Hessen-Darmstadt [1]

[310] Hessen-Darmstadt (Großherzogthum), besteht aus zwei großen Gebietstheilen u. mehreren kleinen Enclaven. Von jenen liegt der südliche Theil, welcher die Provinzen Starkenburg u. Rheinhessen umfaßt, an beiden Ufern des Rhein zwischen Frankfurt, der kurhessischen Provinz Hanau, dem baierischen Kreise Unterfranken, dem badischen Unterrheinkreis, dem baierischen Kreise Pfalz, dem preußischen Regierungsbezirk Coblenz u. Nassau; der durch frankfurter Gebiet u. die kurhessische Provinz Hanau von dem südlichen Theile getrennte nördliche Theil, die Provinz Oberhessen, nicht viel kleiner, grenzt an die kurhessischen Provinzen Oberhessen, Fulda u. Hanau, Frankfurt, Nassau u. die preußischen Regierungsbezirke Toblenz u. Arnsberg. Enclaven liegen nördlich, eine (Herrschaft Itter) zwischen waldeckischem u. kurhessischem Gebiet, zwei andere nur von Waldeck umschlossen, südlich eine (Wimpfen), zwischen Württemberg u. Baden am Neckar, zwei andere kleinere in badischem Gebiet, Rödelheim zwischen Nassau, Kurhessen u. Frankfurt, Steinbach zwischen Nassau u. Frankfurt, u. Vilbel zwischen Kurhessen u. Frankfurt. Flächeninhalt: 152,86 QM. Boden: theils eben, wie an dem rechten Rhein- u. linken Mainufer, theils hügelig, wie in Rheinhessen u. der Wetterau, theils gebirgig. Gebirge sind der Odenwald mit dem Malchenberg (Melibocus) u. Felsberg, in dem südöstlichen Theile von Starkenburg; der Vogelsberg mit dessen höchsten Spitzen, Taufstein, Hohenrodskopf etc., in dem östlichen Theile von Oberhessen. Der Hausberg (bei Butzbach) gehört zu dem Taunus. Den nordwestlichsten Theil durchziehen Äste des Westerwaldes u. des Rodhaargebirgs (s.u. Hinterland). Flüsse: der Rhein, in dem südlichen Theile, welcher rechts den Main u. links die Nahe aufnimmt. Dem Main fließt links die Mümling u. die Gersprenz, rechts die Nidda (mit der Horloff, Wetter u. Nidder) zu. Der Neckar berührt den südlichsten Theil des Landes. Außerdem gehört in Oberhessen die Lahn, der die Ohm zufließt, zu dem Flußgebiet des Rhein; aber die Fulda, Schwalm u. Edder zu dem der Weser. Mineralquellen: in Oberhessen viele (bes. bei Großkarben u. in Vilbel), in Rheinhessen eine Schwefelquelle bei Nierstein; benutzte Salzquellen bei Salzhausen, Wimpfen u. Kreuznach (letztere unter preußischer Oberhoheit). Klima: verschieden nach der verschiedenen Höhe des Bodens, am angenehmsten (zum Theil sehr mild) in dem Rhein- u. Mainthal, am rauhesten im Vogelsberg. Producte: Pferde, Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Geflügel, Wildpret, Fische u. Bienen; Getreide (auch Spelz u. Mais), Hirse, Buchweizen, Hülsenfrüchte, Hanf, Flachs, Kartoffeln, Raps, Mohn, Klee, Tabak, Obst, viel