Rom [2]

[550] Rom und Römisches Reich. 1) Rom unter den Königen 753-510 v. Chr. Die Geschichte dieser Zeit ist durchaus sagenhaft. Nach der gewöhnlichen Überlieferung ward Rom durch die Zwillingsbrüder Romulus und Remus gegründet am 21. April 753 v. Chr. (nach Varros später herrschender Berechnung). Man setzte die Gründung in Beziehung mit der Latinerstadt Albalonga (s.d.), diese wieder mit Lavinium, das Einwanderer aus Troja unter Äneas vermischt mit der italischen Bevölkerung (Aboriginern) besiedelt haben sollten. Andere Berichte nennen vor Romulus neben den Niederlassungen einzelner Götter (Janus, Saturn, Faunus) auf der Stätte Roms die des Arkaders Euandros (s.d.). An Romulus schließt die Überlieferung dann die Könige Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Marcius, Tarquinius Priscus, Servius Tullius und verteilt auf sie die innere Ausgestaltung und äußere Abrundung des röm. Staates, bis der Druck und Übermut des Tarquinius Superbus zur Vertreibung der Könige führt. Dem gegenüber hat die neuere Forschung als Tatsache festgestellt, daß Rom eine Gründung der Latiner (s.d.) ist, die durch die Gunst seiner geogr. Lage und die Tatkraft seiner Könige und Bürger endlich die Anlehnung an das benachbarte mächtige Etrurien (s.d.) früh zu Macht und Bedeutung gelangte. In die Königszeit gehört die Bildung der später sich scharf gegenübertretenden Bevölkerungselemente der Patrizier (s.d.) und Plebejer (s. Plebs), die dem Servius Tullius zugeschriebene Einteilung der Bürgerschaft in bestimmte Klassen für Steuerleistung und Kriegsdienst und die Befestigung Roms. Die Abschaffung des Königtums (um 510) steht wahrscheinlich mit der Befreiung vom etrusk. Einfluß in Beziehung.

2) Rom als Republik 509-31 v. Chr. An Stelle der Könige traten zwei zunächst aus den Patriziern, dem herrschenden Stande, gewählte Jahresbeamte (praetores, consules), die religiösen Befugnisse des Königtums übernahmen der Oberpontifex (s. Pontifex) und der den alten Herrschernamen bewahrende rex sacrificulus (s. Rex). Rom mußte zunächst seine Verfassungsänderung mit einer Erneuerung der etrusk. Fremdherrschaft durch den Herrn von Clusium Porsenna (508) büßen, befreite sich aber wieder, als der etrusk. Vorstoß an Latinern und Cumäern zersplitterte, und behauptete seine Existenz siegreich gegen die Latiner (um 496). Danach begann der für die innere Entwicklung der ersten Jahrhunderte der Republik charakteristische Ständekampf, der heftig, aber streng im Rahmen der Gesetze geführt wurde. Den ersten Erfolg der Plebs bedeutete die Einsetzung des Volkstribunats (angeblich um 494), einen weitern die Aufzeichnung des Landrechts durch die Dezemvirn (451-449, Zwölftafelgesetz), daran schloß sich endlich die nach der herrschenden Annahme durch die licinisch-sextischen Gesetze vom J. 366 veranlaßte Bestimmung, daß einer der Konsuln Plebejer sein müsse. Nach außen war inzwischen die Macht Roms durch glückliche Kriege gegen die Volsker (491), die Äquer (458) und die Etrusker (396 Zerstörung von Veji) mehr und mehr gewachsen; sie wurde durch die Einnahme der Stadt durch die Gallier (390 bez. 387) nur vorübergehend erschüttert und breitete sich nach den Kriegen gegen die Samniter (343-341?, 327-304 und 298-290), gegen die Latiner (340-338) und gegen den Tarent unterstützenden König Pyrrhus von Epirus (282-272) bis 265 über ganz Mittel- und Unteritalien aus. Durch der ersten Punischen Krieg (264-241) gewannen die Römer Sizilien; sie nahmen 238 Sardinien und Korsika in Besitz und unterwarfen 225-222 das zisalpinische Gallien. Der zweite Punische Krieg brachte den karthag. Besitz in Spanien unter die Herrschaft Roms, das seitdem die erste Großmacht im Bereich des Mittelmeers war. Nach den Kriegen mit König Philipp (200-197) und Perseus (171-168) ward Mazedonien (148), nach dem Achäischen Kriege (148-146) Griechenland (Achaia) röm. Provinz. Der dritte Punische Krieg (149-146) endete mit der Zerstörung Karthagos und der Verwandlung von dessen Gebiet in die röm. Prov. Afrika. Die Zerstörung Numantias (133) sicherte endlich auch die Herrschaft in Spanien. Somit war die Weltherrschaft Roms begründet. Im Innern war an die Stelle des alten Gegensatzes zwischen Patriziern und Plebejern ein neuer zwischen der auf dem Amtsadel (Nobilität) und der Geldaristokratie sich zusammensetzenden Optimatenpartei und der Volkspartei (Populares) getreten, der zuerst 133 infolge der Reformpläne des Tiberius und Gajus Gracchus zu Unruhen führte. Die Selbstsucht und Unfähigkeit der Optimaten als Gesamtheit traten deutlich in dem Kriege gegen den Numiderkönig Jugurtha (112-105), hervor, den erst der aus dem Volke hervorgegangene und durch die Volkspartei gestützte Marius abschloß. Er beseitigte auch die Gefahr des Einbruchs der Cimbern und Teutonen (113-101). Der Zwiespalt zwischen beiden Parteien wurde größer, als die Optimaten in Sulla, dem Sieger im Bundesgenossenkriege (91-88) und im ersten Kriege (87-84) gegen Mithridates, König von Pontus, einen glänzenden Führer fand. Der Bürgerkrieg zwischen beiden (88-82) endete mit der Diktatur Sullas (82-79). Nach ihm ward Pompejus Führer der Senatspartei. Er bekämpfte den letzten Feldherrn der Volkspartei Sertorius (80-72), beendete mit Crassus den Sklavenkrieg (73-71), vernichtete die Seeräuber (68-67) und besiegte endlich am Ausgang des dritten Mithridatischen Krieges (74-64) den Mithridates vollständig. Da ihn der Senat, der 63 unter Ciceros Führung die Catilinarische Verschwörung unterdrückt hatte, trotz seiner großen Erfolge ganz beiseite zu schieben suchte, verband er sich 60 mit Cäsar und Crassus zum sog. ersten Triumvirat. Aber nachdem Cäsar 58-51 Gallien unterworfen hatte und Crassus 53 gegen die Parther gefallen war, brach der Bürgerkrieg zwischen ihm und Pompejus (49-45) aus. Pompejus ward 48 bei Pharsalus besiegt und Cäsar nach Vernichtung der Reste der Pompejaner bei Thapsus (46) und Munda (45) zum lebenslänglichen Diktator und Imperator erhoben. Kurz danach (44) fiel er durch eine Verschwörung, die sich unter Führung des Brutus und Cassius zur Wiederherstellung der Republik gebildet hatte. Die Cäsarmörder unterlagen 42 aber dem (zweiten) Triumvirat (43) des Antonius, Lepidus und Oktavian bei Philippi, und das Reich ward unter die Triumvirn geteilt. Während Antonius im O. weilte, befestigte Oktavian seine Herrschaft im W., beseitigte Lepidus und gewann durch den Sieg über Antonius bei Actium (31) und die daran anschließende Eroberung Alexandriens die Alleinherrschaft.

3) Rom unter den Kaisern 30 v. Chr. bis 476 n. Chr. Oktavian (30 v. Chr. bis 14 n. Chr.), dem 27 v. Chr. der Senat den Titel Augustus zuerteilte, erhielt die republikanischen Institutionen aufrecht, regierte aber dadurch, daß er sich die wichtigsten Gewalten übertragen ließ, tatsächlich als Monarch. Er gebrauchte seine Macht mit Mäßigung, hob die Wohlfahrt des Reichs, das er um die Donauländer erweiterte, durch eine geordnete Verwaltung, schuf feste, wohlgeschützte Reichsgrenzen und veranlaßte im Innern eine hohe Blüte von Kunst und Poesie. Sein Stiefsohn Tiberius (14-37) hatte am Beginn seiner Regierung mit Militäraufständen an der Donau und am Rhein zu kämpfen, warf sie aber nieder und wurde in jeder Beziehung der Vollender des von seinem Vater geschlossenen Prinzipats. Unter seinen Nachfolgern Caligula (37-41), Claudius (41-54) und Nero (54-68), mit dem das Julische Haus erlosch, veränderte sich wenig. Claudius' Herrschaft zeichnete sich durch den Beginn der Unterwerfung Britanniens und sorgfältige Fürsorge im Innern aus, Caligula (Gaius Cäsar) und Nero gefielen sich in einem maßlosen Despotentum. Nach Neros Tode erhoben die Legionen nacheinander mehrere Prätendenten. Von ihnen fiel Galba (68-69) durch Otho (15. Jan. bis 16. April 69), dieser durch Vitellius (bis 20. Dez. 69) und dieser wieder durch die Feldherren des ersten Flaviers Vespasianus (69-79). Vespasian hob das Reich durch sparsame und tüchtige Verwaltung; sein Sohn Titus (77-81) führte die Regierung in ähnlicher Weise fort; dagegen war der letzte Flavier Domitianus (81-96), wenn auch kein unfähiger Herrscher, doch wieder ein launenhafter Despot. Mit der Erhebung des hochbetagten Nerva (96-98) durch den Senat und der Adoption Trajans durch Nerva beginnt eine neue Nachfolgeordnung. Zugleich erlangte das Reich unter Trajanus (98-117) seine Höhe und seinen größten Umfang; er fügte Dazien, Armenien und Mesopotamien hinzu. Hadrianus (117-137) gab die Eroberungen [550] jenseit des Euphrat wieder auf und sorgte wie sein Nachfolger, Antoninus Pius (138-161), für die innere Wohlfahrt. Es ist die stillste Zeit des Kaisertums. Unter dem ehrlichen, aber unbedeutenden Kaiser Marc Aurel (161-180) zeigten sich in verheerenden Seuchen und Einfällen der Parther, Markomannen und Quaden bereits die Vorboten des Verfalls. Sein Sohn Commodus (180-192), genußsüchtig und grausam, überließ die Regierung seinen Günstlingen und ward schließlich durch eine Palastrevolution beseitigt. Den vom Senat erwählten Pertinax (192-193) ermordeten die Prätorianer, von denen Didius Julianus (193) die Herrschaft erkaufte, um bald dem tatkräftigen Septimius Severus (193-211) zu weichen. Seine treffliche Regierung hob wieder das sinkende Reich, aber schon unter seinem eigenwilligen und planlos herrschenden Sohne Caracalla (211-217) riß die Verwirrung wieder ein. Diesen stürzte Macrinus (217-218) und letztern der orient. Sonnenpriester Elagabel (218-222), der endlich durch den milden und tüchtigen, aber zu schwachen Alexander Severus (222-235) abgelöst wurde. Nach ihm brach die unheilvolle Zeit des Soldatenkaisertums herein, in der das Reich in gleicher Weise durch innere Kämpfe wie durch Einfälle der Barbaren aufs äußerste geschwächt wurde. Gegen Alexanders Nachfolger Maximinus Thrax (235-238) traten in Afrika Gordianus I. und II. auf, unterlagen aber dem numidischen Statthalter. Die vom Senat erwählten Gegenkaiser Pupienus und Balbinus wurden von den Prätorianern erschlagen. Nacheinander riefen nun die Truppen zu Kaisern aus Gordianus III. (238-244), Philippus Arabs (244-249), Decius (249-251), Gallus (251-253), Ämilianus (253), Valerianus (253-259). Als Valerian durch einen unglücklichen Krieg in die Hände der Perser gefallen war und sein Sohn und Mitregent Gallienus (259-268) die Herrschaft führte, erhoben sich in fast allen Provinzen Nebenkaiser (die sog. 30 Tyrannen). Erst durch Claudius (268-270), der die Goten, und durch Aurelianus (270-275), der die Markomannen und Alamannen schlug, ward die innere Ordnung einigermaßen wiederhergestellt. Auch der vom Senat ernannte Tacitus (275-276) und der dessen Bruder Florianus (276) folgende Probus (276-282) sorgten für die äußere und innere Wohlfahrt