[302] Polnische Literatur. Die Geschichte der P. L. läßt sich in fünf, ziemlich scharf untereinander abgegrenzte Perioden scheiden. Die Anfänge der P. L. reichen bis in die heidnische Zeit hinauf u. bestehen in Sprüchwörtern, Volksliedern u. Volkssagen. Auf diese Reste der echt volksthümlichen Geistesthätigkeit, welche Jahrhunderte hindurch von dem Landvolke treu bewahrt u. von einer Generation auf die andere vererbt wurden, ist man in Polen erst in neuester Zeit aufmerksam geworden u. hat die Sammlung derselben begonnen, so wurden Volkslieder von Wojcicki in Warschau (Piésni Biało-Chrobatów, Warschau 1836, 2 Bde.), von Waclaw (Piésni polskie i ruskie ludu galicyjsöiego, Lemb. 1833), Zegota Pauli, Tim. Lipinski u. A., die Volkssagen hingegen von Wojcicki (Klechdy, Warschau 1837, 2 Bde., deutsch von Levestam, Berl. 1839) gesammelt. Eine eigenthümliche Form des polnischen Volksliedes ist der Krakowiak. Für das älteste Gedicht in Polnischer Sprache gilt das Loblied auf die Sta. Maria (Boga rodzica), welches dem St. Adalbert zugeschrieben wird, in der vorliegenden Fassung aber dem 14. od. 15. Jahrh. angehört. Doch diese Keime vermochten nicht auf naturgemäßem Wege zu einer eigentlichen Literatur zu erwachsen, da sie durch die lateinische Kirchenliteratur, welche mit Einführung des Christenthums im 10. Jahrh. nach Polen verpflanzt wurde, auf lange Zeit an ihrer weitern Ausbildung verhindert wurden. Die ersten Erzeugnisse dieser lateinischen Literatur in Polen waren die Chroniken von Martin Gallus (um 111035), von Vincenz Kadlubek (s.d.), u. Boguphal, Bischof von Posen (gest. 1253), sowie des Marcin Strzębski od. Polonus (gest. 1279) Chronicon summorum pontificum et imperatorum romanorum. König Kasimir III. hat das Verdienst auch in der Literatur für Polen eine bessere Zeit vorbereitet zu haben, er gründete 1347 die erste Universität in Krakau u. ließ ein polnisches Gesetzbuch, das berühmte Statut von Wislica, abfassen. In Krakau, wo die Universität auf lange Zeit der Mittelpunkt des wissenschaftlichen Lebens in Polen wurde, blühten im 15. Jahrh. namentlich die mathematischen Wissenschaften, unter deren Lehrern Joh. Glogoviensis (gest. 1507) u. bes. Wojciech Brudzewski (geb. 1497) zu den berühmtesten Gelehrten jener Zeit gehörten. Das Vorwärtsschreiten der Bildung war bereits bei Jan Dlugosz (gest. 1480), Bischof von Lemberg, sichtbar, welcher zuerst in Polnischer Sprache Geschichte mit Gründlichkeit u. Kritik schrieb. Unterstützt wurde der Fortschritt einestheils durch den im benachbarten Böhmen auftauchenden Hussitismus, anderntheils durch Einführung der Buchdruckerkunst. Die erste Druckerei wurde wahrscheinlich um 1490 von Haller in Krakau angelegt. Aus dieser Zeit stammt das Psalterium der Königin Margarethe (herausgegeben von Borkowski, Wien 1834), so wie die von Jan Laski, Erzbischof von Gnesen, auf Verlangen des Königs Alexander veranstaltete Sammlung vaterländischer Gesetze.
