[227] Berlin, Hauptstadt des preuß. Staats, erste Residenz des Königs, Sitz aller höchsten Landesbehörden, liegt in der Provinz Brandenburg, in einer sandigen Ebene mit einigen Höhen auf der Süd- und Nordseite an beiden Ufern der Spree, hat über vier Stunden im Umfange, mit Einschluß der 16,000 M. starken Garnison 248,000 meist evangelische Einw., darunter 4000 Katholiken, gegen 5000 Juden, über 10,000 Reformirte und ist nicht nur eine der größten und schönsten, sondern als Hauptsitz norddeutscher Intelligenz und Cultur auch eine der wichtigsten Städte in Europa.
Es besteht aus den Stadttheilen Berlin, Köln an der Spree, Friedrichswerder, Neu- oder Dorotheenstadt, Friedrichsstadt, Friedrich-Wilhelmsstadt, Luisenstadt, Königsstadt, stralauer und spandauer Viertel innerhalb, und der oranienburger [227] und rosenthaler Vorstadt, auch das Voigtland genannt, außerhalb der Ringmauer, in welcher sich 14 Land- und 2 Wasserthore befinden. B. ist im Ganzen regelmäßig gebaut, am schönsten die Friedrichsstadt, hat zusammen 282 Straßen und Gassen, von denen 185 innerhalb der Ringmauern theils durch Laternen, theils seit 1826 mit Gas beleuchtet werden, welches aus der Gasbeleuchtungsanstalt vor dem hallischen Thore mittels zum Theil unter der Spree weg geleiteter Röhren durch die ganze Stadt vertheilt wird. Die ausgezeichnetsten Straßen sind die große Friedrichsstraße, welche fast eine Stunde lang ist; die Wilhelms-, die Leipziger- und die Behrenstraße; ferner die lebhafteste von allen die Königsstraße und die 1600 Schritte lange, 72 Schritte breite Straße »unter den Linden«, deren mittelster, von vier Reihen Linden, Kastanien und andern Bäumen beschatteter Theil einen Lieblingsspaziergang der Berliner bildet, zu beiden Seiten besondere Wege für Reiter und Wagen und an den Häusern hin noch besondere Fußsteige hat. Sie führt auf das von 1789–93 erbaute prächtige, hier dargestellte brandenburger Thor, das die Siegesgöttin in einem von vier Rossen gezogenen Wagen trägt, welche 1807 Napoleon nach Paris bringen ließ, die aber seit 1814 an ihren Platz wieder zurückgekehrt ist und durch dessen fünf Portale man in den parkartig angelegten Thiergarten gelangt. Dieser Lustwald enthält außer den mannichfaltigsten Spaziergängen die kön. Fasanerie, das Lustschloß Bellevue und viele Landhäuser reicher, besonders jüd. Bewohner B.'s, weshalb auch ein Theil desselben im Scherz Neujerusalem genannt wird. Unter den 22 öffentlichen Plätzen B.'s sind die bemerkenswerthesten der Wilhelmsplatz mit den Bildsäulen der Generale Seidlitz, Schwerin, Winterfeld, Ziethen, Keith und des Fürsten Leopold von Dessau; der Dönhofsplatz mit einem Obelisken, welcher als Meilenzeiger zur Berechnung aller Entfernungen von B. dient; der Gendarmenplatz mit der neuen deutschen und der franz. Kirche, zwei Prachtgebäuden, und dem an die Stelle des 1817 abgebrannten 1819–20 erbauten neuen Schauspielhause, das auch einen prächtig verzierten Concertsaal enthält; der Opernhausplatz, eigentlich eine Reihe von Plätzen vom Anfange der Linden bis zum kön. Schlosse, mit dem großen Universitätsgebäude, dem von Friedrich dem Großen 1741–42 erbauten Opernhause, welches die von Paris und London an Größe übertrifft, dem kön. Bibliothekgebäude, der katholischen Kirche, welche eine prächtige Rotunda bildet, mit dem vom Könige bewohnten einfachen Palais, dem 1695 unter König Friedrich I. aufgeführten, prachtvollen Zeughause, dessen Inneres nur zwei Säle bildet, von denen der untere schweres Geschütz u.s.w., der obere allerhand Waffen und viele Trophäen enthält. Im Innern des Hofes sieht man als Schlußsteine über den 21 untern Fenstern die Köpfe sterbender Krieger in erhabener Arbeit, berühmt unter dem Namen der Schlüter'schen Masken, wie sie nach ihrem Schöpfer, dem ehemaligen Hofbildhauer Schlüter, heißen. Neben dem Zeughause befindet sich die 1818 erbaute Königswache, vor der zu beiden Seiten die Bildsäulen der Generale Scharnhorst und Bülow aus cararischem Marmor, gegenüber das eherne Standbild des Fürsten Blücher sich befinden. Zwischen dem Wach- und Zeughause stehen als Trophäen der Einnahme von Paris im J. 1814 zwei von dort mit fortgeführte außerordentlich große Mörser und in ihrer Mitte die von den Franzosen 1806 nach Paris entführte große lübecker Kanone. Einer der freundlichsten Plätze B.'s ist der Lustgarten mit seinen Acazienalleen, durch zierliche Drahtgitter geschützten Rasenbeeten, einer großen, durch eine Dampfmaschine getriebenen Fontaine [228] in der