[122] Landschaften (landwirtschaftliche Kreditvereine) sind örtlich abgegrenzte Verbände von Gutsbesitzern, die ihren Mitgliedern durch Ausgabe von Pfandbriefen unter solidarischer Haftung Hypothekendarlehen zu billigen Bedingungen gewähren. Die erste Landschaft war die Schlesische, 1769 und 1770 gegründet, um die in Kriegszeiten verschuldeten Rittergutsbesitzer, die nur noch zu sehr hohen Zinsen hypothekarische Darlehen bekommen konnten, vor dem Ruin zu bewahren. Ein Kaufmann Bühring in Berlin hatte 1767 den ersten Plan entworfen, auf den Antrag des Großkanzlers v. Carmer wurden 1769 sämtliche ritterschaftliche Güter der Provinz Schlesien unter dem Namen »Schlesische Landschaft« zu einer Zwangsgenossenschaft für den Immobiliarkredit vereinigt; unterm 9./15. Juli 1770 wurde das Schlesische Landschaftsreglement erlassen. Der Wert jedes Gutes wurde nach bestimmten Taxgrundsätzen ermittelt. Bis zur Hälfte des Wertes erhielt der Besitzer auf den Inhaber lautende Hypothekenbriefe (Pfandbriefe), für die sein Gut haftete, die Landschaft (d.h. der gesamte Grundbesitz des Kreditvereins) aber Bürge war und die Zinsen an den Gläubiger zahlte. Der Schuldner zahlte die Zinsen mit einem Zuschlag für die Verwaltungskosten an die Landschaft. Durch Verkauf der auf geringere Summen ausgestellten Pfandbriefe verschaffte sich der Grundbesitzer das nötige Kapital. Auf diese Weise wurden Wertpapiere geschaffen, die eine große Sicherheit boten, als Inhaberpapiere aber viel beweglicher als die gewöhnlichen, auch die sichersten Hypothekenbriefe waren und Börsenpapiere wurden. Später wurden die individuellen Pfandbriefe landschaftliche Pfandbriefe, für welche die Gesamtheit der in der Landschaft vereinigten Güter solidarisch haftete. Nach dem Vorbilde der Schlesischen Landschaft entstanden später auch in andern Provinzen L. Ursprünglich umfaßte jede Landschaft nur die zur Ritterschaft gehörigen Güter. Später haben einzelne L. auch auf bäuerliche Güter den Verband ausgedehnt oder für diese besondere landwirtschaftliche Grundkreditvereine gegründet. Bei den L. besteht nunmehr der frühere Beitrittszwang nicht mehr. Sie geben ihren Mitgliedern entweder hypothekarische Darlehen und verschaffen sich die Mittel hierfür durch Ausgabe von verzinslichen Pfandbriefen, für welche die Güter aller Mitglieder der Landschaft haften, oder sie geben das Darlehen in Pfandbriefen und überlassen deren Verkauf dem Schuldner. Die Darlehen sind unkündbar; eine Verpflichtung zur Amortisation, die den ältern Reglements fremd war, ist jetzt allenthalben, wenn auch in verschiedenem Umfang, eingeführt. Die Summe der Pfandbriefe darf den Betrag der Hypothekenforderungen nicht übersteigen. Jede Landschaft hat ihre besondern Prinzipien, nach denen sie die zu beleihenden Güter abschätzt, und nach denen sie die Höhe des zu gewährenden Darlehns bemißt. Die L. sind staatlich konzessioniert, stehen unter Staatsaufsicht, verwalten aber im übrigen ihre Angelegenheiten selbständig; die Mitglieder wählen aus sich ihre Vertretungskörper, die dann wieder die mit der Verwaltung der Landschaft sowie die mit dem Taxationsgeschäft zu betrauenden Personen zu bestimmen haben. Die Abschätzung der zu beleihenden Güter erfolgt von angesessenen, ortskundigen Landwirten, die als solche ein Interesse daran haben, daß das berechtigte Kreditbedürfnis nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften befriedigt wird, die aber anderseits als Mitglieder der Landschaft bestrebt sein müssen, zu verhüten, daß die Landschaft nicht durch übermäßige Kreditgewährung Verluste erleidet. Da die landschaftliche Taxe eine Kredittaxe ist, so ist der bei ihr ermittelte Gutswert in der Regel niedriger als der Verkaufswert, im Durchschnitt um ein Drittel, zuweilen noch mehr. Namentlich blieben in frühern Zeiten die Taxen erheblich hinter dem wirklichen Wert zurück; doch hat sich dies in neuerer Zeit in einigen L. ziemlich ausgeglichen. Schon bei der ersten Errichtung wurde den L. das Recht eingeräumt, ohne gerichtliche Ausklagung die Zwangsvollstreckung in das verpfändete Grundstück herbeizuführen. Dies ist durch Gesetz vom 3. Aug. 1897 auf alle öffentlichen Kreditanstalten ausgedehnt und gegen früher noch erweitert worden, indes kommen die durch dieses Gesetz gewährten Vollstreckungsrechte nach dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (1. Jan. 1900) nur den zu dieser Zeit bereits vorhandenen Kreditanstalten zu.