Die zweite Periode der Geschichte der P. L. umfaßt den Zeitraum von 15061622. In derselben wurde die Polnische Sprache zur Schriftsprache erhoben u. erreichte eine ungewöhnliche Kraft, Selbständigkeit u. Ausbildung. Die glorreiche Zeit der Könige Sigismund I. u. II. (1507 1572) wird als das goldne Zeitalter der P. L. bezeichnet. Das Studium der klassischen Literatur wurde sehr gefördert, die Gelehrten von den Fürsten ausgezeichnet, überhaupt die Wissenschaften gepflegt u. begünstigt. Während sich viele Polen zu ihrer weitern Ausbildung nach Deutschland u. Italien begaben, stand die Universität Krakau in ihrer Blüthe, Sigismund I. erhob alle Lehrer an derselben in den Adelstand; Stephan Bathori begründete eine Akademie in Wilna; dem Beispiele der Fürsten folgten die Magnaten, wie Jan Zamojski, welcher 1594 in Zamosc eine Akademie stiftete. Auch die Reformation, welche raschen Eingang in Polen fand, übte hier ihren Einfluß zu Gunsten des geistigen Aufschwungs. Wenn sich auch noch Viele der Lateinischen Sprache bedienten, wie Sarbiewski (welcher wegen seiner lateinischen Oden der Polnische Horatius genannt wird), so wurde das Polnische doch zur Sprache der Literatur, des Hofs u. der Gebildeten erhoben. Die Poesie trat fast plötzlich in einer Vollendung auf, welche man vorher kaum ahnen konnte. Bahnbrechend wirkte Nikolaus Rej aus Naglowic (151568), welcher gewöhnlich Vater der polnischen Dichtkunst genannt[302] wird u. sehr scharfe u. witzige satyrische Dichtungen veröffentlichte. Der bedeutendste Lyriker u. wohl überhaupt der bedeutendste polnische Dichter dieses Zeitraums war Jan Kochanowski (1530 1584), welcher außer mehren Übersetzungen u. seinen drei Büchern lyrischer Dichtungen, auch Elegien, Epigramme u. Satyren verfaßte. Nicht geringe Verdienste erwarben sich um die Polnische Sprache u. Poesie auch seine beiden Brüder Piotr u. Jedrzej Kochanowski, von welchen der Erstere Tasso's Befreites Jerusalem u. Ariost's Rasenden Roland, Letzter Virgil's Äneide auf polnischen Boden verpflanzte. Unter den vielen Nachfolgern der Gebrüder Kochanowski verdienen noch genannt zu werden: Sęp Szarzynski (gest. 1581), welcher lyrische Dichtungen hinterließ; Jan Rybinski (gest. 1589), Lehrer in Danzig, welcher auch lateinisch dichtete; Kaspar Miaskowski (um 1610) in Großpolen u. Stanislaw Grochowski, Bischof von Lemberg (st. 1612), von welchem viele geistliche Lieder übrig sind. In das Gebiet der didaktischen Poesie gehören die Dichtungen des Thomas Bielawski aus Krakau, des Joseph Moczydlowski, Peter Zbylitowski, Jan Gruszczynski, Barthol. Paprocki, welcher u.a. die Wappen seiner Landsleute in einem Gedichte feierte, der lithauische Historiker Matthias Stryikowski etc.; sonst haben sich bes. als Lyriker in dieser Zeit noch bekannt gemacht Joh. Daniecki, Val. Jakubowski (st. 1582), Stan. Kolakowski, Melchior Pudlowski, Andreas Zbylitowski, Stanisl. Witkowski u. A. Mit Auszeichnung zu nennen ist ferner: Szymon Szymonowicz Bendonski, genannt Simonides (15581629), welcher sich durch seine lateinischen Oden den Namen des lat. Pindar erwarb u. wegen seiner Idyllen in Polnischer Sprache der Polnische Theokrit genannt wird, u. sein Nachahmer Szymon Zimorowicz (160529). Sebastian Klonowicz, genannt Acernus (15511608), Rathsherr in Lublin, ist ausgezeichnet in der beschreibenden Poesie (Flis u. Worek Judaszow) u. in der Satyre, er verfaßte u.a. eine beißende Satyre gegen die katholische Geistlichkeit (Victoria deorum, 1600). Joh. Achatius Kmita (gest. 1610) war Polens erster heroisch-komischer Dichter, Sophia Olesnicka, die erste namhafte polnische Dichterin. Theatralische Vorstellungen hatten schon im 15. Jahrh. in Polen stattgefunden, es waren Darstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu. Eine der ersten gedruckten Komödien ist des Krakauer Bürgers Ant. Winiewski Wunderbare Hochzeit. Im Anfang des 16. Jahrh. wurden auf dem Hoftheater lateinische Dramen aufgeführt, u. damals gaben die Dominicaner die ersten Fastnachtsspiele in Krakau, es wurden dazu eigne Theater gebaut u. zu ihrer Aufführung brauchte man mehre Tage. Eine alte Tragödie ist Jephtes von Josia Zawicki von 1587. 