des Reichs. Carus (282-283) fiel gegen die Perser. Auf seine Söhne Numerianus (283-284) und Carinus (284-285) folgte der Begründer des neuen Kaisertums Diokletianus (285-305). Dieser setzte an Stelle des Prinzipats den Dominat, das absolute Herrschertum, und begann mit einer dementsprechenden großartigen Reform der Verfassung und Verwaltung des Reichs. Er erhob 286 Maximianus zum Mit-Augustus (für den W.), beide ernannten 293 dann Constantius Chlorus und Galerius zu Unterkaisern (Cäsaren) und teilten das Reich zur bessern Beschützung seiner Grenzen in vier große Herrschaftsbezirke. Danach legten sie 305 gleichzeitig die Regierung nieder und übertrugen die kaiserl. Würde an Constantius (305-306) im W., Galerius (305-311) im O. Als Cäsaren wurden für sie bestimmt Valerius Severus im W., Maximinus Daja im O. Als aber Constantius plötzlich starb (306), erhoben die Truppen dessen Sohn Konstantin (d. Gr.) zum Kaiser, und in Rom riefen die Prätorianer Maximinus' Sohn Maxentius aus. Es kam zum Thronstreit. Severus fiel gegen Maxentius 307 und ward durch Licinius Licinianus ersetzt. Galerius starb 311, Maxentius ward durch Konstantin 312, Maximinus durch Licinius 313 besiegt. Endlich maßen sich die beiden Sieger, und Licinius unterlag 324. Konstantin, nunmehr Alleinherrscher (324-337), verlegte die Residenz nach Byzanz, vollendete die Reichsreform Diokletians und begünstigte das Christentum. Seine drei Söhne, Konstantin II. (337-340), Constantius II. (337-361) und Constans (337-350) teilten das Reich, doch kam es bald von neuem zu Kämpfen, aus denen Constantius II. nach Besiegung des in Gallien zum Kaiser ausgerufenen Magnentius 353 als Sieger und alleiniger Kaiser hervorging. Er erhob das Christentum zur Staatsreligion. Sein Vetter und Nachfolger Julianus (361-363) versuchte noch einmal das Heidentum neu zu beleben, fiel aber bald gegen die Perser. Unter Jovianus (363-364) ward der alte Kurs wieder eingeschlagen. Valentinianus I. (364-375) überließ seinem Bruder Valens (364-378) als Mitregenten den O. Ihm selbst folgten im W. seine Söhne Gratianus (375-383) und Valentinianus II. (375-382), im O. ward, nachdem Valens gegen die Westgoten gefallen war, Theodosius (d. Gr., 378-395) von Gratianus zum Kaiser erhoben. Theodosius bekämpfte siegreich die Gegenkaiser Maximus (383-388) und Eugenius (392-394), ward danach für kurze Zeit Herr des ganzen Reichs, das er schließlich unter seine Söhne teilte: Arcadius ward Kaiser des Oström. Reichs (s. Byzantinisches Reich), Honorius (395-423) des Weström. Reichs (Italien, Afrika, Gallien, Britannien, Spanien mit der Residenz Ravenna). Unter letzterm eroberten die Westgoten, deren Einfälle Honorius' Feldherr Stilicho wiederholt abgewehrt hatte, 410 Rom, andere german. Stämme besetzten Spanien und Gallien. Nach der Zwischenregierung des Oberhofnotars Johannes (423-425) folgte Valentinian III. (425-455), unter dem Afrika 429 an die Vandalen verloren ging, die Hunnen aber durch Aëtius 451 zurückgeschlagen wurden. Unter Maximus (455) plünderten die Vandalen Rom. Danach stürzte und erhob rasch hintereinander der german. Patricius Ricimer die Kaiser Anitus (455-456), Majorianus (457-461), Libius Severus (461-465), Anthemius (467-472), Olybrius. Dessen Nachfolger Glycerius mußte 474 dem Julius Nepos und dieser 475 dem Romulus Augustulus weichen. Mit seiner 476 durch den deutschen Söldnerführer Odoaker erzwungenen Abdankung endete das Weström. Reich. Die weitere Geschichte s. Italien und Kirchenstaat.

Vgl. zur Königszeit und Republik außer den Werken Niebuhrs: Schwegler (2. Aufl. 1867-72; Fortsetzung von Clason, 1873-76), Mommsen (9. Aufl. 1904), Ihne (2. Aufl. 1893 fg.), Nitzsch (1884 fg.), Niese (2. Aufl. 1896); zur Kaiserzeit: Höck (1841-50), Gibbon (deutsch, 4. Aufl., 4 Bde., 1862-63), Merivale (deutsch, 4 Bde., 1866-72), Schiller (1883 fg.), Duruy (deutsch von Hertzberg, 1884 fg.), Mommsen, »Röm. Geschichte«, Bd. 5 (5. Aufl. 1904); Seeck, »Geschichte des Untergangs der antiken Welt« (Bd. 1 u. 2, 1895-1901); Peter, »Die geschichtliche Literatur über die röm. Kaiserzeit« (1897).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 550-551.
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