Wein, Laub- u. Nadelholz; Eisen, etwas Kupfer, Braunstein, Graphit, Bau- u. Mühlsteine, Töpferthon, Fayenceerde, Salz, Braunkohlen, auch Torf. Gesammtbevölkerung nach der Volkszählung vom December 1858: 845,571 Ew., meist deutschen Stammes, bis auf eine geringe Anzahl Nachkommen von französischen Hugenotten u. Waldensern, u. die Juden. Von ihnen bekennen sich 398,807 zur Lutherischen, 29,200 zur Reformirten, 167,534 zur Unirten Evangelischen, 217,405 zur Römisch-Katholischen Kirche; 3925 Deutschkatholiken, Mennoniten etc., 28,700 Juden. Beschäftigung: in blühendem Zustande sind der Ackerbau, bes. in der Wetterau, am Rhein u. Main, die Waldwirthschaft, bes. in den Gebirgsgegenden (im Ganzen nehmen die Waldungen 1,086,327 Morgen od. 1/3 der Culturfläche ein), der Obstbau, hauptsächlich in der Bergstraße u. Wetterau, der Weinbau, vorzüglich in der Nähe des linken Rheinufers u. in der Bergstraße, die Ölbereitung, Rindvieh- u. Schweinezucht, bes. am Vogelsberg u. Odenwald; Pferdezucht, bes. in Oberhessen u. Starkenburg; Forellen im Odenwald, Karpfen im Rhein. Grubenwerke u. Hämmer für Eisen, bes. in Oberhessen, 2 Kupferhütten, 1 Braunsteinbergwerk, Braunkohlenbergwerke in Oberhessen, Torf im ehemaligen Bett des Neckar. Ungemein reich ist die Saline Ludwigshall (bei Wimpfen); dagegen die Saline Salzhausen, so wie Theodors- u. Karlshall (bei Kreuznach) von geringem Ertrage. Bedeutend ist namentlich in Oberhessen das Weben von Leinwand, so wie die Flanell- u. Tuchweberei, u. die Strumpfstrickerei in dem Hinterland, Gerbereien u. Lederfabriken, Branntweinbrennereien, Papiermühlen, Töpfereien, Zündhölzerfabriken etc.; Holzwaaren werden am hohen Vogelsberg, Strohflechtereien in u. um Gedern gefertigt. Die ausgezeichnetste Fabrikstadt ist Offenbach; auch Mainz, Darmstadt u. Worms haben wichtige Fabriken. Handel, nicht sehr bedeutend, da das Großherzogthum keine eigentliche Handelsstadt besitzt; nur im Getreidehandel ist Mainz ein Hauptstapelplatz. Die Ausfuhr wird von der Einfuhr übertroffen. Gute Landstraßen (darunter die Bergstraße, s.d.), schiffbare Flüsse, bes. Rhein u. Main, u. Eisenbahnen (nämlich Main-Neckarbahn, seit 1846, mit einer Zweigbahn nach Offenbach, Main-Weserbahn, seit 1852, Mainz-Ludwigshafener [Hessische Ludwigsbahn], seit 1853, mit der Rhein-Alzeier Zweigbahn, Bingerbahn, seit 1858, u. Mainz-, Rhein- od. Aschaffenburg-Darmstadt-Mainzerbahn, seit 1859) fördern den Handel, von dem aber, außer Mainz u. Offenbach, mehr auswärtige Städte Vortheil haben. H.-Darmstadt hat sich seit 1828 dem preußischen Zollsystem angeschlossen, u. wurde dadurch eine Hauptveranlassung zu dem allgemeinen deutschen Zollverein, zu welchem es jetzt gehört.

Staatsverfassung. Das durch Patent vom 13. Aug. 1806 gebildete souveraine Großherzogthum H., dessen jetziger Länderbestand auf den Wiener u. Pariser Staatsverträgen von 1815, dem Frankfurter Hauptreceß der Territorialcommission vom 20. Juni 1819 u. Verträgen mit Kurhessen vom 29. Juni 1816, mit Österreich u. Preußen vom 30. Juni 1816 u. mit Baiern vom 29. Jan. 1817 beruht, bildet durch Verfassungsurkunde vom 17. Dec. 1820, als ein zu einer u. derselben Verfassung verbundenes Ganzes, eine untheilbare constitutionelle Monarchie des Deutschen Bundes, deren Gebiet aus Domanial- u. Souveränetätslanden besteht, eine Unterscheidung, welche seit 1848 ihre praktische Bedeutung verloren hat. Ihr souveränes, alle Rechte der Staatsgewalt nach der Bestimmung[310] der Verfassung ausübendes Oberhaupt führt seit Bekanntmachung vom 7. Juli 1816 den Titel Großherzog von H. u. bei Rhein, mit dem Prädicate Königliche Hoheit u. den königlichen Ehrenrechten, versichert beim Regierungsantritt urkundlich Festhaltung der Verfassung, ist Oberhaupt des großherzoglichen Hauses u. der evangelischen Kirche u. bezieht eine Civilliste dermalen von 631,000 Gulden. Die Thronfolge ist erblich nach dem Rechte der Erstgeburt u. der Linealfolge; über die Erbveränderungen s.u. Kurhessen. Der Erbgroßherzog u. die nachgeborenen Prinzen, welchen 1844 das Prädicat Großherzogliche Hoheit beigelegt wurde, eine Apanage (die Apanagen u. Deputate betragen gegenwärtig 120,800 Fl.), die Prinzessinnen eine Aussteuer von gewöhnlich 20,000 Fl. In der Deutschen Bundesversammlung nimmt das Großherzogthum die 9. Stelle ein u. hat im Plenum 3 Stimmen. Die ständische Landesvertretung besteht in 2 Kammern; nach dem Gesetz vom 6. Sept. 1856 wird die erste Kammer aus den Prinzen des Hauses, den standesherrlichen Familienhäuptern, dem Senior der Freiherren von Riedesel, dem katholischen Landesbischof, einem auf Lebenszeit zum Prälaten ernannten protestantischen Geistlichen, dem Universitätskanzler u. höchstens 10 vom Großherzog auf Lebenszeit dazu ernannten Staatsbürgern; die zweite Kammer aus 6 Abgeordneten des Adels, 10 der Städte u. 34 der Wahlbezirke nach den Wahlbestimmungen desselben Gesetzes gebildet. Die Abgeordneten werden mittelbar durch, von Urwählern gewählte Wahlmänner gewählt. Urwähler ist jeder 25 Jahre alte Staatsbürger, welcher Personensteuer zahlt. Der Wahlmann muß ein Steuercapital von mindestens 118 Fl. haben. Die gebornen Mitglieder der ersten Kammer treten nicht vor dem 25. Lebensjahre ein, die gewählten Abgeordneten müssen 30 Jahre alt sein. Um zum Abgeordneten der Städte od. Wahlbezirke gewählt werden zu können, muß man entweder ein Normalsteuercapital von 550 Fl. od. 1000 Fl. feste Besoldung vom Staate, od. nachweislich ein Einkommen von mindestens 1000 Fl. aus großherzoglichen Staatspapieren haben. Mitglieder der Ministerien können nicht gewählt werden, ebenso Localbeamte nicht in ihren Amtsbezirken. Active Civil- u. Militärbeamte, Offiziere u. Geistliche bedürfen zum Eintritt in die Ständeversammlung des Urlaubs der Staatsregierung. Die wenigstens alle 3 Jahre berufene Ständeversammlung verhandelt öffentlich in getrennten Sitzungen, nur ausnahmsweise vereinigt, nach Geschäftsordnung vom 8. Sept. 1856, wirkt mit bei der Gesetzgebung u. hat das Steuerbewilligungsrecht, das Recht der Petition, Beschwerdeführung u. Ministeranklage; vgl.: Weiß, System des öffentlichen Rechts des Großherzogthums H., 1. Bd., Darmst. 1837; von Hofmann, Beiträge zur Kenntniß der Gesetzgebung u. Verwaltung des Großherzogthums H., Gießen 1832; Beck, Das hessische Staatsrecht, 2 Bde., Darmst. 1831 f.; Die Verfassungsurkunde u. andere damit in Verbindung stehende organische Gesetze u. Verordnungen des Großherzogthums H., Darmst. 1857. Den Staatsangehörigen ist allgemeine Freiheit des Glaubens, der Person, des Eigenthums u. der Auswanderung, Gleichheit vor dem Gesetze u. bei Ämterbesetzung zugesichert; die Abtretung des Privateigenthums für öffentliche Zwecke ordnet ein Gesetz vom 27. Mai, die Auswanderung eins vom 30. Mai 1821, die Militärrecrutirung das Gesetz vom 20. Juli 1830 an; die standesherrlichen Rechtsverhältnisse sind durch Edict vom 17. Febr 1820 geordnet u. die durch Gesetz vom 7. Aug. 1848 geschmälerten Gerechtsame der Standesherren durch Gesetz vom 18. Juli 1858 größtentheils wieder hergestellt; die öffentlichen Dienstverhältnisse der Staatsdiener sind durch Edict vom 12. April 1820 u. Gesetze vom 9. März 1824 u. vom 8. Jan. 1858 geordnet. Die Einwohner einer Gemarkung vereinigen sich in, durch einen Ortsvorstand selbständig verwalteten Gemeinden, deren 1114 unter 732 Bürgermeistereien bestehen; Gemeindeordnung vom 30. Juni 1821; Verordnung über Ausübung des Bürgerrechts vom 18. März 1820.