1603 wurden zwar die Fastnachtsspiele, um der Verspottung der Nichtkatholiken zu entgehen, verboten, aber bald erschienen sie wieder. Im Allgemeinen jedoch wurde im Drama nichts geleistet, wenn auch Jan Kochanowski ein Stück nach dem Muster der alten griechischen Tragödie abfaßte, Lucas Gornicki (gest. 1591) die Trojanerinnen des Seneca bearbeitete u. der Epigrammatist u. Satyriker Stanisl. Sarasin Jagodynski Molidramen im italienischen Geschmacke lieferte. Nicht ohne Interesse ist das Loosbuch des Severin Báczalski. Mit der Einführung der Reformation stellte sich auch das Bedürfniß nach Gesangbüchern u. Bibelübersetzungen heraus, die ersten Gesänge in Polnischer Sprache gab Wal. Brzozowski (gesammelt um 1570) heraus; eine andere Sammlung dieser Art veranstaltete Artomius. Die erste Übersetzung des Neuen Testaments für Protestanten ist von Jan Seklucyan (Königsb. 1551); die für socialisch erklärte, an welcher Laski Theil hatte, erschien 1563 in Brzesc; für Katholiken wurde die ganze Bibel übersetzt von Jan Leopolita (Krakau 1561), dann von dem Jesuiten Jak Wujek (Krakau 1593 u. ö). Die Predigten des Jesuiten Piotr Skarga (gest. 1012) gelten in Bezug auf die Sprache als Muster polnischer Kanzelberedtsamkeit. Ein anderer ausgezeichneter Redner war Stan. Orzechowski. Unter den evangelischen Theologen jener Zeit sind Jak. Niemojewski, Theophil Turnowski (gest. 1608) u. Andreas Wolan (gest. 1610) berühmt. Auch die Geschichte erschien jetzt zuerst im vaterländischen Gewande bei Joachim Bielski (Kronika); ihm folgten Lukas Gornicki (153591), der schon damals die Gebrechen der polnischen Verfassung in seiner Geschichte der Krone Polens (die Zeit von 153872 umfassend) freimüthig aufdeckte; ferner Maciej Stryikowski (154782), welcher eine Chronik Lithauens verfaßte, während Barthol. Paprocki mehre genealogische u. heraldische Werke, größtentheils in Versen, hinterließ. Der Lateinischen Sprache bedienten sich Marcin Cromer (gest. 1589) in seinem Werke De origine et rebus gestis Polonorum, sowie Stan. Orzechowski in seinen Annales Poloniae (die Jahre 1548-52 umfassend). Um die weitere Ausbildung der polnischen Prosa, wie der Wissenschaft, erwarben sich Simon Syrenius, Professor der Medicin zu Krakau (um 1590), durch eine Botanik in Polnischer Sprache u. Sebastian Petrycy, Arzt u. Lehrer der Physik zu Krakau, durch seine polnischen Übersetzungen u. Erklärung aristotelischer Schriften Verdienste.
Die dritte Periode, von 16221750, ist die der Jesuitenherrschaft, in Folge deren Literatur u. Wissenschaft allgemeinem Verfallen Preis gegeben wurde. Durch Cardinal Hosius waren die Jesuiten zur Hemmung der in Polen sicher u. schnell fortschreitenden Reformation herbeigerufen worden; das erste Collegium derselben wurde 1566 in Braunsberg gestiftet; unter König Sigismund III. (15831632), welcher sich ganz ihrer Leitung hingab, nahmen sie überhand u. bemächtigten sich nach u. nach aller Unterrichts- u. der Bildungsanstalten. Durch das Streben einiger kräftiger Geister, wie des Krongroßfeldherrn Zamojski, wurde zwar im Anfange der Verfall noch etwas aufgehalten, allein als sich die Jesuiten 1622 der Universität Krakau bemächtigt hatten, begann der Niedergang der Literatur u. Wissenschaft. Durch Zurückführung des Latinismus wurde das nationale Element in den Hintergrund gedrängt u. die Sprache selbst durch Beimischung barbarischen Lateins verunreinigt, wogegen Einzelne vergebens zu wirken suchten. Alle Kraft der Poesie wurde gebrochen, so daß nur geschmacklose, mit lateinischen Floskeln u. gelehrten Anspielungen auf Mythologie u. Geschichte durchflochtene Panegyriken an das Licht traten; aus der Geschichte wurde alle Wahrheit gebannt, so daß