Parthĭa

[715] Parthĭa (Parthyēne), Landstrich in Asien; begrenzt von Hyrkanien, Arien, Karmanien u. Medien; umfaßte den südwestlichen Theil des j. Khorasan, Kohestan u. einen Theil der großen Salzwüste; die Gebirge an den Grenzen waren: in Osten Masdoranos, in Norden Labos od. Labutas, in S. Parachoathras; Flüsse gab es nur wenige u. im nördlichen Theil des Landes, nämlich Zioberis (Stibötes) u. Rhidagos, welche nach ihrer Vereinigung den Choatres bildeten. Das Land war weder groß, noch fruchtbar, es hatte im Norden meist gebirgige u. rauhe Striche, dann öde Sandstrecken u. nur im Süden fruchtbare Thäler; man unterschied folgende fünf Theile: Komisene, in Nordost, mit der Stadt Tagä; das eigentliche Parthyene, in Südwest, mit Hekatompylos, der Haupt- u. Anfangs Residenzstadt der Könige; Choarene, in Westen, mit Apamea Rhagiana, Kalliope u. Issatis, sämmtlich griechische Gründungen; Apauarktikene (Zapaortene), in Südost, mit Darion (Dara), u. Tabiene, von den Sobidä bewohnt. Das nachmalige Gebiet des Parthischen Reiches umfaßte zur Zeit seiner Blüthe die Länder vom Oxos bis an den Emphrat u. vom Kaspischen bis zum Indischen Meere. Die Parther od. Parthyäer, welche von den alten Geographen ein mit den Skythen verwandtes Volk genannt werden, gehörten zu dem Iranischen Stamme; sie waren Nomaden, namentlich durch Pferdezucht u. als gute Reiter ausgezeichnet u. im Kriege gefürchtet, außerdem trieben sie Handel, bes. Transithandel zwischen Indien u. Vorderasien; ihre Häuptlinge hießen Könige; das Volk theilte sich in Adel, welcher die Königsmacht sehr beschränkte u. unter welchen der Vornehmste Surenas hieß, andere Freie u. Eigene, welche letztere indeß mild gehalten u. zum Kriegsdienst gebraucht wurden; ihre Religion war Sabäismus, ihre Priester werden Mager genannt.

Die Parther waren in ihren ursprünglichen Sitzen den Assyrern unterthan u. kamen dann mit diesen unter die Herrschaft der Meder u. später unter die der Perser, unter denen P. aber keine eigene Satrapie bildete, sondern zu Hyrkanien gehörte; nach dem Sturze des Perserreiches huldigten die Parther Alexander dem Großen. Unter den Diadochen hielten sie es erst mit Eumenes, dann mit Antigonos, endlich wurde ihr Land zu Syrien geschlagen u. von syrischen Statthaltern verwaltet. Unter syrischer Herrschaft wurden in P. mehre griechische Colonien gegründet. Als unter Antiochos II. der Statthalter Pherekles od. Agathokles sehr willkürlich u. grausam verfuhr, empörte sich der Unterstatthalter einer Landschaft am Oxos, der Perser Arsakes, u. stiftete 256 v. Chr. ein eigenes Reich (Parthisches Reich) um die Stadt Hekatompylos. Dieses wuchs unter seinen Nachfolgern (Arsakiden) zu beträchtlicher Ausdehnung u. Macht. Er führte Kriege gegen die Nachbarn, um dieselben zu unterwerfen, u. gegen die Griechen, welche den Seleukiden gegen ihn geholfen hatten, u. st. 254. Sein Bruder, Arsakes II. Tiridates, eroberte Hyrkanien, nahm 248 den Titel König an u. besiegte seit 237 im Bunde mit dem König Diotos von Baktrien den Seleukos Kallinikos in drei Kriegen; er st. 210. Arsakes III. Artabanos I., Sohn des Vor., konnte sich, obgleich er ein Heer von 100,000 Soldaten u. 20,000 Reitern hatte, nur mit Mühe gegen Antiochos den Großen vertheidigen u. blos P. nebst Hyrkanien behaupten u. st. um 195; sein Nachfolger Arsakes IV. Phraapates od. Priapatios st. 180; sein Sohn, Arsakes V. Phraates I., besiegte die Marder in Großmedien u. vereinigte deren Gebiet mit seinem Reiche; ihm folgte um 170 sein Bruder Arsakes VI. Mithridates I.; er besiegte 162 die Meder, machte Züge nach Hyrkanien bis Elymais, eroberte 153 Babylonien u. 145 Theile von Arien u. Drangiana, ferner Persien, Mesopotamien u. Medien u. st. 140. Er fand sich bes. von griechischen Sitten angezogen, u. das Land verdankte ihm mehre gute Einrichtungen, welche er dem Auslande entlehnte. Sein Sohn, Arsakes VII. Phraates II., war grausam, u. die von seinem Vater unterworfenen Völker empörten sich gegen ihn, nachdem sie sich mit Antiochos Euergetes von