Staatsverwaltung. Oberste Behörde ist das Gesammtministerium, welches nach Organisation vom 28. Mai 1821 unter einem dirigirenden Minister die 4 Civilministerien der auswärtigen Angelegenheiten u. des großherzoglichen Hauses. des Innern, der Finanzen u. der Justiz, u. das unmittelbar von dem Großherzog durch einen Präsidenten verwaltete Kriegsministerium vereinigt, deren Vorstände nach Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister u. obersten Staatsbeamten vom 5. Juli 1821 u. 8. Jan. 1824 wegen Gesetzwidrigkeit aus eigner Bewegung des Großherzogs od. auf Anklage beider Kammern von dem Oberappellations- u. Cassationsgericht als Staatsgerichtshof gerichtet werden sollen; daneben besteht ein Staatsrath als berathende u. in Verwaltungsstreitigkeiten entscheidende Behörde. Landescollegien sind: der Administrativjustizhof, die Obersteuerdirection, Oberzolldirection, Oberforst- u. Domänendirection, Oberbaudirection, Oberrechnungskammer, Hauptstaatskasse, Staatsschuldentilgungskasse, Obermedicinaldirection, Oberstudiendirection u. das evangelische Oberconsistorium, sämmtlich in Darmstadt; die katholischen Kirchenangelegenheiten besorgt das Landesbisthum in Mainz. Eintheilung in drei Provinzen: Starkenburg, Oberhessen u. Rheinhessen, jede derselben seit 12. Mai 1852 in Kreise (im Ganzen 26) getheilt, deren gesammte Verwaltung u. Polizei durch Kreisräthe ausgeübt wird. Die Handelskammern in Mainz, Offenbach u. Worms berichten an das Ministerium des Innern; die indirecte Steuererhebung ist die des Deutschen Zollvereins, welchem das Großherzogthum seit 1828 angehört; außerdem bestehen Rentämter u. Districtseinnehmereien; Einnahme u. Ausgabe jede etwa 7 Mill. Gulden (4 Mill. Thlr.). Die eigentliche Staatsschuld betrug zu Ende 18556,117,294 Fl. 423/4 Kreuzer, dazu noch ein Anlehen von 900,000 Fl. vom 1. Jan. 1856 u. ein solches von 3,200,000 Fl. vom 11. Juni 1859. Gerichtsverfassung. Die höchste Instanz bildet für Starkenburg u. Oberhessen das Oberappellationsgericht in Darmstadt, zugleich seit 23. Juni 1832 für Rheinhessen der Cassations- u. Revisionshof; in Starkenburg u. Oberhessen sind die Hofgerichte in Darmstadt u. Gießen Mittel-, die 42 Stadt- u. Landgerichte Unterinstanzen. In Rheinhessen ist das Obergericht in Mainz Appellationsinstanz von den Bezirksgerichten in Mainz u. Alzei u. dem Handelsgericht in Mainz; auch bestehen 12 Friedensgerichte u. das Notariat nach französischem Rechte; vgl. Hesse, Rheinhessen in seiner Entwickelung[311] von 1798–1834, Mainz 1835. Die Gesetzgebung hat Verwaltung u. Justiz scharf getrennt u. strebt nach