sie zu leerer Lobrednerei herabsank. Den tiefsten Verfall zeigt die ganze P. L. in der Zeit der Könige Augusts II. u. III. Der bedeutendste Dichter dieser Periode ist der Jesuit Kazimierz Sarbiewski (1595-1640), welcher jedoch nur in Lateinischer Sprache[303] dichtete. Die Verderbniß der Sprache u. die geschmacklose Richtung der Zeit zeigt sich bereits bei Vespasian Kochowski (gest. um 1700), obgleich ihm poetische Wärme nicht abzusprechen ist. Sonst sind noch hervorzuheben Sam. Twardowski (gest. 1660), welcher eine Sendung nach der Türkei in Versen beschrieb; Christoph Opalinski (gest. 1555), welcher Satyren (1652) voll scharfer Charakteristik, aber in ganz verderbter Sprache schrieb; Alan Bardzinski, Chroscinski, welcher den Lucian übersetzte, Ustrzycki, Morsztyn, der Übersetzer des Corneille, der Jesuit Nagnrczewski (gest. 1811), welcher Homers Iliade u. die Eclogen Virgils übertrug. Vortheilhaft für ihre Zeit zeichnete sich Elisabeth Druzbacka (gest. 1760) durch Einfachheit u. Natürlichkeit ihrer Poesie aus. Die namhaftesten Geschichtsschreiber sind Paul Piasecki (gest. 1644); Simon Starowolski (gest. 1656), welcher außer mehrern literarhistorischen Werken auch lateinisch eine Statistik Polens schrieb; der Jesuit Wijuk Kojalowicz (gest. 1677), welcher eine Historia Lituaniae (1850-69) hinterließ; Passek, dessen Memoiren von Raczynski herausgegeben wurden. Dem Gebiet der Kirchengeschichte gehören an Jędrzey Węgierski (gest. 1649), mit seiner Slavonia reformata (1679), einer Geschichte der Protestantischen Kirche in Polen, u. Lubieniecki (gest. 1675) mit seiner Historia reformationis Poloniae (1685). Das wichtigste Werk über polnische Heraldik lieferte der Jesuit Kaspar Niesiecki (gest. 1743).
Die vierte Periode seit der Mitte des 18. Jahrh. zeigt einen neuen Aufschwung der P. L. Derselbe wurde angebahnt theils durch den Einfluß, welchen die Französische Literatur, durch die innigen Beziehungen des Hofes zu Frankreich begünstigt, ausübte, theils durch die mannigfachen Unterstützungen, welche der Wissenschaft durch den König Stanislaw August u. mehrere Magnaten, wie die Fürsten Czartoryiski, Jablonowski u. And. fand, theils durch die patriotischen Bestrebungen der Brüder Zaluski, welche eine große Bibliothek sammelten u. 1745 in Warschau eröffneten, ganz bes. aber durch die Reformen, welche der Piarist Stan. Konarski (gest. 1773) bewerkstelligte. Letzter führte eine bessere Erziehungsmethode ein, wirkte durch Gründung des Collegium nobilium in Warschau für die Erziehung des Adels, als der eigentlichen Staatsbürger Polens, u. gab Veranlassung, daß der Unterricht nicht mehr den einzelnen Mönchsorden überlassen blieb, sondern daß unter Stanislaw August eine besondere Educationscommission gebildet wurde. Er wirkte ferner für Belebung des Studiums der klassischen u. älteren P. L. u. verfaßte selbst eine Anzahl pädagogischer, religiöser u. oratorischer Schriften. Nicht minder erblickte er im Theater ein wichtiges Bildungsmittel für das Volk, weshalb er verschiedene französische Schauspiele in das Polnische übersetzte u. nicht wenig dazu beitrug, daß 1765 in Warschau ein stehendes polnisches Theater errichtet wurde. Unter seinen Schülern, welche das Werk ihres Meisters rüstig förderten, sind zu nennen Onufrius Kopczynski (17351817), welcher zuerst die vaterländische Sprache grammatisch zu begründen versuchte; Gregor Piramowicz (gest. 1801), welcher zahlreiche Schulschriften verfaßte; der Jesuit Franz Bohomolec, welcher französische Theaterstücke für die polnische Bühne übersetzte u. bearbeitete; vor Allen aber Adam Stan. Naruszewicz, als Übersetzer des Tacitus bekannt, u. Ignaz Krasicki, welcher der Träger u. Mittelpunkt der gesammten P. L. seiner Zeit ist. Als Dichter dieser Periode sind bemerkenswerth Stan. Trembecki (gest. 1812), welcher außer seinem Hauptwerke Zofiowka (der poetischen Beschreibung eines Gartens der Gräfin Sophia Potocka) noch