Nase [1]

[429] Nase (Nasus), das Riechwerkzeug der Wirbeltiere, im weitern Sinn und sprachlich weniger gut soviel wie Riechwerkzeug (s. d.) überhaupt. Nur bei den Rundmäulern ist die N. eine unpaare Grube (Riechgrube) am Kopf, in der die Haut zur Aufnahme der Geruchsempfindungen umgewandelt ist (s. unten) und mit dem Riechnerv in Verbindung steht. Bei den übrigen Wirbeltieren ist sie paarig, aber auch bei fast sämtlichen Fischen noch einfach grubenförmig. Die Haifische haben zwei ziemlich weit voneinander gelegene Nasen; von jeder verläuft eine Rinne zum Mundwinkel derselben Seite; diese Rinne ist bei den Amphibien zu einem geschlossenen Kanal geworden, der von der N. in den Mund führt und hier mit der sogen. innern Öffnung der N. endet. Bei den höhern Wirbeltieren liegt die N. nur zur Embryonalzeit in Form der beiden Riechgrübchen oberflächlich, wird jedoch schon sehr bald in die Tiefe versenkt und liegt dann den obern Teilen der Mundhöhle an, durch eine wagerechte Wand von ihr getrennt. In den Nasenhöhlen ist nur die innere Partie zum Riechen befähigt, die mit Sinnesepithel (Riechzellen) versehene Geruchsregion, an der sich der Riechnerv ausbreitet; das äußerste, meist hervorragende Stück hingegen dient als Atmungsregion lediglich dem Durchgang der Luft. Diese gelangt aus der N. durch die nun gleichfalls doppelten innern Öffnungen (Choanen, Nasenrachengang) des Nasenkanals in die Mundhöhle (und zwar in den hintern Teil, den Rachen) und von dort aus in die Lungen. Die Bedeudung dieses Weges der eingeatmeten Luft besteht darin, daß die oft trockne und kalte Einatmungsluft, indem sie über die feuchte, blutreiche und daher warme Nasenschleimhaut streicht, mit Wasserdampf sich sättigt und so weit sich erwärmt, daß sie mit der zarten innern Oberfläche der Bronchien und der Lungen in Berührung treten kann, ohne einen schädlichen Reiz auszuüben. Zugleich wirkt die mit kleberigem Schleim überzogene Nasenschleimhaut auf die staub- und bakterienhaltige Einatmungsluft wie ein Filter, indem sie solche feste Teilchen zurückhält und allmählich durch Vermittelung des sie überziehenden Flimmerepithels nach außen fortschafft. Bei den Reptilien, noch mehr aber bei den Vögeln und Säugetieren, wird die Innenfläche der Nasenhöhle durch knorpelige Vorsprünge, Muscheln, in eine bis drei Abteilungen, Nasengänge, zerlegt; am kompliziertesten sind diese Gebilde bei manchen Raubtieren, weniger bei den Affen und beim Menschen und besonders einfach bei den Walen, deren Riechvermögen im Zusammenhang mit ihrem Leben im Wasser offenbar sehr zurücktritt. – Viele Reptilien und Säugetiere besitzen sogen. Nebennasenhöhlen oder Jacobsonsche Organe, die als Ausstülpungen der Nasenhöhlen entstehen, sich aber bald davon abschnüren und mit der Mundhöhle in Verbindung treten und ihre Nerven vom Riechnerv und Trigeminus beziehen. Von diesem seiner Funktion nach dunkelm Organ sind beim Menschen nur noch Reste vorhanden.

An der N. des Menschen (s. Tafel »Mundhöhle und Nasenhöhle«, Fig. 1 u. 5) unterscheidet man die im Gesicht hervorragende äußere und die von der Nasenhöhle samt der sie auskleidenden Haut gebildete innere N. Von der erstern besitzt nur der obere Teil eine knöcherne Grundlage: die beiden Nasenknochen (s. Tafel »Skelett des Menschen II«, Fig. 1–4), die sich an das Mittelstück des Stirnbeins ansetzen, und die Nasen- oder Stirnfortsätze der beiden Oberkieferknochen, die zu beiden Seiten der Nasenbeine liegen; der untere, bewegliche Teil hingegen besteht nur aus mehreren Knorpelstücken. Nach außen von den Knochen und Knorpeln liegen einige kleine Muskeln, welche die Form der N. verändern können, und darüber die Haut, die sich durch ihren Reichtum an Talgdrüsen auszeichnet und an den Nasenlöchern (nares externae), aus denen besonders bei ältern Männern kurze, steife Haare hervorragen, in die Schleimhaut der Nasenhöhle (s. Tafel »Mundhöhle etc.«, Fig. 1) übergeht. Die äußere N. steht selten vollkommen symmetrisch, meist weicht sie nach links ab. Die Nasenhöhle wird durch die teils knöcherne, teils knorpelige Nasenscheidewand in zwei seitliche Hälften zerlegt; von den drei Vorsprüngen in ihrer äußern Wandung, den Nasenmuscheln, gehören die beiden obern dem Siebbein an, während die untere von einem besondern Knochen gebildet wird. Die zwischen ihnen bleibenden gewundenen Nasengänge stehen mit den Höhlen in den umliegenden Knochen in Verbindung, so daß der in ihnen abgesonderte Schleim durch die N. nach außen entleert werden kann. Die Schleimhaut der Nasenhöhle ist im allgemeinen lebhaft rot und reich an Gefäßen und Nerven sowie an Schleimdrüsen. Die Geruchsregion oder Riechgegend (regio olfactoria) nimmt den obersten Teil der Nasenscheidewand und die obern Nasenmuscheln ein. Hier ist die Schleimhaut dicker, gelblich und wird von einer Lage meist zylinderförmiger Epithelzellen, die zum Teil Sinnes-, d.h. Riechzellen sind, überzogen. Diese tragen auf ihrer freien, dem Raum der Nasenhöhle zugewandten Seite seine stift- oder haarförmige Fortsätze und stehen auf der andern Seite mit seinen Fasern des Riechnervs in Verbindung Dieser selbst (nervus olfactorius) kommt aus dem vordersten Teil des Gehirns (s. d., S. 468, u. Tafel »Gehirn«, Fig. 4) und teilt sich in eine große Anzahl feinerer Zweige, die durch ebenso viele Löcher in der Siebplatte des Sieb- oder Riechbeins in die Nasenhöhle eintreten und sich in der ganzen Riechgegend verbreiten. Die Atmungsgegend (regio respiratoria), der größere untere Teil der Nasenhöhle, wird von einer Schleimhaut mit Flimmerzellen ausgekleidet und vom fünften Hirnnerv (dem Trigeminus) versorgt. Vgl. Geruch.

Durch nervöse Reflexvorgänge steht die Nasenschleimhaut wie mit andern Körpergebieten, auch mit den weiblichen Geschlechtsorganen in eigenartiger Beziehung. Man findet nicht selten bei Frauenleiden, namentlich bei schmerzhafter Menstruation, an der Nasenscheidewand und an den untern Nasenmuscheln schmerzhafte Schleimhautstellen, durch deren Behandlung (Kokainisierung, Ätzung) jene Leiden der Geschlechtsorgane beseitigt oder ganz auffallend gebessert werden. Namentlich Dysmenorrhöe konnte man auf diesem Weg erfolgreich behandeln; auch hat man die Geburtsschmerzen durch Kokainisierung der Nasenschleimhaut zu verringern gesucht.

Von den Krankheiten der äußern N. sind am wichtigsten der Lupus (s. d.) und der Kupferausschlag (s. d.). Das Einfallen der äußern N., wobei schließlich die Gegend zwischen den Augen ganz flach wird und nur durch die kleinen, aufrecht gestellten Nasenlöcher unterbrochen erscheint, ist fast immer eine Folge syphilitischer Zerstörung der innern N., besonders syphilitischer Knochenvereiterungen. Man hat den Defekt durch Bildung einer künstlichen N. auf operativem Weg aus der Haut der Stirn etc. zu ersetzen[429] gesucht (Rhinoplastik), doch pflegt die neugebildete N. meistens von sehr problematischer Schönheit zu sein. In leichtern Fällen können diese wie andre Verunstaltungen der äußern N. gebessert werden durch Einspritzung von Paraffin unter die Haut, das hier erstarrt und durch Kneten in geeignete Form gebracht wird (s. Plastische Operationen). Von den Krankheiten der innern N. ist am häufigsten der Katarrh der Nasenschleimhaut oder der Schnupfen (s. d.). Eine sehr hartnäckige, kaum heilbare Erkrankung ist die chronische Nasenentzündung, die zu Verdünnung und Trockenheit der Schleimhaut, starker Erweiterung des Naseninnern und zu reichlicher Bildung trockner Borken führt, die durch faulige Zersetzung einen äußerst widerlichen Gestank erzeugen (Ozäna. [s. d.], Stinknase). Auch geschwürige Zerstörung der Nasenschleimhaut mit gleichartiger Erkrankung der darunterliegenden Knochen ist nicht eben selten und mit Abgang stinkender Flüssigkeit aus der N. verbunden. Bei allen Nasenkrankheiten, bei denen es sich um mit Schleimhautschwellung verbundene chronische Entzündungszustände handelt, wird häufig das Ausbrennen mit dem Galvanokauter angewendet. Die Behinderung der Nasenatmung durch Nasenpolypen, durch Wucherung der Rachentonsille oder durch Wucherung der Schleimhaut der Nasenmuscheln und der sogen. Schwellkörper der N. führt zu einem Zustand geistiger Stumpfheit, die sich, besonders bei Kindern, in der Unfähigkeit äußert, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Gegenstand zu konzentrieren und folgerichtig zu denken (Aprosexie). Auch die sehr häufigen Verbiegungen und Auswüchse der Nasenscheidewand können zu Behinderung der Nasenatmung führen. Über Nasenbluten und Nasenpolypen s. diese Artikel. Vgl. Reinbold, Die N. in ihrer physiognomischen Bedeutung (Karlsr. 1867, Neudruck 1895); Hovorka von Zderas, Die äußere N. (Wien 1893); Gerber, Etwas über Nasen (Hamb. 1896); Über die Krankheiten der N. die Werke von Scheff (Berl. 1886), Moldenhauer (Leipz. 1886), Bresgen (3. Aufl., Wien 1896), Reiß (2. Aufl., Berl. 1898, populär), Rosenthal (2. Aufl., das. 1897), Störk (in Nothnagels spezieller Pathologie und Therapie, Wien 1895–97, 2 Bde.), Schech (6. Aufl., das. 1902), Chiari (das. 1902); Krieg, Atlas der Nasenkrankheiten (Stuttg. 1901); Gerber, Atlas der Krankheiten der N. (Berl. 1902); Zarniko, Die Krankheiten der N. (2. Aufl., Jena 1903–05).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 429-430.
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