Mitte, an dem die Börse, die Domkirche mit der kön. Familiengruft, das 1824–28 erbaute, hier abgebildete Museum, in welchem alle in Berlin und Potsdam vereinzelt gewesenen Kunstgegenstände, sowie neuerworbene Sammlungen vereinigt wurden und vor dem auf einem geschmackvollen Postamente eine 1500 Ctr. schwere, kolossale Schale aus märkischem Granit aufgestellt ist. Gegenüber liegt das seit 1716 in seiner jetzigen Gestalt vollendete große kön. Schloß mit seinen Prachtsälen und Merkwürdigkeiten, das den Lustgarten vom Schloßplatze trennt. Ferner der Monbijouplatz bei dem gleichnamigen kön. Lustschlosse, in welchem sich jetzt das ägypt. Museum befindet; der Leipzigerplatz, der Alexanderplatz mit dem königstädter Theater u.s.w. Von den 27 Kirchen B.'s sind außer den schon genannten noch zu erwähnen die Nicolai- und die Klosterkirche aus dem 13. Jahrh., als die ältesten; die Garnisonkirche mit ihrer trefflichen Orgel als die größte; die Marienkirche aus dem 14. Jahrh. mit einem goth. Thurme, dem höchsten in Berlin; die Dorotheenkirche mit schönen Grabmälern und die im goth. Style erbaute, erst 1830 vollendete neue werdersche Kirche. Unter den übrigen ausgezeichneten Gebäuden sind anzuführen das Lagerhaus, eines der ältesten von B., ehemals kurfürstliche Residenz und das »hohe Haus« genannt, jetzt zu den Bureaus mehrer Behörden benutzt; das Landschaftsgebäude; das Kammergericht; die Paläste der Prinzen Wilhelm, August und Albrecht; die Sternwarte mit dem neuen Telegraphen; die Gebäude der Porzellanfabrik, der Bank, Seehandlung, Münze, des kön. Marstalls, der Ingenieurschule, 12 Kasernen u.a.m. Von den 40 Brücken zeichnen sich die 156 F. lange und 100 F. breite Schloßbrücke, die 240 F. lange Friedrichsbrücke mit acht eisernen Bogen und die Kurfürsten- oder lange Brücke aus, welche mit der ehernen Reiterstatue des großen Kurfürsten geziert ist. Merkwürdig ist noch das dem Andenken des Befreiungskrieges von 1813–15 auf dem Kreuzberge vor dem hallischen Thore 1821 errichtete gußeiserne, 60 F. hohe Denkmal in goth. Geschmack, ein thurmarkiger Baldachin mit 12, der Andeutung der 12 Hauptschlachten gewidmeten Nischen, und das große Invalidenhaus vor dem oranienburger Thore.
B. ist außerordentlich reich an vorzüglichen Bildungsanstalten, an deren Spitze die 1809 gestiftete, am 15. Oct. 1810 eröffnete Friedrich-Wilhelmsuniversität mit theologischen und, philologischen Seminarien, zwei botanischen Gärten, den mannichfaltigsten Museen, Sammlungen und Instituten steht, wohin auch die 250,000 Bände starke kön. Bibliothek gehört, sowie eine große Anzahl gelehrter Gesellschaften und Vereine. Ferner gibt es hier kön. Akademien der Wissenschaften, der bildenden Künste, eine kön. Thierarzneischule, mehre Schullehrerseminare, seit 1811 die dem Andenken der Königin Luise gewidmete Luisenstiftung zur Bildung von Erzieherinnen, 6 Gymnasien, 2 höhere Bürger-, an 260 Privatschulen und Erziehungsanstalten, viele Gewerbs- und Sonntagsschulen und wichtige militairische Bildungsanstalten. Auch bestehen in B. mehre Missionsgesellschaften und die 1814 gestiftete preuß. Hauptbibelgesellschaft. Die Kunst findet in ihren verschiedenartigen Richtungen in B. fast durchgängig glänzende Anregung und Beförderung; in den Werkstätten der berühmten Bildhauer Rauch, Tieck und anderer Künstler, sowie auf den alle zwei Jahre wiederkehrenden Kunstausstellungen gibt es immer viel zu bewundern, während nach andern Seiten hin die 1790 gestiftete Singakademie und viele andere musikalische Vereine, die kön. Oper, das kön. Schauspiel, das 1824 gegründete königstädter Theater, eine franz. Schauspielergesellschaft u.s.w. die mannichfaltigsten Genüsse gewähren. Von ausnehmendem Umfange ist der Handel B.'s, welchen die kön. Bank, die Seehandlung, die Dampfschiffahrts- und Elbschiffahrtsgesellschaft, mehre Versicherungsanstalten und Märkte befördern. Von [229] den zahlreichen Manufacturen und Fabriken sind besonders die in Seide, Wolle und Baumwolle, die Eißengießereien, Zuckersiedereien, Tabacks-, Papier-, Porzellan- und Fabriken kurzer Waaren wichtig. Unter vielen öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten mögen hier nur die Charité, ein großes Krankenhaus, wo Kranke zum Theil unentgeltlich verpflegt und geheilt werden, das 1796 vom Geheimrath Baumgarten gestiftete Bürgerrettungsinstitut, das kön. Taubstummeninstitut, verschiedene Waisenhäuser und die 1819 vom Professor Wadzeck zur Erziehung armer Kinder gestiftete Wadzecks-Anstalt erwähnt werden.