vieles Lyrische dichtete, was aber von den Poesien des Franz Kniaznin übertroffen wird. Kajetan Węgierski (gest. 1787), welcher wegen seiner beißenden Satyre genöthigt war das Vaterland zu verlassen, lieferte in seinem Organy eine Nachahmung von Boileaus Le lutrin. Ein witziger u. geschmackvoller Dichter war Cyprian Godebski (gest. 1809); Franz Węcit verfaßte außer einigen Romanen u. Dramen Okolice Krakowa, eine poetische Beschreibung der Gegenden Krakaus. Die dramatischen Dichter dieser Periode waren zwar zu ihrer Zeit gefeiert u. gerühmt, doch fügten sie sich der Regelrechtigkeit des klassischen französischen Drama; zu ihnen gehören Aloys Felinski (gest. 1820), welcher die Tragödie Barbara Radziwillowna verfaßte, der General Ludwig Kropinski (gest. 1844), welcher die Ludgarda dichtete, u. Ludw. Osinski (gest. 1838), welcher den Corneille übersetzte. Im Gegensatz zu den Genannten suchte Boguslawski das Volksthümliche festzuhalten; am gelungensten in dieser Beziehung erscheint das Drama Die Krakauer u. die Goralen. Die Blüthe, zu welcher die P. L. zur Zeit Stanislaw Augusts gelangt war, konnte durch die politischen Stürme der folgenden Jahrzehnte nur gestört, nicht aber gebrochen werden. Das Unglück des Vaterlandes führte viele der angesehenen Polen den Wissenschaften zu. Noch 1801 stifteten Thadd. Czacki, Franz Dmochowski u. Joh. Albertrandy die Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften in Warschau, die bes. unter Staszyc förderlich wirkte, aber 1832 aufgehoben wurde. Sonst wirkten patriotisch fördernd um jene Zeit Jos. Max. Ossolinski, H. Kolontaj u. Stan. Potocky. Jene Gesellschaft bereitete die Übergangsperiode in der P. L. vor, welche durch das poetische Talent Brodzinski's belebt wurde u. mit den Jugendschriften von Mickiewicz ihren Abschluß fand. War bisher die polnische Poesie ganz u. gar dem fremdländischen Klassicismus der französischen Dichtung verfallen, so waren es um diese Zeit namentlich Karpinski, Woronicz, Niemcewicz u. namentlich auch Kas. Brodzinski, welche zuerst wieder das Nationale hervortreten ließen u. durch Hinweisung auf die Meisterwerke bes. der Deutschen u. Englischen Literatur, wie auf die eigene volksthümliche Poesie die Theorien des Klassicismus zu erschüttern begannen. Die hervorragenden Talente dieser Zeit waren daher meist auch als Übersetzer thätig, so Nep. Kaminski (Calderons Arzt seiner Ehre u. Schillers Wallenstein), Jos. Dionys Minasowicz (vieles von Schiller u. Goethe) u. Ludw. Kaminski (Tasso's Befreites Jerusalem u. Gedichte von Pope). Auch Brodzinski, dessen eigene Poesien sentimental, rührend u. anmuthig sind, machte sich als Übersetzer bekannt; ihm gebührt das Verdienst neue Grundsätze für die polnische Poesie aufgestellt zu haben. welche vor Allem Wahrheit u. Natur verlangten.
Der Schöpfer u. Repräsentant der jüngsten Literaturepoche des Polnischen Volks ist Ad. Mickiewicz. In Wilna, welches seit 1815 sich zum Mittelpunkte der P. L. emporschwang, trat derselbe im Verein mit einer Anzahl gleichgesinnter[304] junger Polen, welche sich nach den Engländern u. der neueren Deutschen Dichterschule gebildet hatten, in Wort u. That gegen die Fremdherrschaft des Klassizismus auf u. wurde Begründer einer neuen Dichterschule, welche sich selbst Romantiker nannte u. aus dem heftigen Streite, der hierauf mit den Vertretern des französischen Klassizismus entstand, siegreich hervorging. Viel dafür wirkte Mir. Mochnacki (gest. 1834). Er wurde aber nicht nur der Träger der gesammten polnischen Literaturentwickelung im Allgemeinen, sondern auch im Besonderen der Schöpfer u. das Prototyp der episch-romantischen Dichtgattung in der polnischen Poesie. Im reinen Epos war bisher von den Polen nichts geleistet worden; die epischen Dichtungen des Mickiowicz tragen zwar auch die Mängel u. das Gepräge ihres Zeitalters, sind aber ungleich gediegener als alle anderen vorangegangenen Erzeugnisse dieser Art. Namentlich