Windischgrätz [2]

[259] Windischgrätz, ein uraltes deutsches, katholisches, ehemals adeliges, dann gräfliches, jetzt fürstliches Dynastengeschlecht, welches Veriand, Herrn zu Grätz, zweiten Sohn des Markgrafen Ulrich von Kärnten, zu Ende des 12. Jahrhunderts zum Stammvater hatte. Derselbe nannte sich zuerst Graf von W. Es theilte sich nach Konrads Tode durch Ruprecht u. Siegmund in zwei Linien; die Ruprechtsche stammte von dem Grafen Ruprecht, welcher 1468 das Schloß Waldstein kaufte. Indessen hatten die W. aufgehört Grafen zu heißen u. wurden 1551 zu Freiherren von Waldstein u. im Thal erhoben. Das Erneuerungsdecret der Grafenwürde von 1557, vom Kaiser Ferdinand I., bezog sich nur auf einen Zweig der Sigismundischen Linie. Beide Linien erwarben 1565 das Obersterblandstallmeisteramt u. die Magnatenwürde in Ungarn. Graf Gottlieb (st. 1695), aus der älteren gräflichen Linie, wurde 1661 Reichs- u. Kreisstand in der Wetterau u. 1684 Reichsgraf u. wurde vorerst als Personalist in das Fränkische Grafencollegium eingeführt. Sein Urenkel, Joseph Nikolas (st. 1802), erbte 1781 die böhmischen Güter der Grafen Lascy, u. dessen Sohn Alfred kaufte 1804 die reichsunmittelbare Herrschaft Egloffs u. die Reichsherrschaft Siggen, welche ihn 1804 zum Sitz mit Stimme im Schwäbischen Reichsgrafencollegium berechtigte u. vom Kaiser Franz II. unter dem Titel Windischgrätz (s.d.) zum Reichsfürstenthum unter gleichzeitiger Erhebung der Grafen von W. zu Reichsfürsten nach dem Rechte der Erstgeburt erhoben wurde; 1822 wurde diese Erhebung auf alle Nachkommen ausgedehnt. 1806 kam das mediatisirle Fürstenthum unter württembergische Hoheit u. 1819 wurde der Fürst erbliches Mitglied der Ersten Kammer des Königreichs Württemberg. I. Erster Zweig. Besitz: a) in Österreich: die Herrschaften Kladrau (2 QM.), Tachau (51/4 QM.), Stickna, Winteritz, St. Peter in der Au u. Jassenegg, die Güter Schlossenreit, Langendörflas, Schönbrunn, Urschau, Purschau, Heilingen, Rzupitz, Rowna, Mladiegowitz, Setzendorf etc.; b) in Württemberg: das Fürstenthum Windischgrätz, aus den Herrschaften Egloffs u. Siggen bestehend (11/4 QM.). Wappen: in Roth der Kopf u. Hals eines silbernen Wolfes. 1) Alfred, Fürst W., Graf von Egloffs u. Siggen, Freiherr auf Waldstein u. im Thal, älterer Sohn des 1802 verstorbenen Grafen Niklas, geb. 11. Mai 1787 in Brüssel, trat 1804 als Lieutenant bei der Reiterei in österreichische Dienste, war 1813 bereits Oberst, machte die Kriege gegen Frankreich mit, wurde 1826 Generalmajor, 1833 Feldmarschalllieutenant u. commandirender General in Böhmen. Während der unruhigen Tage im März 1848 in Wien befand sich der Fürst daselbst u. wurde am 15. März mit dem Generalcommando der Truppen von Niederösterreich beauftragt; am 11. April dieses Commandos entbunden, wurde er vom Kaiser nach Böhmen zurückgeschickt, um dort das Treiben der tschechischen Partei zu überwachen. Als nach dem Slawencongreß der Aufstand in Prag losbrach, unterdrückte er denselben durch energische Maßregeln schnell. Dabei wurde seine Gemahlin (Eleonore geb. Prinzessin zu Schwarzenberg) am 12. Juni durch das Fenster des Hôtels erschossen u. sein Sohn tödtlich Verwundet. Darauf stellte er auch in den übrigen Theilen des Königreichs die Ordnung wieder her (s. Österreich S. 453 f.). Am 16. Oct. wurde W. zum Feldmarschall u. Commandirenden aller österreichischen Armeen (außer der italienischen unter Radetzky) ernannt u. nach Wien zur Dämpfung des Aufstandes berufen (s. ebd. S. 454). Nachdem er dies bewerkstelligt hatte, eröffnete er den Winterfeldzug 1848–49 gegen die insurgirten Ungarn, welcher im Anfang sehr glücklich war, doch schließlich einen ungünstigen Ausgang hatte. Am 12. April 1849 wurde er seines Commandos enthoben, begab sich nach Prag zurück u. von da auf seine Güter. Nach Ausbruch des Italienischen Krieges ging er 1859 im Auftrag des Wiener Hofes nach Berlin, um Preußen zur Theilnahme am Kriege zu bewegen, scheiterte aber mit seinen Bemühungen. Noch in demselben Jahre wurde er Gouverneur von Mainz u. nach Verleihung des Februarpatents erbliches Mitglied des Reichsrathes. Er st. 21. März 1862. In seinem Auftrag wurde geschrieben: Der Winterfeldzug 1848–49 in Ungarn, Wien 1851. 2) Fürst Alfred, Sohn des Vor., geb. 28. März 1819, jetziges Familienhaupt, österreichischer Generalmajor u. Brigadier, seit 1852 Wittwer von Prinzessin Marie Hedwig von Lobkowitz; der Erbprinz Alfred ist geb. 31. Oct. 1851._– II. Der andere Zweig, begütert in Böhmen (die Herrschaften Gemnischt, Winteritz u. Pohlig u. das Gut Troja), Steyermark (Gonobitz etc.) u. Krain (Haasberg etc.); Gründer: 3) Fürst Veriand, jüngerer Sohn des Grafen Niklas, geb. 31. Mai 1790 u. vermählt mit Eleonore geb. Prinzessin von Lobkowitz. 4) Prinz Karl, Sohn des Vor., geb. 18. Oct. 1821, war Oberst u. Commandant eines Infanterieregiments u. fiel 24. Juni 1859 bei Solferino. 5) Prinz Hugo, Bruder des Vor., geb. 26. Mai 1823, ist österreichischer Oberst in Disponibilität, seit 1859 Wittwer von Luise, Schwester des Großherzogs Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 259.
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