerdem sind aber gewisse Monate, bes. der März u. October, reich an N-ern, sowie endlich auch manche Reihen von Jahren mehr N-er aufzuweisen haben, als andere. Eine an N-ern reiche Periode war von 17071790, die etwa um 1752 ihren Höhepunkt erreicht hatte. Dann folgte eine Periode von etwa 20 Jahren, welche an N-ern arm war, seit dem Jahre 1820 sind letztere aber wieder zahlreicher beobachtet worden. Die Höhe der N-er ist wegen der beständigen Schwankungen des Lichtes nur aus unvollkommenen Messungen bekannt. Sie differirt zwischen 4 Meilen u. 4000 Fuß; die neuesten Beobachter sind geneigt, das N. nicht an die Grenze der Atmosphäre sondern in die Wolkenregion zu versetzen. Von einem angeblichen Geräusch während des N-es haben Parry, Franklin, Richardson, Thienemann, Gieseke, Lottin u. Bravois, welche an 1000 N-er beobachteten, nie etwas vernommen. Auf die Witterung vermögen höchstens sehr lebhafte, strahlenreiche N-er in so weit einen Einfluß auszuüben, als sie gewöhnlich Vorboten von Stürmen sind, u. überhaupt scheinen die N-er mit einer anomalen Vertheilung der Wärme auf der Erde zusammenzuhängen. Als metereologischer Proceß erscheint das N. insofern, als oft nach seinem Verschwinden ein weißes zartes Gewölk übrig bleibt, welches an den Rändern gefiedert od. in kleine runde Cirrocumuli mit gleichen Abständen getheilt war. Der Zustand der Luftelektricität ist selbst bei Anwendung der empfindlichsten Elektrometer nie verändert gefunden worden. Dagegen steht das N. gewiß mit dem Erdmagnetismus im Zusammenhang. Denn nicht nur liegen die Strahlen des N-s im magnetischen Meridian u. die Krone in der Verlängerung der Neigungsnadel, sondern die Magnetnadel wird auch zur Zeit von N-ern in der Regelunruhig u. aus ihrer normalen De- u. Inclination vertrieben. Die größte Abweichung betrug 4°30'. Nach Wilcke hebt u. senkt sich das nach oben gekehrte Ende der Inclinationsnadel zugleich mit der Nordlichtkrone, u. nach Hansteen nimmt die Intensität des Erdmagnetismus kurz vor Erscheinung des N-s zu, nach Beginn desselben aber mit dessen Ausbildung ab, bis sie nach Ablauf des N-s wieder zur vorigen Norm zurückkehrt. Das N. scheint demnach mit den abnormen Schwankungen des Erdmagnetismus gleichen Ursprungs u. gewissermaßen eine Entladung zu sein, durch welche sich das gestörte Gleichgewicht wieder herstellt, weshalb es Humboldt als ein magnetisches Gewitter bezeichnet. Schon die älteren griechischen u. römischen Schriftsteller (Aristoteles, Plinius, Seneca) erwähnen Lufterscheinungen, welche N-er gewesen zu sein scheinen; doch blieb das Phänomen seinem eigentlichen Verhalten nach unbeachtet. Erst vom Jahr 400 n. Chr. an finden sich in Chroniken Andeutungen von Prodigien, welche offenbar N-er waren. Doch während man Alles, was am Himmel, seiner Ungewöhnlichkeit wegen, die Aufmerksamkeit auf sich zog, niederschrieb, kommt in den Jahren 14651520, dann wieder von 15811600, auch von 162186, wo schon die Astronomen mit der größten Ausmerksamkeit Alles, was am Himmel vorging, beobachteten, durchaus keine Nachricht eines erschienenen N-s vor. Um 1686 zeigten sich einige schwache N-er, nachher aber singen sie erst 1716 wieder an, u. Halley bemerkt, daß das von ihm beobachtete N. das erste[95] gewesen sei, welches er gesehen habe. Seitdem waren sie bis zu Ablauf des 18. Jahrh., so wie seit 1820 eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Halley, Euler, Mairon, Franklin, Hell, Lichtenberg, Dalton, Biot, Hansteen, Kastner u. Kämtz haben bisher am genauesten das N. beobachtet u. darüber geschrieben. Vgl. Hansteen, Untersuchungen über den Erdmagnetismus, Christiania 1819; Ideler, Über den Ursprung der Feuerkugeln u. des N-s, Berl. 1832; Argelander, Aufsatz über das N., in den Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, I. Bd. 1834, S. 257; Boué, Chronolog. Katalog der N-er bis 1856, Wien 1857.