ist die historische Erzählung in Versen ein Zweig der Literatur, welcher sich schnell u. reich ausgebildet hat. Als Koryphäen der neuen Dichterschule sind zu nennen: Ant. Malczewski, der Dichter der Erzählung Maria, Severin Goszczynski aus der Ukraine u. dessen Landsmann Bohdan Zaleski, einer der begabtesten neueren polnischen Dichter. Die drei Genannten bilden die Grundpfeiler der sogenannten Ukrainischen Schule, als deren Hauptführer Thom. Padura, welcher sich in seinen lebensvollen, bereits in den Volksmund übergegangenen Poesien des Russinischen Dialekts bedient, u. Alex. Groza (Starost Kahlewski etc.) gelten. Ein reichbegabtes Talent war auch Julius Stowacki (gest. 1849), welcher bes. wegen seiner epischen Poesien hervorzuheben ist. In die Fußtapfen der Ukrainischen Schule traten Th. A. Olizarowski, dessen erzählende Dichtung Sophet jedoch isolirt steht, weil sie in Hexametern abgefaßt ist, u. Daszkowski. Einer der tiefsinnigsten u. bedeutendsten polnischen Dichter war auch der Graf Sigm. Krasinski (gest. 1859), dessen Iridion u. Ungöttliche Komödie anonym erschienen. Als andere Dichternamen reihen sich den Genannten an: Ant. Eduard Odyniec, aus lithauischer Familie stammend, welcher außer Übersetzungen mehre Balladev u. auch Dramen lieferte; Julian Korsak, ein Lyriker u. Elegiker, der sich namentlich englischen Vorbildern anschließt; Alex. Chodzko (s.d.), welcher viele orientalische Gedichte übersetzte, aber auch epische Bilder u. Schilderungen lieferte; Lucian Stumienski aus Galizien, der sich durch eine Übersetzung der Königinhofer Handschrift u. Novellen bekannt machte; Augustin Bielowski aus Pokutien, welcher namentlich als Lyriker zu nennen ist; Ant. Gorecki, dessen sarkastische Fabeln sehr beliebt sind; Steph. Garezmski, der eine epische Dichtung gab u. viele Kriegsk der dichtete. Unter den jüngeren poetischen Talente in Polen stehen Vinc. Pol, Ludwig Kondratowio, (pseudonym Wlad. Syrolomla) u. die Dichtern. Deotyma, die Polnische Korinna, in Bezug auf Reichthum an Phantasie in erster Reihez an dieselben schlutzen sich die Frauen Ilnicka u. Pruszak, sowie Waclar Szymanowski, u. Apollon Korzeniowski. Als Epiker Lyriker machte sich auch Jos. Ignaz Kraszewski bekannt. Die nationale polnische dramatische Literatur wird durch Korzeniowski u. den. Grafen Alex. Fredro in Lemberg vertreten; als Übersetzer Schillerscher Dramen ist Joh. Nep. Kaminski u. als Übersetzer Shakespearels Holowinski zu nennen. Mit Lustspielen wurde die polnische Bühne lange Zeit hindurch von Al. Zolkowski u. L. A. Dmuszewski versehen; Letzter verfaßte auch die besten Melodramen. Die neuere Romantische Schule hat zwar viele Dramen gedichtet, doch eignen sich dieselben meist nicht zur Aufführung; dahin gehören die Stücke von Magnuszewski (gest. 1845), J. J. Kraszewski, Odyniec, Slowacki, Alex. Przezdziecki, Chodzkiewic, Niemcewicz, Walicki, Siemienski u. And. Der Roman war bis gegen Ende des 18. Jahrh. in Polen nicht heimisch; Alles, was etwa auf dem Gebiete der sogenannten Schönen Prosa erschien, entbehrte durchaus des nationalen Gepräges. Auch die Familienromane aus den ersten Decennien des 19. Jahrh., wie die sonst gelungene Malwina (1816) der Herzogin von Württemberg, einer geborenen Fürstin Czartoryiska, der Roman Julia i Adolf (1824) von L. Kropinski u. Die unkluge Ehe (Nieroz sadne sluhy, 1824) von Felix Bernatowicz (starb 1836), waren nur ein Echo der deutschen sentimentalen Romane à la La fontaine u. konnten sich bei dem Nationalcharakter der Polen nicht lange in der Mode erhalten. Desto größeren Beifall fand der historische Roman. Der Erste, bei welchem die von Walter Scottangeschlagene Saite in Polen ihren Wiederhall fand, war Julian Ursin Niemcewicz aus Lithauen (st. 1841). Hierauf wendete sich auch Bernatowicz diesem Genre zu, welcher mit dem Grafen Friedr. Skarbek für den besten polnischen Romandichter vor Michael Czajkowski galt. Letzter, der