Syrien verbunden hatten, aber Phraates siegte u. das Parthische Reich behauptete sich. Seine skythischen Söldlinge rebellirten nachher, weil sie ihren Lohn nicht erhalten hatten; Phraates zog gegen sie; aber die gefangenen Griechen gingen zu diesen über, u. Phraates selbst wurde 126 getödtet. Arsakes VIII. Artabanos II., Oheim des Vor. u. dritter Sohn des Phraapates, folgte ihm; unter ihm brach ein Bürgerkrieg aus u. einige Provinzen fielen unter Hymeros ab; in Nord u. Ost fielen Skythen ins Land; aber der König bekriegte alle seine Widersacher u. st. um 120. Sein Sohn Arsakes IX. Mithridates II. der Große vollendete die Unterwerfung der rebellischen Provinzen u. die Besiegung der Skythen, bestrafte auch den König Artavasdes von Armenien, welcher einen Theil P-s erwüstet hatte. Sein Minister Orobazes ging in einer Mission zu Sulla nach Mesopotamien; er selbst st. 89 unbeerbt. Gegen Arsakes X. Mnaskires, welcher vielleicht ein Bruder Artabanos' war, erhob sich Sinairokes, vielleicht ein Sohn des Vor., doch mußte er zu den[715] Skythen fliehen; aber nach dem Tode des Mnaskires, 77 v. Chr., kehrte Sinairokes (Sintrikes) mit skythischer Hülfe zurück u. regierte als 11. Arsakide bis 70; ihm folgte sein Sohn Arsakes XII. Phraates III., er behauptete im Krieg zwischen Mithridates u. den Römern eine bewaffnete Neutralität, daß weder Lucullus noch Pompejus ihn anzugreifen wagten. Seine Söhne, Mithridates u. Orodes, ermordeten ihn 60 v. Chr. u. der Erstere folgte als Arsakes XIII. Mithridates III.; während dieser aber auf einem Feldzug gegen Armenien begriffen war, bestieg sein Bruder Orodes I. als 44. Arsakide den Thron. Mithridates floh zu Gabinius, römischem Statthalter in Syrien, u. eroberte mit Hülfe der Araber Seleukia u. Babylon. Aber Orodes nahm Babylon wieder u. ließ seinen Bruder 54 hinrichten; auch das Heer des Crassus, welches bis zum Euphrat vorgedrungen war, ward in der Schlacht bei Ichnä u. Karrhä aufgerieben u. Crassus blieb selbst bei Sinnaka. Der Name der Parther war den Römern von jetzt an furchtbar. Weil der Sohn des Crassus für Cäsar war, so wählte Orodes im Bürgerkriege die Partei des Pompejus u. unterstützte auch nach Cäsars Tode dessen Mörder gegen Antonius u. Octavian. Geführt von Labienus verheerten seine Truppen Syrien, Phönicien u. Judäg, bis Ventidius, Feldherr des Antonius, sie 39 völlig schlug, wo Orodes auch seinen tapfern Sohn Pakoros verlor. Den darüber melancholisch gewordenen König tödtete sein Sohn Arsakes XV. Phraates IV. 37 v. Chr. u. folgte ihm; er ließ nun alsbald auch seine 19 Brüder u. seinen ältesten Sohn ermorden u. bewies sich auch sehr grausam gegen den Adel; dadurch machte er sich verhaßt, u. obgleich er (32) den Antonius schlug u. Medien u. Armenien eroberte, wurde er doch im J. 27 von seinen Unterthanen vertrieben, welche den Tiridates wählten. Phraates floh zu den Skythen, kehrte durch deren Unterstützung zurück u. schickte im J. 18 dem Kaiser Augustus, als derselbe nach Asien kam, alle dem Crassus u. Antonius abgenommenen römischen Fahnen u. Gefangene zurück, u. Augustus, welcher dies als Act der Unterwerfung ansah, erkannte ihn als König an u. gab ihm eine Italienerin, Musa od. Thesmusa, in die Ehe, welche den König dahin brachte, daß er seine vier Söhne von anderen Weibern (Orodes, Vonones, Seraspadanes u. Rodaspes) den Römern als Geiseln gab u. den Thron ihrem Sohne Arsakes XVI. Phraatakes bestimmte. Dieser tödtete nun im Jahre Chr. seinen Vater; aber des Incestes mit seiner Mutter beschuldigt, wurde er mit derselben 2 n. Chr. ermordet. Gleiches Schicksal hatte der grausame u. habsüchtige Arsakes XVII. Orodes II., Sohn des Phraates IV., im J. 5, worauf sein Bruder Arsakes XVIII. Vonones I. König wurde. Obgleich ein guter Regent wurde er von Artaban vertrieben u. floh erst nach Armenien, dann nach Syrien u. wurde dort 14 n. Chr. von einem Römer erstochen. Sein Nachfolger Arsakes XIX. Artabanos III. von ütterlicher Seite ein Arsakide, von väterlicher aber skythischen Geschlechtes, hielt es erst