Verschmelzung des verschiedenen Rechtszustandes der einzelnen Landestheile u. nach umfassenden Gesetzbüchern (von denen eine Civilgesetzgebung, Civil- u. Strafgerichtsordnung noch vorbereitet werden); die Gesetze u. Verordnungen erscheinen seit 1. Juli 1819 im großherzogl. hessischen Regierungsblatt in Darmstadt; die früheren von 1806 an enthält das Archiv der Gesetze u. Verordnungen, Darmst. 1834 f.; Großherzoglich hessische Verordnungen, ebd. 1810, 2 Hefte; Sammlung der publicirten Verordnungen u. Verfügungen, ebd. 1808–19, 11 Hefte; Spamer, Sammlung der bis 1800 erlassenen Verordnungen etc., ebd. 1827; Eigenbrodt, Handbuch der hessischen Verordnungen von 1803 an, ebd. 1818, 4 Bde.; von Zangen u. Hofmann, Alphabetisches Register, ebd. 1824 u. 27,2 Abtheilungen. Für Civilrecht u. Proceß gilt, außer in Rheinhessen, wo französisches Recht in Anwendung geblieben ist, Gemeines Recht, durch Landrechte, z.B. von Katzenelnbogen, Kurmainz, Kurpfalz von 1698, von Solms von 1571, von Erbach von 1520 u. Landesordnung von 1542 od. durch allgemeine Landesgesetze modificirt; im Civilproceß, z.B. durch Proceßordnung von 1724, neue Auflage mit Nachträgen herausgegeben von Bopp, Darmst. 1830 u. 39, 2 Bde.; Die Oberappellationsgerichtsordnung von 1777, Verordnung vom 8. Jan. 1807; vgl. Rühl, Das gemeine Privatrecht mit Hinweisung auf die Privatrechtsquellen im Großherzogthum H., Darmst. 1824; Leitfaden zur Kenntniß der Justizverwaltung, ebd. 1837; Bopp, Materialien des bürgerlichen u. privatrechtlichen Proceßrechtes, ebd. 1840; Derselbe, Hessischer Rechtsfreund, ebd. 1837; Eigenbrodt, Das Verhältniß der Gerichte zur Verwaltung, ebd. 1840; Sternberg, Hessische Rechtsgewohnheiten, Frankf. 1842; Mittheilungen aus den Materialien der Gesetzgebung u. Rechtspflege, Darmst. 1830 bis 1832, 6 Bde.; Zeitschrift für Gesetzgebung u. Rechtspflege von beiden H. u. Frankfurt, ebd. 1832. Quellen des Strafprocesses sind am rechten Rheinufer die peinliche Gerichtsordnung von 1726, in Rheinhessen der französische Code d'instruction criminelle; das Strafrecht ist gemeinsam für das ganze Großherzogthum seit 1. April 1842, geordnet durch das nebst einem Einführungs- u. Competenzgesetz publicirte Strafgesetzbuch für das Großherzogthum H., herausgeg. Darmst. 1841; Promptuarium dazu, Mainz 1842; Breidenbach, Commentar, Darmst. 1843. Bis zur demnächstigen Einführung einer Strafgerichtsordnung ist ein provisorisches Gesetz vom 28. Octbr. 1848 gegeben, welches auch für Starkenburg u. Oberhessen Öffentlichkeit u. Mündlichkeit mit Schwurgerichten in den bedeutenderen Fällen einführt.

Militär. a) Gardeunteroffizierscompagnie, welche als Leibwache des Großherzogs dient, 50 Mann, die Gemeinen mit Unteroffiziers-, die Unteroffiziere (nicht aber die Offiziere) mit höherem Rang, besteht vorzugsweise aus gedienten Unteroffizieren u. Gefreiten. Bewaffnung: Bayonnetgewehr (percussionirt, wie die Gewehre der Feldtruppen) u. Säbel, weißes Lederzeng, eine Patrontasche, wie bei der Infanterie; Uniform: dunkelblauer Waffenrock, ponceauroth aufgeschlagen, mit weißen Schleifen u. Epaulettes, Helm mit schwarzem Haarbusch. b) Feldtruppen, u. zwar: aa) Infanterie: 4 Infanterieregimenter, worunter 1 Leibgarderegiment, jedes Regiment zu 2 Bataillonen, jedes Bataillon zu 4 Linien- u. 1 Schützencompagnie, das Regiment zu 1825 Mann; 2 Regimenter bilden eine Brigade, welche ein Generalmajor befehligt. Bewaffnung: Bayonnetgewehre, Säbel, weißes Lederzeug, 2 Patrontaschen von schwarzem Glanzleder vorn im Säbelkuppel; Uniform: dunkelblauer Waffenrock mit einer Reihe weißer Knöpfe, das Leibgarderegiment ponceauroth, das zweite Regimentweiß, das dritte hellblau, das vierte dunkelgelb aufgeschlagen, gleiche Achselklappen, Vorstoß u. Kragen mit zwei weißen Litzen, dunkelgraue Beinkleider mit ponceaurothem Vorstoß, dunkelgrauer Mantel, Helm mit gelben Beschlägen, Offiziere silberne Epaulettes, Subalternoffiziere zwei Tontreepaulettes, der Hauptmann ein Epaulette mit Bouillons auf der rechten, ein Contreepaulette auf der linken Schulter, die Stabsoffiziere Epaulettes mit Bouillons u. Gradabzeichen durch Sterne, silberne Schärpen mit ponceaurothen Seidestreifen als Dienstzeichen; Gradabzeichen der Unteroffiziere: silberne Borten auf dem Unterarm; bb) Reiterei: ein Garderegiment Chevauxlegers zu 3 Divisionen à 2 Schwadronen, das Regiment mit den Stäben 1340 Mann u. 889 Pferde (darunter 815 Regimentspferde). Bewaffnung: Säbel, Carabiner. u. ein Pistol; Lederzeug schwarz; Uniform: dunkelgrüner Waffenrock mit ponceaurothem Vorstoß u. Kragen, auf beiden Seiten desselben eine Platte von schwarzem Tuch mit einer weißen Litze, eine Reihe weißer Knöpfe, weißmetallene Achselstücke, dunkelgraue Beinkleider mit ponceaurothem Vorstoß, mittelgrauer Mantel, Helm mit schwarzem Haarbusch; Offiziersabzeichen wie das der Infanterie; Kartusche als Dienstzeichen; cc) Artillerie: 1 reitende (4 sechspfündige Kanonen u. 2 siebenpfündige Haubitzen) u. 4 Fußbatterien (davon eine zwölfpfündige Positionsbatterie, eine zwölfpfündige Divisionsbatterie, eine sechspfündige Fußbatterie u. eine Belagerungs- u. Reservebatterie); Kriegsstärke 1088 Mann u. 996 Pferde (88 Offiziers-, 178 Dienstreit- u. 730 Zugpferde); das Laffetensystem ist das englisch-französische. Bewaffnung: leichte Bayonnetgewehre, Säbel, 1 Patrontasche; die reitende Artillerie Schleifsäbel u. Pistole; Lederzeug weiß; Uniform: dunkelblau mit schwarzem Kragen mit weißen Litzen, ponceauroth vorgestoßen, sonst wie die Infanterie; Offiziere sämmtlich beritten, Kartusche als Dienstzeichen; dd) Pionniercompagnie: dem Generalquartiermeisterstab zugetheilt, 103 Mann, zum Theil Pontoniers, zum Theil Mineurs u. Sappeurs, doch sämmtlich in diesen drei Zweigen eingeübt; Bewaffnung wie bei der Fußartillerie, nur Faschinenmesser; Uniform: carmoisinrothe Kragen u. Aufschläge. Sämmtliche Feldtruppen haben außerdem Schirmmützen von der Farbe ihrer Uniform u. die Mannschaft zwillichleinene Arbeitsjacken. Exercierreglement ein eigenes, dem französischen nachgebildet; das neue Militärstrafgesetz vom 25. August 1858. Die Stärke der Feldtruppen, welche die dritte Division des achten Armeecorps bilden, berechnet sich nach den neuesten Bundesbestimmungen auf 10,330 Mann; das einfache Bundescontingent ist 8195 Mann. Die 1813–15 sehr zahlreiche [312] Landwehr ist 1819 aufgelöst worden. Die Generalität besteht, außer einem General der Infanterie u. einem General der Reiterei (Ehrenchargen), aus einem Generallieutenant u. zwei Generalmajors; Uniform: dunkelblau, carmoisinroth ausgeschlagen, mit Silber gestickt, dunkelgraue Beinkleider, Helm mit weißem u. ponceaurothem Haarbusch, silberne Schärpen als Dienstzeichen. General- u. Flügeladjutanten des Großherzogs: ein Generalmajor u. zwei Flügeladjutanten, mit hellblauer Uniform, ponceauroth ausgeschlagen, Helm u. Schärpen wie bei den Generalen. Der Generalstab besteht im Frieden aus 6 Offizieren, ihm ist die Pionniercompagnie zugetheilt; Uniform wie die Infanterie, nur carmoisinrothe Aufschläge, Schärpen. Das Kriegsministerium unter dem Vorsitz eines Präsidenten, welcher den Oberbefehl über das Heer führt, zerfällt in drei Sectionen; Uniform: blau, amaranthroth aufgeschlagen; die Auditeurs haben grüne, die Ärzte krapprothe, die Verpflegungsbeamten orangegelbe Aufschläge. c) Gendarmerie, welche die Landespolizeimannschaft bildet u. in rein militärischer Hinsicht unter dem Kriegsministerium, sonst aber unter dem Ministerium des Innern steht. Sie ist in drei Divisionen nach den drei Provinzen getheilt u. zählt 270 Mann, wovon 74 zu Pferde; die Fußgendarmen sind mit Bayonnetdoppelgewehren u. Infanteriesäbeln bewaffnet, die reitenden mit Säbel u. Pistol bewehrt; Lederzeug schwarz; Uniform: dunkelgrüner Waffenrock, roth ausgeschlagen, mit weißen Knöpfen, Litzen, Epaulettesstegen (mit Kleeblättern) u. Achselschnüren um die linke Schulter, dunkelgraue Beinkleider, Helm. Unter den Fußgendarmen sind 1 Brigadier (Unteroffizier) u. 16 Gendarme für die Polizeidienste der Stadt Darmstadt u. von ihr besoldet. Militäranstalten: Commandantur in Darmstadt; Militärschule in Darmstadt für Offiziere, Cadetten u. fähige Unteroffiziere u. Gemeine, Regimentsschulen bei den Regimentern, Garnisonsschule u. Garnisonsprediger in Darmstadt, Waffendirection unter dem Commandeur der Artillerie, Proviantanstalt in Darmstadt, Militärstrafanstalt in Babenhausen. Ergänzungen der Truppen durch Freiwillige u. allgemeine Kriegspflichtigkeit vom 20.–26. Jahre; das Loos entscheidet, doch macht die Rekrutirungscommission nach eigenem Ermessen Ausnahmen; Dienstzeit 6 Jahre, die zwei letzten Jahre meist Kriegsreserve; während der Dienstzeit im Frieden sind die Soldaten nur etwa 1/4 der Zeit im Dienst, bei der Reiterei etwa die Hälfte, bei der Artillerie etwas mehr als 1/3. Das Avancement erfolgt meist nach der Anciennetät. Festungen keine; Mainz liegt zwar auf Darmstädtischem Gebiet, doch ist es als Festung Bundesfestung. Feldzeichen u. Landesfarben weiß u. roth. Orden u. Ehrenzeichen: Ludwigs- (Verdienst-) Orden, Verdienstorden Philipps des Großmüthigen, Dienstzeichen für 50 u. 25 Jahre, das Felddienstzeichen für Diejenigen, welche Feldzüge im großherzoglich hessischen Dienste mitgemacht haben. Wappen: in blauem Schilde der hessische Löwe aufrecht stehend, rechts gekehrt u. ein Schwert haltend, weiß u. roth gestreift u. mit einer Krone auf dem Haupt; das Schild ist mit einer Königskrone gedeckt u. mit einem Hermelinmantel umhangen.

Münzen: im Großherzogthum H. wird gerechnet nach Gulden zu 60 Kreuzer à 4 Heller, auch wohl nach Thalern zu 90 Kreuzer, früher im 241/2-, jetzt (seit 1857) im 521/2-Guldenfuß. Wirklich geprägte Münzen: a) frühere in Gold: bis 1790 ganze u. halbe Karolin zu 11 u. 51/2 Fl., seit 1826 10- u. 5-Guldenstücke, 21 Karat 7,2 Grän sein, 38,5 = 1 Kölnische Mark sein, 34,65 = 1 rauhe Mark; in Silber: bis 1790 Speciesthaler, halbe, sowie Zwanzig-, Zehn- u. Fünfkreuzerstücke im Conventionsfuß; seit 1826 Kronthaler zu 2 Fl. 42 Kr.; Scheidemünze in Silber: 6, 3 u. 1 Kreuzer; in Kupfer: Heller (1/4 Kreuzer); b) jetzige: seit der Convention vom 25. Aug. 1837: Gulden zu 60 Kreuzer u. halbe Gulden; Scheidemünze: 6- u. 3-Kreuzerstücke; seit 1840: 31/2 -Gulden- od. 2-Thalerstücke, u. seit 1857: 14-Gulden- od. 1-Thalerstücke im 30-Thalerfuß (Vereinsmünze). Maße: durch Gesetz vom 10. Dec. 1817 wurden für das Großherzogthum nur Maße u. Gewichte nach dem französisch-metrischen System verordnet u. vom 1. Juli 1818 an eingeführt. Längenmaße: die Einheit ist der Zoll (= 25 franz. Millimètre) zu 10 Linien, der Fuß hat 10 Zoll u. ist 1/4 franz. Mètre, 100 hessische Fuß = 79,655 preuß. Fuß; die Elle hat 24 Zoll, 100 = 89,963 preuß. Ellen; die Klafter hat 10 Fuß, die Meile 3000 Klaftern od. 11/80 deutsche Meile; Garnmaß: der Haspel hat 3 Ellen Umfang, der Strang 12 Gebund zu 120 Haspelfäden; Feldmaß: der Morgen hat 4 Viertel od. 400 Quadratklaftern = 25 franz. Aren, 100 Morgen = 97,915 preuß. Morgen; die Cubikklafter hat 1000 Cubikfuß zu 1000 Cubikzoll = 155/8 Cubikmètre od. 455,842 (od. etwas genauer 455,8416) Pariser Cubikfuß; Brennholzmaß: der Stecken zu 100 Cubikfuß = 19/16 franz. Staren, ist in Halbe u. Viertel getheilt, die Scheitlänge ist gesetzlich 40 u. 50 Zoll; die Wellen Reißholz sollen 50 Zoll Länge u. 10 Zoll Durchmesser haben; Fruchtmaß: das Malter hat 4 Simmer zu 4 Kumpf zu 4 Gescheid à 4 Mäßchen, 1 Gescheid = 2 Litre, das Mäßchen = 32 Cubikzoll, 100 Malter = 232,892 preuß. Scheffel; der Kasten für Kohlen ist 5 Fuß lang, 4 Fuß breit, 2 Fuß tief, hält also 40 Cubikfuß; die Kalkbülle ist 20 Zoll lang u. breit u. 25 Zoll hoch, hält also 10 Cubikfuß; Flüssigkeitsmaß: die Ohm hat 4 Viertel zu 20 Maß à 4 Schoppen, die Maß genau das Gescheid des Fruchtmaßes od. 2 Litre, 100 Maß = 174,668 preuß. Quart. Gewichte: Handelsgewicht, s.u. Centner, Hessen (Großherzogthum); Gold- u. Silbergewicht: die hessische Mark = 233,855 Grammen, 100 Mark = 100,036 preuß. Mark; Münz- u. Probirgewicht, wie Preußen; Juwelengewicht, ist das englische Juwelenkarat; Medicinalgewicht: das alte Nürnberger. Vgl. G. W. I. Wagner, Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums H., Darmst. 1829–31, 4 Bde.; Ph. A. F. Walther, Das Großherzogthum H., ebd. 1854; Hof- u. Staats-Handbuch des Großherzogthums H., 1858

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 310-313.
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