Rheinbund

[106] Rheinbund, 1) s. Rheinischer Bund. 2) Als Österreich im Kriege von 1805 gegen Frankreich unterlag, strebte Napoleon darnach, die süddeutschen Fürsten, seine Bundesgenossen in jenem Kriege, dauernd von Österreich zu trennen, sie zu einem bes. Staatenbund zu verbinden u. fest an Frankreich anzuschließen. Die Unterhandlungen wurden geheim betrieben u. der Bund am 12. Juli 1806 zu Paris wirklich abgeschlossen. Ohne vorläufige Eröffnung an den Kaiser od. den Reichstag sagten sich Baiern, Württemberg, der Kurerzkanzler, Baden, Kleve u. Berg, Hessen-Darmstadt, Nassau-Usingen u. Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen u. Sigmaringen, Salm-Salm u. Salm-Kyrburg, Isenburg-Birstein, Arenberg, Liechtenstein (ohne daß dessen Fürst etwas davon wußte) u. der Graf von Leyen von dem deutschen Reichsverbande los u. schlossen mit Frankreich den R., dessen Protector Napoleon war. Neue Titel nahmen an: der Kurerzkanzler den als Fürst Primas, Baden, Berg u. Darmstadt den als Großherzöge, Nassau den als Herzog u. Leyen den eines Fürsten; Baiern u. Württemberg hatten schon früher den Königstitel angenommen. Streitigkeiten unter den Bundesgliedern sollten auf einem Bundestag zu Frankfurt entschieden werden, welcher in das königliche u. fürstliche Collegium zerfiel. Ersterem, aus den Königen u. Großherzögen bestehend, präsidirte der[106] Fürst Primas, letzterem, aus den übrigen zusammengesetzt, der Herzog von Nassau. Frankreich behielt sich das Recht vor, den Nachfolger des Fürsten Primas zu ernennen. Tausche, Verträge u. Abtretungen zu Arrondirungen eines jeden Landes sollten Statt finden. Alle früheren Verpflichtungen wurden für erloschen erklärt, nur die der Schuldenzahlung blieb. Jedes Bundesglied hatte in seinem Lande die volle Souveränetät, nämlich Gesetzgebung, höchste Instanz, Oberpolizei, Militär, Conscription u. Besteuerungsrecht. Eine Allianz des Bundes mit Frankreich wurde geschlossen, vermöge welcher zu jedem Continentalkrieg von Frankreich 200,000 u. vom R-e 63,000 Mann (wozu nach der ersten Bestimmung Baiern 30,000, Württemberg 12,000, Baden 8000, Berg 5000, Darmstadt 4000, die kleineren Fürsten 4000 Mann gaben) gestellt werden sollten, welche aber nur auf Einladung des Protectors bewaffnet werden durften. Auch andere deutsche Fürsten waren, in so fern sie es wünschten u. das Interesse der Bundesglieder es erlaubte, zur Theilnahme fähig. Augsburg u. Lindau sollten Waffenplätze werden. Den 1. August erschien die Erklärung des französischen Gesandten Bacher auf dem Reichstage, den 6. Aug. legte Kaiser Franz II. die deutsche Kaiserkrone nieder u. somit war das Deutsche Reich aufgelöst. Schon früher hatten die meisten Fürsten, welche jetzt den R. bildeten, zugegriffen u. alle Fürsten, deren Gebiet von dem ihrigen umschlossen war u. die nicht im R. waren, Reichsstädte, Reichsgrafen u. Reichsritter mediatisirt. So erhielt der Fürst Primas Frankfurt, das Löwenstein-Werthheimische u. die Grafschaft Rheineck; Baiern Augsburg, Nürnberg, die Schwarzenbergischen, Öttingischen, Fuggerschen, Taxischen, Hohenlohischen, Lobkowitzischen u. Esterhazyschen Reichsbesitzungen; Württemberg mediatisirte die Reichsgrafen in Schwaben, einen Theil des Hohenlohischen, Taxischen u. Truchsessischen, Baden die Fürstenbergischen, Leiningischen, Löwensteinischen, Salm-Reifferscheidtschen Besitzungen in seinem Lande; Kleve mehre Grafen, Bentheim u. das Fürstenthum Dillenburg u. Looz; Darmstadt den Landgrafen von Hessen-Homburg, Nassau die Fürsten u. Grafen von Wied etc. Gegenseitige Austauschungen