Über die älteste Geschichte B.'s fehlt es an zuverlässigen Nachrichten, wahrscheinlich wurden aber seit Markgraf Albrecht II., 1206–20, die bis dahin wendischen Dörfer Berlin, was Wüstenei heißt, und Köln, dem die Bedeutung des slaw. »Kollne«, Gebäude auf Pfählen, zum Grunde liegen soll, zu Städten erweitert. Seine Nachfolger umgaben diese Orte mit Mauern und sorgten weiter für ihr Gedeihen, sodaß sie sich ziemlichen Wohlstandes erfreuten, als 1319 der anhalt. Regentenstamm ausstarb. Allein fast 100 Jahre der Noth und Trübsal, welche nun folgten, ehe 1417 Brandenburg an das Haus Hohenzollern kam, hatten fast Alles wieder vernichtet, bevor B. unter dem neuen Fürstenhause nach und nach seinem jetzigen Glanze entgegenzugehen anfing. Aus der Burg, welche Kurfürst Friedrich II. seit 1448 erbaute, entstand das kön. Schloß, und Johann Cicero, 1486–99, erhob B. zuerst zur bleibenden Residenz. Wie das ganze Land, so nahm auch dessen Hauptstadt unter der langen Regierung Friedrich Wilhelm's, des großen Kurfürsten, 1640–88, einen neuen Aufschwung, zählte bereits 20,000 Einw. und der Anbau der meisten neuen Stadttheile, sowie die Gründung vieler Sammlungen und wissenschaftlichen Anstalten gehört seiner Zeit an. Sein Nachfolger, Friedrich III., später als König Friedrich I., 1688–1713, ahmte ihm nach, ließ die Friedrichsstadt, den schönsten Stadttheil, anlegen und gab dem Ganzen 1709 den Namen der »Residenzstädte B.«, deren Einwohnerzahl jetzt 50,000 betrug. Von nun an stieg die Vergrößerung und Verschönerung B.'s mit jedem Jahre, namentlich erhielt es unter Friedrich II., 1740–86, durch Abtragen der Festungswerke und neue Anlagen eine ganz andere Gestalt, und obgleich die schweren Jahre des siebenjährigen Krieges hindernd auf den Wohlstand der Stadt einwirkten, hob sich die Bevölkerung auf 145,000. Die Hauptverschönerungen aber, welche B. zu einer der ausgezeichnetsten Städte Europas machen, und den Rang, welchen es durch Wissenschaft, Kunst und Industrie einnimmt, dankt es dem jetzt regierenden Könige, Friedrich Wilhelm III.
Brockhaus-1809: Berlin · Berlin
Brockhaus-1911: Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal · Il y a des juges à Berlin · Berlin [3] · Berlin · Berlin [2]
DamenConvLex-1834: Gros de Berlin · Berlin
Meyers-1905: Berlin-Stettiner Kanal · Fer de Berlin · Il y a des juges à Berlin · Berlin [3] · Berlin Spandauer Schiffahrtskanal · Berlin [1] · Berlin [2]
Pagel-1901: Berlin, Rudolf · Berlin, Nils Johann
Pierer-1857: Gros de Berlin · Neu-Berlin · New Berlin · Berlin [1] · Berlin [2] · Discontogesellschaft zu Berlin
Roell-1912: Berlin-Hamburger Eisenbahn · Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn · Berlin-Stettiner Eisenbahn · Berlin-Anhaltische Eisenbahn · Berlin-Dresdener Eisenbahn · Berlin-Görlitzer Eisenbahn
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro