Othmar

* Es ist in Sanct Othmar's Lägel. (Schweiz.) – Eiselein, 501; Kirchhofer, 120.

Von einem reichen Vorrath oder einem nie aufhörenden Zufluss. Othmar, Abt von Sanct-Gallen, wurde auf die Rheininsel Werd verwiesen, wo er 759 starb. Lange nach seinem Tode fanden seine Freunde seine Gebeine noch unverwest und führten sie nach Sanct-Gallen. Nach der Legende entstand auf der Fahrt ein ausserordentlicher Sturm, sodass die Schiffer sich sehr anstrengen [1162] mussten. Zur Stillung ihres Durstes hatten sie nur ein kleines Fläschchen, das aber durch wunderbare Wirkung des für heilig gehaltenen Mannes immer voll blieb. Nach L. Uhland (Pfeiffer's Germania, Wien 1859, IV, 37) lautet die Sage: »Zehn Jahre nach Othmar's Tode wurden die Brüder von Sanct- Gallen durch ein Gesicht vom Herrn ermahnt, den Leichnam in ihr Kloster heimzuführen. Elf von ihnen kamen nachts auf die Rheininsel (Stein), wo Othmar begraben, öffneten das Grab und fanden denselben gänzlich unverdorben, nur dass der äusserste Theil des einen vom Wasser bespülten Fusses misfarbig und geschwunden erschien. Sie legten die Leiche auf das Schiff, zündeten Wachskerzen an und stellten eine zum Haupte, und die andere zu den Füssen. Eifrigst ruderten sie dahin, als Regen und Wind mit solcher Gewalt hervorbrachen, dass die Schiffenden kaum Rettung zu finden hofften. Aber durch göttliche Fügung hingen die aufgethürmten Wogen ringsum über ihnen, ohne den Lauf des Schiffleins zu hemmen; wohin es kam, wurden die schwellenden Fluten von ihm niedergedrückt; die Wassermassen, Regengüsse, Windeswirbel umgürteten das Fahrzeug auf nicht geringe Entfernung wie ein Zaun, sodass nicht eine desselben fiel. Selbst die zu Haupt und Füssen des Abtes aufgestellten Kerzen leuchteten beständig fort. Als die Brüder dann, vom angestrengten Rudern ermüdet, zur Imbissstunde sich niedergesetzt hatten und der Speise auch der erquickende Trank sich mischen sollte, gab der Diener zu verstehen, dass nur der Inhalt einer kleinen Flasche übrig sei, wovon kaum jedem etwas, mehr zum Kosten als zum Trinken, gereicht werden könne. Sie liessen das wenige unter alle friedlich vertheilen, und wunderbar begann in dem kleinen Gefässe der Vorrath so zu wachsen, dass er durch anhaltendes Ausströmen sich um nichts zu mindern schien, bis die Trinkenden selbst des Becherfüllens genug hatten und dem Spender alles Guten dankbar lobsangen.« Später gab man diesem, an den Oelkrug der Witwe gemahnenden Wunder die lehrsame Wendung: so lange die Brüder zu Sanct-Gallen unter Othmar's Verwaltung mässig gelebt, sei dem Fläschchen niemals der Wein ausgegangen, obgleich sie sich häufig daran erheitert, aber nach Bedürfniss und zu ehrbarer Labung, nicht zu strafbarer Ueppigkeit; hiervon sei auch wol zur Bezeichnung einer unversieglichen Fülle das Sprichwort von Sanct-Othmar's Lägel entstanden. (Crus, Proverbium de sancti Othomari lagaena, I, 310.) Der Heilige wird auch mit dem Buch in der einen und dem Fläschchen in der andern Hand abgebildet. (S. Held 22.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 1162-1163.
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