mit den Römern u. wurde mit Germanicus, als dieser gegen Armenien zog, befreundet, aber gegen Tiberius trat er feindlich auf; er hatte mit vielen Empörungen zu kämpfen; mit seinem Sohne Orodes aus Armenien getrieben, floh er zu Jazates, König von Adiabene, wurde von diesem wieder in sein Reich zurückgeführt u. 41 n. Chr. ermordet; ihm folgte sein Sohn Arsakes XX. Bardanes, dessen Regierung durch Empörungen u. Kriege sehr beunruhigt war u. welcher 45 starb. Nun wurde Arsakes XXI. Gotarzes, Neffe des Vor. u. Adoptivsohn Artabans III., König; wegen seiner Grausamkeit baten die Parther von den Römern einen andern König aus dem Arsakidischen Geschlecht; diese schickten ihnen 48 od. 49 den Meherdates, einen Sohn des Vonones I.; aber Gotarzes hielt sich gegen ihn u. hatte bei seinem Tode im J. 50 den Arsakes XXII. Vonones II., vorher Statthalter in Medien, zum Nachfolger. Auf diesen folgte 52 Arsakes XXIII. Vologeses I.; er war ein Freund u. Verbündeter der Römer, dennoch rüstete er sich zum Kriege wider sie, da jene seinen Bruder Tiridates aus Armenien vertrieben hatten, aber ein Aufstand der Hyrkaner hinderte ihn am Kriege selbst; er st. um 60. Nachdem erst sein Bruder Arsakes XXIV. Artabanos IV. bis 77 regiert hatte, folgte der Sohn des Vologeses, Arsakes XXV. Pakoros I., er unterstützte den falschen Nero, welcher Zuflucht bei seinem Vorgänger gesucht hatte, gegen den Kaiser aus dem Hause der Flavier bei seiner Thronbewerbung u. befestigte Ktesiphon, die Winterresidenz der Könige. Um 108 folgte ihm sein Bruder Arsakes XXVI. Khosroes; dieser setzte seinen Neffen Parthamasiris an die Stelle des von ihm vertriebenen Königs Exedares auf den Thron von Armenien, eroberte einen Theil von Mesopotamien u. besiegte den König Abdissares von Klein-Armenien. Deshalb wurde Khosroës 112 von den Römern mit Krieg überzogen, Trajan eroberte Ktesiphon u. schickte den goldenen Thron der parthischen Könige nach Rom; er selbst floh, u. die Römer setzten an seine Stelle den Parthamaspates als tributbaren König. Nach Trajans Tode 117 erhielt Khosroës sein Reich wieder u. Hadrian machte den Euphrat zur Grenze des Reichs. Khosroës st. um 120; sein Sohn Arsakes XXVII. Vologeses II. bedrohte die Römer mit Krieg, weil ihr Kaiser Antoninus Pius die Rückgabe des goldenen Thrones, welche Hadrian versprochen hatte, verweigerte. Erst unter Antonius Philosophus u. Verus brach der Krieg aus, in welchem die Römer bald solche Fortschritte machten, daß die Parther den Vologeses absetzten u. an seiner Statt den Monoeses wählten; doch riefen sie später den Vologeses II. auf den Thron zurück, u. er lebte von nun an mit den Römern in Frieden u. st. 148. Sein Sohn Arsakes XXVIII. Vologeses III. führte mit den Römern wegen der Besetzung des armenischen Thrones Krieg, fiel in Syrien ein u. schlug den L. Attilius Cornelianus, erlitt aber nachher Niederlagen in Armenien durch L. Verus u. in Syrien durch Avidius Cassius, Seleukia wurde verbrannt, Ktesiphon genommen u. Medien erobert; von nun bildete der Tigris die Grenze zwischen dem Römischen u. Parthischen Reiche. Vologeses III. st. 191; sein Nachfolger Arsakes XXIX. Vologeses IV. unterstützte den Kaiser Pescennius Niger gegen Septimius Severus, deshalb wurde er von Letzterm angegriffen u. floh nach der Einnahme von Nisibis 198; nachdem die Römer 199 auch Ktesiphon erobert hatten, blieben sie bis 201 im Lande. Im J. 209 folgten auf Vologeses IV. seine beiden Söhne Vologeses V. u. Artabanos V., welche das Reich theilten, wobei Artabanos P. erhielt. Er hielt es mit Caracalla; lieferte 222 n. Chr. dem Macrinus eine[716] zweitägige Schlacht, welche er auf die Nachricht beendigte, daß Caracalla todt sei; setzte seinen Bruder Arsakes zum König über Armenien, wurde von dem Perser Artaxerxes, welcher sich gegen ihn empörte, nochmals geschlagen u. blieb, der Letzte der Arsakiden, 227 n. Chr. in einer Schlacht. P. kam nun an Persien.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 715-717.
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