Glimmer

[35] Glimmer (Mica, Mika, Katzengold, Katzensilber), Mineralien, meist deutlich kristallisiert in monoklinen Tafeln und Prismen von hexagonalem oder rhombischem Umriß, ausgezeichnet durch eine sehr vollkommene Spaltbarkeit nach der Tafelfläche oder Endfläche (Basis) dieser Kristalle, so daß sie in ungemein seine, meist elastisch biegsame Lamellen zerteilt werden können. Neben der Hauptspaltbarkeit findet sich an vielen als Gesteinsgemengten und in Zonen ehemaligen starken Gebirgsdrucks vorkommenden Glimmern noch eine Absonderung nach drei nicht sehr glänzenden, gegen die Basis unter etwa 114° geneigten Flächen (Druck- oder Gleitflächen), durch die der G. oft in dreiseitige pyramidale Gestalten vom Aussehen rhomboëdrischer Kristalle zerteilt wird. Man erhält diese Gleitflächen auch in der sogen. Druckfigur, die entsteht, wenn man die Spaltblättchen mit einem gerundeten Stifte stark drückt. Leichter als die Druckfigur entsteht durch rasches Eintreiben einer Spitze in das Spaltungsblatt die sogen. Schlagfigur, ebenfalls ein sechsstrahliger Stern, dessen Strahlen aber die Winkel zwischen den Strahlen der Druckfigur halbieren und bei allen Glimmermineralien so gelegen sind, daß der eine oft etwas längere Strahl, der sogen. Leitstrahl, einer Trennung nach dem Klinopinakoid (der Symmetrieebene) entspricht. Die Spaltungsblättchen aller G. zeigen im Polarisationsinstrument deutlich den Austritt der optischen Achsen; letztere liegen aber bei einigen Glimmern der Biotitreihe so[35] nahe beieinander, daß man sie früher als optisch einachsig (und demgemäß als hexagonal) ansah. Die Ebene der optischen Achsen steht nahezu senkrecht zu der Basis und verläuft bei der einen Art der G. (bei den normalen Biotiten und Phlogopiten) zugleich parallel der Symmetrieebene (G. zweiter Art), während sie bei der andern Art der G. (bei dem anomalen Biotit, den man wegen dieses von dem der gewöhnlichen Biotite abweichenden Verhaltens als Anomit bezeichnet hat, sowie bei den Alkali- und den Kalkglimmern) auch zugleich zu der Symmetrieebene senkrecht steht (G. erster Art). Die G. besitzen durchweg geringe Härte, meist 2–3, ein spez. Gew. von 2,7–3,2. In chemischer Beziehung sind die G. Alkalitonerdesilikate mit mehr oder weniger Magnesia; nach Tschermak isomorphe Mischungen eines Alkalitonerdesilikats (K, H) AlSiO4 (wie es rein in manchen Muskoviten vorliegt) oder (Na, H) AlSiO4 (Formel des Paragonit) mit dem Olivinsilikat Mg2SiO4. Unter den Alkalien ist Kali bei weitem verbreiteter als Natron oder Lithion, die Kaliglimmer sind also häufiger als die Natronglimmer und Lithionglimmer. Bei den Magnesiaglimmern oder Biotiten ist ein Teil der Magnesia in der Regel durch Eisenoxydul, seltener durch etwas CaO oder BaO vertreten; für Tonerde Al2O3 tritt zuweilen Eisenoxyd Fe2O3 ein. In manchen Glimmern, zumal in den Lithionglimmern und in den sogen. Phlogopiten, ist Fluor nachgewiesen. Von allen Glimmern wird bei starkem Glühen Wasser abgespalten; dieses ist als Konstitutionswasser, Kali oder Natron etc. vertretend, vorhanden. Man teilt die G. jetzt in der Regel in folgender Weise ein:

Tabelle

Die G. sind wesentliche Bestandteile mannigfacher Eruptivgesteine, kristallinischer Schiefer und mancher Sedimentgesteine. Sie sind teils primären, teils, wie in den Hornfelsen und Serizitschiefern, sekundären Ursprungs. Die künstliche Darstellung der Biotite und Phlogopite (nicht aber der Muskovite) ist mehrfach gelungen.

Biotit (sogen. optisch einachsiger G., Magnesiaglimmer) in ein- oder ausgewachsenen Kristallen, besonders aber in schaligen, körnig-blätterigen und schuppigen Aggregaten, meist sehr dunkel, grün, braun, schwarz, mit starkem metallartigen Perlmutterglanz, gewöhnlich durchscheinend bis undurchsichtig, mit sehr kräftigem Pleochroismus und zuweilen Asterismus. Man unterscheidet als Biotite zweiter Art den sehr verbreiteten Meroxen und Lepidomelan, als Biotit erster Art den dem Meroxen ganz ähnlichen Anomit. Meroxen schmilzt meist schwer, wird von Salzsäure wenig angegriffen, von konzentrierter Schwefelsäure völlig zersetzt, findet sich als wesentlicher oder akzessorischer Bestandteil in vielen Eruptivgesteinen und kristallinischen Schiefern. Bei Zersetzung zerfällt er häufig in seine goldgelb gefärbte Schuppen (Katzengold). Schöne Kristalle in Silikatauswürflingen der Somma, des Albanergebirges und Laacher Sees. Ein zersetzter braunroter bis ziegelroter Meroxen ist der Rubellan, in undurchsichtigen, spröden Tafeln in Basaltlaven und Tuffen. Der Lepidomelan ist ein schwarzer, sehr eisenreicher, durch Salzsäure leicht zersetzbarer Biotit vom Persberg in Wermland und in manchen Harzer, schottischen und irischen Graniten und Gneisen.

Phlogopit, dem Biotit sehr ähnlich, aber rotbraun, fast eisenfrei, findet sich in körnigen Kalken und Dolomiten. Zinnwaldit (Lithionit, Rabenglimmer, Lithionglimmer zum Teil), mit 4–8 Proz. Fluor, 8–15 Proz. Eisenoxydul, 1–5 Proz. Lithion, grau, braun oder dunkelgrün, findet sich häufig in deutlichen Kristallen auf Zinnerzlagerstätten im Erzgebirge und in Cornwall.

Lepidolith (Lithionglimmer zum Teil), selten in deutlichen Kristallen, meist nur derb in feinkörnig schuppigen Aggregaten, pfirsichblüt- bis rosenrot oder grau und grünlich, ist chemisch Fl2(Li,K)2Al2Si3O9, schmilzt wie der Zinnwaldit leicht zur weißen Perle und wird von gewöhnlichen Säuren nicht angegriffen. Findet sich zuweilen in Granit und granitischen Gängen bei Rozna in Mähren,-bei Penig, Utö in Schweden, bei Jekaterinenburg etc.

Muskovit (optisch zweiachsiger G. zum Teil), in ein- und aufgewachsenen Kristallen, häufig in schaligen, schuppigen, auch dichten Aggregaten, farblos, weiß, grau, gelbgrün, mit metallartigem Perlmutterglanz (Katzensilber), durchsichtig bis durchscheinend. Seine chemische Zusammensetzung entspricht im allgemeinen der Formel H4K2Al6Si6O24. Muskovit schmilzt ziemlich schwer zu einer grauen oder gelblichen Perle und wird von Salz- oder Schwefelsäure nicht angegriffen. Er verwittert schwer, geht aber aus sehr vielen Silikaten, wie Orthoklas, Andalusit, Cordierit etc., durch Verwitterung hervor und erscheint zuweilen in Pseudomorphosen nach diesen. Muskovit findet sich sehr verbreitet als Gemengteil der kristallinischen Schiefer (Gneis, Glimmerschiefer), Phyllite und vieler Sedimentgesteine, besonders gut kristallisiert in Drusen oder in großkörnigen Ausscheidungen der Granite (Pegmatite), Gneise etc., so z. B. am St. Gotthard, auf Utö, bei Falun, in Finnland, Cornwall, am Ural, in Sibirien, Nordamerika etc. Der dichte Muskovit (Sericit, Damourit) ist seidenglänzend (daher der Name Serizit), talkartig, fettig anzufühlen, grün bis gelblichweiß und bildet, mit sein verteiltem Quarz gemengt, einen wesentlichen Bestandteil der Protogine, Serizitschiefer und Serizitgneise etc.

Paragonit (Natronglimmer), die dem Muskovit entsprechende Natronverbindung H4Na2Al6Si6O24, nur in feinschuppigen bis dichten Aggregaten, gelblichweiß, apfelgrün, mit schwachem Perlmutterglanz, ist ein wesentlicher Gemengteil des Paragonitschiefers, am Monte Campione in Tessin, im Pfitsch- und Zillertal, auf Syra, am Ural, Obern See.

Zu dem G. gehört auch der Margarit (Perlglimmer, Kalkglimmer), in dünnen Tafeln und in körnig-blätterigen oder lamellaren Aggregaten, sehr vollkommen spaltbar nach der Basis, aber spröde und in Lamellen leicht zerbrechlich, Härte 3,5–4,5, spez. Gew. 2,99–3,10, weiß, rötlichweiß, perlgrau, stark perlmutterglänzend, durchscheinend, in dünnen [36] Lamellen durchsichtig. Seine chemische Zusammensetzung entspricht der Formel H2CaAl4Si2O12, er enthält aber immer noch etwas Natron (2 Proz.), Eisenoxyd, Magnesia und Fluor; schmilzt schwer, wird aber von Säuren angegriffen. Er findet sich neben Korund und Schmirgel auf Naxos und Kleinasien, auch in Nordamerika sowie im Chloritschiefer am Greiner in Tirol.

G. dient, aber nur in seinen großblätterigen, durchsichtigen Varietäten (Muskovit und Phlogopit), wie sie sich besonders im Granit (und zumal auf Pegmatitgängen) im Ural (bei Jekaterinburg, Alabaschka, Mursinsk, Ilmensee), in Sibirien, in Ostindien (bei Hazaribagh in Bengalen, Mysore etc. im Pandschab), m Nordamerika (Glimmergruben bei Acworth und Grafton in New Hampshire, in New York bei Warwick), in Maryland bei Howard etc., in Nordcarolina, in den Black Hills in Süddakota, in Colorado, New Mexico, in Kalifornien etc., auch in Kanada, in Brasilien (Gruben bei Santa Lucia de Carangola in Mines Geraes etc.), auch in Deutsch-Ostafrika (in den Ulugurubergen), in Grönland etc. finden, zu verschiedenen Zwecken, so zu Feuertüren, um das Feuer fortwährend beobachten zu können, zu Fensterscheiben in Peru und in Sibirien, in Maschinenwerkstätten und auf Kriegsschiffen, zu Lampenzylindern, Schutzbrillen, Kompaßhäuschen, als Lichtrosetten, zu Deckgläsern und Objektträgern in der Mikroskopie, in mattgeschliffenen Platten zum Verdecken von Kronleuchtern und als Reflektoren, wozu sie sich ihrer Leichtigkeit wegen besonders eignen. Aus Glimmerabfällen stellt man Streusand, nach dem Auskochen mit Salzsäure und Auswaschen Glimmerbrokate her, die zu Granittapeten, Galanteriewaren etc., gefärbt und ungefärbt, benutzt werden. Auch in der Elektrotechnik erfährt der G. ausgedehnte Verwendung. In seiner geringen Durchschlagsfähigkeit (ein nur 0,088 mm dickes Glimmerblatt wird noch nicht einmal von einem Wechselstrom von 10,000 Volt durchschlagen) übertrifft er alle bekannten Stoffe und eignet sich daher in hohem Grad als Isolator. Nur durch die in ihm vorkommenden Flecke und Streifen wird seine Isolationsfähigkeit mehr oder minder beeinträchtigt. Deshalb stellt man aus kleinen Glimmerblättchen mittels eines Klebestoffes ein den natürlichen G. ersetzendes Material und aus diesem Isolationskörper in beliebiger Größe und Form her. Die Verwendung dieses Kunstglimmers (Mikanit) ist jedoch dadurch beschränkt, daß seine Wärmebeständigkeit nur bis höchstens 90° ausreicht, während Naturglimmer erst bei außerordentlich hoher Temperatur schmilzt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 35-37.
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