Polnische Sprache und Literatur

[576] Polnische Literatur, Polnische Sprache. Die poln. Sprache ist mit der böhm. ein Hauptzweig der westl. slavischen Sprachen, härter als die russ., mit gehäuften Consonanten, vielen harten u. weichen Zischlauten. Sie ist reich an Flexionsformen und hat eine sehr freie Vorstellung, eignet sich deßwegen gleich gut für die prosaische u. poetische Darstellung. Ihre Ausbildung zur schönen, feinen Schriftsprache erhielt sie seit Anfang des 15. Jahrh., wo sie das Latein verdrängte. Von einer poln. Literatur kann natürlich erst seit der Einführung des Christenthums die Rede sein; dieselbe bediente sich der lat. Sprache, wie alle abendländischen christlichen Nationen u. wie bei diesen bewegte sie sich auch hauptsächlich auf dem Gebiete der Chroniken, der Gesetzessammlung u. der Scholastik. Am Ende des 15. Jahrh. und im 16. entwickelte sich in Polen gleichwie in andern Ländern bei den höheren Ständen durch den Einfluß der ital. Cultur eine feinere Bildung und im Gefolge derselben eine nationale Literatur; doch behauptete das Latein als Sprache der Gebildeten noch immer soviel Geltung, daß eine Reihe der besten Schriftsteller sich ihrer bedienten, z.B. der treffliche Lyriker Sarbiewski, ein Jesuite. Polnisch dichteten: Kochanowski, Szarzinsky, Grochowsky, Szimonowicz etc. Die Reformation, die auch in Polen Eingang fand, rief namentlich Bibelübersetzungen u. Kirchengesänge in das Leben. Eine neue Blüte der Literatur folgte in der letzten Zeit des Staates aus der Rückwirkung der französ. Bildung und beweist durch Form und Gehalt jenen fremden Einfluß. Bedeutendste Namen aus dieser Zeit: Konarski, gest. 1773, der Gründer des poln. Theaters, die Lyriker Trembecki und Kniaznin, die Satyriker Wegierski und Godebski; unter den Historikern: Krasicki, der die unglückliche Zukunft Polens vergeblich weissagte. Aus der Zeit der Theilungen u. des vergeblichen Ringens der Edelsten der Nation ragt der Dichter Niemcewicz in die neue Zeit herüber, die seit 1815 eine poln. Dichterschule [576] erweckte, die gewöhnlich die romantische genannt wird. Ihr Chorführer war Mickiewicz (gest. 1856), dem sich Zaleski, Malczeski, Goszcynski, Chodzko, Gorecki, Grabowski, Czaykowski, Slowacki etc. anschließen. Als Historiker hat besonders Lelewel großen Einfluß ausgeübt; in der Rechtsgeschichte ist Maciejowski ausgezeichnet. Seit 1831 ist jede höhere geistige Bestrebung im eigentlichen Polen unterdrückt und die Literatur mit der Blüte der Nation in das Ausland geflüchtet, dagegen blieb die literarische Thätigkeit in dem österr. und preuß. Polen nicht unbedeutend.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 576-577.
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