u. Arrondirungen erfolgten mehrfach. Alle europäischen Staaten erkannten den R. an, außer Rußland, Schweden u. England. Am 25. Sept. 1806 trat dem R-e der Kurfürst u. seitdem Großherzog von Würzburg, während des Preußisch-Russischen Kriegs von 1806 u. 1807, zu welchem das Rheinbundcontingent zum ersten Mal gestellt wurde, am 11. Dec. 1806 der Kurfürst, seitdem König von Sachsen, u. 15. Dec. die Herzöge von Sachsen-Weimar, -Gotha, -Koburg, -Meiningen u. Hildburghausen bei u. stellten auch sogleich Contingente zum Kriege. Durch Vertrag vom 18. April 1807 zu Warschau schlossen sich die drei Fürsten, seitdem Herzöge von Anhalt, die zwei Fürsten von Lippe, die drei Fürsten Reuß u. der Fürst von Waldeck dem R. an, ebenso am 15. Nov. 1807 das neuerrichtete Königreich Westfalen u. am 18. Febr. 1808 der Herzog von Mecklenburg-Strelitz, am 22. März 1808 der von Mecklenburg-Schwerin, am 14. Oct. 1808 der Herzog von Oldenburg Der Flächeninhalt der Länder des R-es betrug damals 5977 QM. u. enthielt 144 Million Ew. Das Bundescontingent aber sollte nun 119,180 Mann stark sein, u. Sachsen dazu 20,000, Westfalen 25,000, die sächsischen Herzöge 2800, Würzburg 2000, Schwarzburg 600, Lippe 650, Waldeck 400, Reuß 450, Anhalt 800, Mecklenburg 2300 M. stellen. Nachdem 1809 die Contingente des R-es zum Krieg gegen Österreich verwendet worden waren, schickte Napoleon nach dem Frieden von Schönbrunn einen Theil der Westfalen, die Badner, Würzburger, die herzoglich sächsischen, Reußschen, Waldeckschen, Lippeschen, Schwarzburgschen Truppen nach Spanien. Unerwartet wurden durch kaiserlichen Machtspruch vom 10. Dec. 1810 die Lande der Herzöge von Arenberg u. Oldenburg, sowie ein großer Theil des Königreichs Westfalen vom R-e losgerissen u. unter dem Namen der Elb- u. Wesermündungen mit Frankreich vereinigt, u. nur Westfalen durch einen Theil von Hannover entschädigt. Das Gebiet des R-es betrug nur noch 5384 QM. mit 13,475,820 Ew. Nachdem die Rheinbundestruppen 1811 aus Spanien zurückgerufen worden waren, wurden sie neu organisirt u. mit den übrigen Contingenten 1812 zu dem Kriege mit Rußland verwendet, wo die Baiern u. Westfalen ein eigenes Armeecorps bildeten, die übrigen Contingente aber anderen Corps beigegeben waren. Im Anfange des Feldzugs 1813 blieben fast sämmtliche bei demselben, nur Mecklenburg fiel ab, u. die herzoglich sächsischen u. anhaltischen Truppen gingen zu den Verbündeten über, aber bald darauf stellten diese Häuser, wie alle anderen, das gewöhnliche Contingent wieder für Frankreich. Gleich nach dem Waffenstillstande gingen einzelne Truppentheile verschiedener Rheinbundesfürsten über u. zur Zeit der Schlacht bei Leipzig verließ Baiern offen die französische Sache u. das Königreich Westfalen wurde durch Tschernitscheffs Zug nach Kassel aufgelöst. Der König von Sachsen wurde nach der Niederlage der Franzosen bei Leipzig in Leipzig gefangen, sein Land u. das des Fürsten Primas, so wie Westfalen, von den russisch-preußischen Truppen in Besitz genommen, das Großherzogthum Berg, Salm, Arenberg, Isenburg u. Leyen nicht als selbständig anerkannt, die Kräfte dieser, so wie der übrigen Rheinbundesfürsten aber zur Förderung der Sache der Alliirten verwendet, u. so hatte der R. mit der Schlacht von Leipzig sein Ende erreicht. Vgl. Gagern, Mein Antheil an der Politik, 1. Bd., Stuttg. 1823; Lucchesini, Historische Entwickelung der Ursachen u. Wirkungen des R-es (deutsch von Halem, 3 Bde., Lpz. 1821–25).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 106-107.
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