In Preußen bestehen zurzeit folgende L., resp. den L. nachgebildete Kreditanstalten: 1) die Schlesische Landschaft, seit 1770. Königliche Erlasse von 1867 und 1872 gaben ihr das Recht, auch die nicht landschaftlich inkorporierten Güter zu beleihen, sofern dieselben einen Grundsteuerreinertrag von mindestens 30 Mk. (seit 1895: 15 Mk.) gewähren und einen Kredit von mindestens 150 Mk. rechtfertigen. Vgl. v. Görtz, Die Verfassung und Verwaltung der schlesischen Landschaft (4. Aufl., Bresl. 1907). 2) Die Kur- und Neumärkische Landschaft (Ritterschaft), seit 1777, für die ritterschaftlichen Güter der Kurmark und Neumark. Daneben entstand 1869 die Neue Brandenburgische Kreditanstalt unter Verwaltung der Haupt-Ritterschaftsdirektion für die vom ritterschaftlichen Verband ausgeschlossenen Güter der Kurmark und Neumark, die einen Grundsteuerreinertrag von ursprünglich mindestens 150, jetzt 100 Mk. aufweisen. 3) Die Pommersche Landschaft, seit 1781, für bestimmte, einst adlige Güter. 1871 wurde daneben der Pommersche Land-Kreditverband (jetzt Neue Pommersche Landschaft) gegründet für die nicht zur Landschaft gehörigen Güter, die einen Grundsteuerreinertrag von mindestens 240 Mark gewähren. 4) Die [122] Westpreußische Landschaft, seit 1787, für ehemals adlige Güter. Als besondere, für andre Güter der Regierungsbezirke Marienwerder und Danzig mit landschaftlichem Taxwert von 45,000 Mark bestimmte Kreditanstalt wurde daneben 1861 die Neue Westpreußische Landschaft errichtet. 5) Die Ostpreußische Landschaft, seit 1788. Im J. 1808 erhielt sie die Befugnis, ihre Wirksamkeit auch auf bäuerliche Güter mit einem Wert von mindestens 1500 Mk. auszudehnen. 6) In der Provinz Posen wurde 1821 die Posensche Landschaft für die adligen Güter des Großherzogtums Posen mit einem Taxwert von mindestens 15,000 Mk. errichtet, die ihr erteilte Konzession erreichte 1877 ihr Ende und wurde nicht wieder erneuert. 1857 aber wurde neben jener der Neue Kreditverein für die Provinz Posen gebildet, der seine Wirksamkeit ursprünglich nur auf die nicht zur alten Landschaft gehörigen Güter mit einem Taxwert von mindestens 15,000 Mk. erstreckte, dieselbe später aber auch auf jene Güter ausdehnte, jetzt auf alle Güter mit Taxwert von mindestens 6000 Mk. 7) Der landschaftliche Kreditverband der Provinz Sachsen, jetzt Landschaft der Provinz Sachsen, seit 1864, für alle in der Provinz gelegenen land- oder forstwirtschaftlich benutzten Grundstücke mit einem Grundsteuerreinertrag von mindestens 150 Mk. 8) Die landschaftliche Kreditanstalt für das Markgrafentum Ober- und Niederlausitz, seit 1865, für alle im Bezirk belegenen Güter, die einen landschaftlichen Taxwert von mindestens 300 Mk. haben. 9) Die Landschaft der Provinz Westfalen, seit 1877, für land- oder forstwirtschaftlich benutzte Grundstücke mit einem Grundsteuerreinertrag von mindestens 150 Mk. 10) Der landschaftliche Kreditverband für die Provinz Schleswig-Holstein, jetzt Schleswig-Holsteinsche Landschaft, seit 1882, ebenfalls für land- oder forstwirtschaftlich benutzte Grundstücke mit einem Grundsteuerreinertrag von mindestens 150 Mk. 11) In der Provinz Hannover drei für ritterschaftliche Güter: a) das ritterschaftliche Kreditinstitut für das Fürstentum Lüneburg, seit 1790; b) der Kalenberg-Grubenhagen-Hildesheimsche ritterschaftliche Kreditverein, seit 1825, neu organisiert 1. Sept. 1864; c) der Bremen-Verdensche ritterschaftliche Kreditverein, seit 1826, reorganisiert 4. März 1856. Außer diesen landschaftlichen Kreditvereinen bestehen noch in Hannover, Hessen-Kassel und Nassau Landeskreditkassen für den landwirtschaftlichen Immobiliarkredit als Provinzial-resp. Kommunalanstalten. Von den preußischen Provinzen hat nur die Rheinprovinz keine Kreditanstalt der einen oder andern Art. Acht L. (die westpreußische, die neue westpreußische, die kur- und neumärkische, die neue brandenburgische, die pommersche, der pommersche Land- und Kreditverband, die für die Ober- und Niederlausitz, die für die Provinz Sachsen) haben sich 21. März 1873 zu einer Zentrallandschaft vereinigt. Von dieser ist die neue westpreußische Landschaft inzwischen aus-, dafür aber die schleswig-holsteinsche eingetreten. Die Zentrallandschaft stellt nach Wunsch der Darlehnsnehmer anstatt der Pfandbriefe der einzelnen L. zentrallandschaftliche Pfandbriefe aus. Einige L., so die von Ost- und Westpreußen, betreiben als Nebengeschäft die Feuerversicherung; eine größere Anzahl von L. hat Darlehnskassen, also Personalkreditinstitute, errichtet, die, in erster Linie ihren Mitgliedern, vorübergehende Kredite gegen Wechsel oder Verpfändung von Wertpapieren und Hypotheken gewähren.
In den außerpreußischen deutschen Staaten sind landschaftliche Kreditanstalten nach Art der preußischen L. wesentlich nur in Sachsen entstanden; dort bestehen 1) der erbländische ritterschaftliche Kreditverein, seit 1844; 2) die landständische Bank des königlich sächsischen Markgrafentums Oberlausitz, in ihrer heutigen Gestalt seit 1847; 3) der landwirtschaftliche Kreditverein, seit 1866. Außerdem gibt es noch in Mecklenburg eine Landschaft für Rittergüter, seit 1818, und in Braunschweig eine Landschaft, der ritterschaftliche Kreditverein, seit 1862. Auch der württembergische Kreditverein von 1826 ist wohl hierher zu rechnen. Nach dem Muster der ältern L. wurden solche auch 1803 in den russischen Ostseeprovinzen gegründet. Auf ähnlicher Grundlage wie die L. stehen Grundbesitzervereinigungen, die in der Form reiner Privatgesellschaften oder Genossenschaften das Pfandbriefgeschäft betreiben und hierbei wegen des Privilegiums zur Ausgabe von Inhaberpapieren der Staatsaufsicht unterstellt wurden, so der Danziger Hypothekenverein von 1868, die Stettiner National-Hypothekenkreditgesellschaft von 1870, die bayrische landwirtschaftliche Bank von 1896. S. auch »Kredit, landwirtschaftlicher«, S. 616, u. die Literatur hierzu, sowie Kohlschütter, Über landschaftliche Kreditsysteme im »Archiv für politische Ökonomie«, neue Folge, Bd. 1, 1843); v. Bülow-Cummerow, Über Preußens landschaftliche Kreditvereine (2. Aufl., Berl. 1843); Hermes, Artikel »Landschaften« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften« (Bd. 5, 2. Aufl., Jena 1900); Franz, Die landschaftlichen Kreditinstitute in Preußen (Berl. 1902).
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