Emigration angehörig, hat sich durch seine Darstellungen aus dem ukrainischen Leben unter seinen Landsleuten die Palme errungen. Von seinen Vorgängern u. Zeitgenossen sind noch als Verfasser historischer nationaler Romane zu erwähnen: Franz Wenzyk, St. Jaszowski, Constantin Gaszynski, Franz Nowowiejski, der Dichter Krasinski, A. Kosinski, Jezierski, Michael Grabowski, pseudonym Edward Tarszi u. v. And. Eine beliebte Romanschriftstellerin für Damen war Clem. Hofmannowa geb. Tanska. Unter den Frauen machten sich noch Eleon. Ziewiezka u. Gräfin Anna Nakwaska (st. 1852) bekannt. Der fruchtbarste Romanschriftsteller der jungen Zeit ist J. J. Kraszewski zu Omelno bei Wilna; von andern Koryphäen der polnischen Belletristik haben Jos. Korzeniowski, H. Rzewuski, J. Chodzko u. Sigm. Kaczkowski auch Romane geliefert; ferner Wlodz. Wolski, Alex. Niewiarowski, Thadd. Padalica, A. Nowosielcki, Ad. Plug, Kas. Bujnicki, Wilczynski, Tripplin, Groza, Prusinowski, Cieszkowski, Wieniarski, Gregorowicz, Kunicki, die Damen Smlgletska u. Pauline Wilkonska. Treffliche Novellen verfaßte unter And. auch L. Siemienski, einer der besten polnischen Erzähler. Als Humoristen stehen unter And. Placyd Jankowski, pseudonym John of Dycalp, u. Korzeniowski in Ansehen. Vortreffliche Schilderungen aus dem Volksleben Polens in älterer u. neuerer Zeit lieferten außer mehren der schon genannten Romanschriftsteller, deren Werke mehr od. minder reich an dergleichen sind, z.B. Heinr. Rzewuski, K. W. Woycicki, der thätigste u. vorzüglichste in diesem Genre, u. Lucyan Siemienski, auch Ignaz Chodzko, Kraszewski, Alex. Przezdziecki, Graf Ed. Raczynéki, J. L. Jucewicz.
Die neue Richtung in der Literatur, welche sich zuerst auf dem Boden der Poesie offenbarte, fing auch bald an, sich auf andern Gebieten zu zeigen. So in der Geschichte, wo Joachim Lelewel (s.d.) der erste[305] eigentlich polnische Geschichtschreiber, eine neue Ära beginnt; neben u. nach ihm wirkten G. S. Bandtke, Maciejowski, Graf Ed. Raczynski u. Graf Plater als Beförderer der historischen u. geographischen Forschung über Polen. Viele statistische Schriften veröffentlichte Surowiecki (gest. 1827); Goloblowski, Siarczynski, Zoryan Chodakowski lieferten schätzbare Beiträge zur Geschichte Polens u. des Slawenthums überhaupt. Lelewel hat durch seine populären Geschichtswerke unendlich viel für Wirkung des nationalen Sinns gethan; seiner Richtung folgte Luc. Siemienski. Als Geschichtschreiber Lithauens hat sich vor allen Narbutt in Wilna verdient gemacht; der Bibliothekar Lukaszewicz in Posen hat Beiträge zur Geschichte der Protestantischen Kirche in Polen geliefert. Als Rechtshistoriker hat sich Alex. Maciejowski einen europäischen Ruf erworben. Unter den Geschichtsschreibern der Revolution von 1830 sind Mochnacki, Wrotnowski u. Karl Alex. Hoffmann hervorzuheben. Beachtung verdienen die historisch-publicistischen Arbeiten mehrer Emigranten, wie z.B. Mieroslawski's (De la nationalité Polonaise dans l'équilibre européen, Par. 1856). In der Philosophie haben die Polen noch nichts Eigenthümliches u. Selbständiges geleistet. Im Mittelalter herrschte in Polen der Scholasticismus, später folgte man den Franzosen; erst seit drei od. zwei Decennien hat man deutsche Philosophie kennen gelernt u. an deutscher Art zu philosophiren Theil genommen. Zu erwähnen sind: Jankowski, der 1822 eine Logik herausgab; Ign. Zabellewicz, welcher das Krug'sche System übersetzte, Jos. Szaniewski, welcher der Kantschen Philosophie huldigte, die von Josef Sniadecki bekämpft wurde. Unter den neueren polnischen Denkern, welche sich in ihren Schriften theilweise jedoch auch der Deutschen Sprache bedienten, sind zu nennen: Joseph Goluchowski, welcher der Richtung Schellings folgt, Karl Liebelt, die Hegelianer Graf A. Cieszkowski u. Jos. Kremer, endlich Trenowski, welcher in mehren Werken die neuere deutsche Philosophie selbständig zu verarbeiten suchte, u.a. auch ein Werk über Erziehungslehre (Chowanna, 2. Aufl. 1846) verfaßte. In der klassischen Philologie haben die Polen nichts Bemerkenswerthes geleistet, indeß sind die Leistungen eines Grodek, Trojanski, Wanowski, C. C. Mrongovius u. And. auch in Deutschland beifällig aufgenommen worden. Für das Latein geschah noch das Meiste, so erschienen in neuerer Zeit lateinischen Wörterbücher von Zygmunt Weclewski (Posen 1851) u. L. Fl. Bobrowski (Wilna 1842, 2 Bde.). Schätzbar sind mehre Schriften Mecherzynski's, Historya jezyka lazinskiegow Polsce, Krakau 1833; Geschichte der Deutschen Sprache in Polen, 1844, etc. Unter den Orientalisten ist blos Alex. Chodzko in weiteren Kreisen bekannt geworden. Mehr thaten die Polen für ihre Sprache u. Literatur, über die Grammatiken u. Wörterbücher s. Polnische Sprache. Zahlreiche Sprachdenkmäler der älteren Literaturepochen wurden neu herausgegeben, sowie viel Fleiß auf die Sammlung von Volksliedern u. Volkssagen verwendet (s. oben). Die Literaturgeschichte' bestand lange Zeit hindurch in bloßen Biographien u. bibliographischen Angaben, so in den beiden Hauptwerken für polnische Bibliographie von Bentkowski (Hist. literatury polskiéj, Warsch. 1834, 2 Bde.) u. von Adam Jocher (Obruz bibliografiezno-historyczny literatury i nauk w Polske, Wilna 1832, 2 Bde., u. Aufl. ebd. 185659, Bd. 13). Ein biographisches Wörterbuch über die polnischen Dichter gab Chodyniczki (Lemb. 1833, 3 Bde.), der Graf Ossolinski schätzbare Wiadomosci hist.- kriticzne do dziejow literatury polskiéj, Krakau 181921, 4 Bde.) heraus. Von hoher Bedeutung sind Mickiewicz's Vorlesungen über Slawische Literatur (deutsch Leyd. 184344, 4 Bde.), denen sich die literarischkritischen Arbeiten von Mich. Grabowski u. J. J. Kraszewski anreihen. Andere vorzügliche Arbeiten über die polnische Literaturgeschichte lieferten Mich. Wiszniewski (Hist. literatury polskiéj, Krakau 184057, 10 Bde.), L. Lukaszewicz (Rys dziejow piśmiennictwa polskiego), 3 Aufl. Posen 1859, Kas. Wlad. Wojcicki (Hist. literatury polskiéj w zarysach, 2. Aufl. Warsch. 1861, 4 Bde.), I. Majorkiewicz (Literatura polska w rozwinięciu historyczném, 2. Aufl. ebd. 1850), Maciejowski (Hist. lit. polskiéj do konca 17go Wieku, ebd. 1848, 3 Bde.), L. Kondratowicz (Dzieje literatury w Polske, Wilna 1852, Bd. 1 u. 2); Beiträge zur Geschichte der P-n L. hat in neuester Zeit Mecherzynski geliefert. Obgleich nach der Revolution von 1830 sich vier verschiedene Gebiete für das literarische Leben der Polen bildeten, nämlich das Russische Polen, das Österreichische, das Preußische u. die Emigration, so behauptet Warschau doch noch immer die literarische Hegemonie über alle polnische Länder; die wichtigste kritische Zeitschrift daselbst ist die Bibliotheka Warszawska; daneben nehmen Wilna u. namentlich Posen lebhaften Antheil an der Erweiterung der Literatur, wenn auch letztre Stadt sichtbar unter deutschem Einfluß. Das Österreichische Polen producirt, trotz der beiden Universitäten Krakau u. Lemberg, wenig von Bedeutung. Dagegen erscheinen noch fortwährend, namentlich in Paris, eine ziemliche Anzahl von Schriften, doch meist in Französischer Sprache. Eine Übersicht der neuesten Erscheinungen der P-n L. gibt seit 1857 die zu Warschau erscheinende Bibliografia polska. In Deutschland hat sich noch Niemand mit der Bearbeitung der polnischen Literaturgeschichte beschäftigt.
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Herder-1854: Polnische Sprache und Literatur
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Pierer-1857: Polnische Meile · Polnische Maus · Polnische Mythologie · Polnische Wirthschaft · Polnische Sprache · Polnische Insurrectionen · Polnische Hummel · Polnische Königswahl · Polnische Leinen · Polnische Legion
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Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.
48 Seiten, 4.80 Euro
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro