Lincoln [3]

[562] Lincoln (spr. lingkön), Abraham, Präsident der Vereinigten Staaten von Nordamerika, geb. 12. Febr. 1809 in Hardin County (Kentucky), gest. 14. April 1865 in Washington, siedelte 1816 mit seinen Eltern nach Spencer County in Indiana über und ward von denselben bloß mit ländlichen Arbeiten beschäftigt. Nur sechs Monate lang genoß er Schulunterricht. 1830 ließ er sich mit seinen Eltern zu Macon County in Illinois nieder, baute ihnen das erste Blockhaus, das noch vorhanden ist, und nahm 1832 an dem Kriege gegen den Schwarzen Falken, einen Indianerhäuptling, in einer Freiwilligenkompanie teil, die ihn zu ihrem Hauptmann wählte. Hierauf bekleidete L. die Stelle eines Postmeisters in Neusalem. Daneben machte er sich mit der Rechtswissenschaft und der Feldmeßkunst bekannt. Von 1834–40 ward er alljährlich in die Legislatur seines Staates gewählt. 1836 ließ er sich in Springfield als Rechtsanwalt nieder und galt bald für einen der gewandtesten Verteidiger in schwierigen Rechtsfällen. Im Dezember 1847 in das Repräsentantenhaus gewählt, stimmte er für eine weite Auslegung der Rechte der Unionsregierung den Einzelstaaten gegenüber und vor allem für die Aufhebung der Sklaverei. Schon auf dem republikanischen Nationalkonvent von 1856 versuchten die Abgeordneten von Illinois seine Kandidatur für die Vizepräsidentschaft durchzusetzen, drangen jedoch nicht durch; ebenso unterlag er 1858 bei der Senatorenwahl in Illinois. Da er sich aber als einen ebenso geschickten wie mutigen Gegner der Sklaverei erwies, wurde er im Mai 1860 von der republikanischen Versammlung in Chicago als Präsidentschaftskandidat aufgestellt und 6. Nov. von den Stimmen aller Nichtsklavenstaaten mit Ausnahme New Jerseys anerkannt. Diese Wahl gab den Südstaaten Anlaß zum Abfall von der Union. L. selbst entging auf seiner Reise nach Washington im Februar 1861 nur mit Mühe einem Mordanfall. In der Rede, mit der er 4. März 1861 das Präsidium antrat, sprach er zwar den Südstaaten das Recht ab, aus der Union auszuscheiden, suchte sie aber zu beruhigen. Doch der Angriff derselben auf Fort Sumter 13. April gab das Signal zum Ausbruch des Bürgerkriegs. Am 15. April erließ L. seinen ersten Ausruf für 75,000 Freiwillige, bewahrte auch in den Zeiten höchster Gefahr unerschütterlichen Mut und zäheste Ausdauer und wußte diese Eigenschaften auch der Nation einzuflößen. Nachdem er einmal die Abschaffung der Sklaverei als den Preis des Sieges verkündet, führte er den Krieg mit großer Tatkraft trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten fort, getragen von der begeisterten Anhänglichkeit des Volkes. Er ward daher 1864 aufs neue als Kandidat für die Präsidentschaft ausersehen und erhielt die Stimmen fast aller an der Wahl teilnehmenden Staaten. Am 4. März 1865 erfolgte sodann sein zweiter Amtsantritt. Nach dem Fall von Richmond 3. April hielt L. unter dem begeisterten Jubel der Schwarzen seinen Einzug in die ehemalige Hauptstadt der südlichen Konföderation. Allein L. überlebte diesen glorreichen Augenblick nur um wenige Tage, indem am Abend des 14. April der Schauspieler I. Wilkes Booth, ein fanatischer Südländer, dem Leben des Präsidenten durch einen Pistolenschuß ein Ende machte. Lincolns Leiche wurde in feierlichem Zug unter allgemeinster Teilnahme des Volkes nach Springfield in Illinois gebracht und dort auf einem der Nation gehörigen Grundstück beigesetzt. L. war von unbestechlicher Redlichkeit, großer Bescheidenheit und unerschütterlicher Festigkeit des Willens; er hatte einen klaren Verstand und treffendes Urteil, dabei Witz und Humor in der Unterhaltung. Er war seit Washington der volkstümlichste, gefeiertste Mann, dessen Andenken kein Fleck trüben konnte. Am 14. April 1876 wurde sein Standbild in Washington feierlich enthüllt. Seine gesammelten Werke wurden von Nicolay und Hay herausgegeben (New York 1894, 2 Bde.). Von den zahlreichen Biographien Lincolns sind hervorzuheben die von Raymond (New York 1866), J. G. Holland (1866; 2. Aufl., das. 1887), Lamon (Boston 1872), Stoddard (New York 1884), J. N. Arnold (Chicago 1885), Thayer (deutsch, Gotha 1885), Herndon u. Weik (New York 1892, 2 Bde.), K. Schurz (Boston 1892), Morse (das. 1893, 2 Bde.), Oberholtzer (Philad. 1904). Vgl. auch Bancroft, Memorial [562] adress of the life and character of A. L. (New York 1866); »Reminiscences of A. L., by distinguished men of his time« (hrsg. von Rice, das. 1886); Chittenden, Recollections of president L. and his administration (das. 1890); Nicolay u. Hay, A. L., a history (das. 1890, 10 Bde.); Harris, The assassination of L. (Boston 1892); Barrett, Abr. L. and his presidency (Cincinnati 1903–04, 2 Bde.). – Lincolns einziger Sohn, Robert Todd L., geb. 1843, nahm noch am Bürgerkrieg teil, ließ sich dann in Chicago als Advokat nieder, war 1881–85 unter Garfield Kriegsminister und 1889–93 unter Harrison Gesandter in England.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 562-563.
Lizenz:
Faksimiles:
562 | 563
Kategorien: