[38] Leiche, Leichnam (Cadāver), der abgestorbene tierische Organismus, geht nach dem Aufhören des normalen Stoffwechsels in Fäulnis über, die sich durch bestimmte Erscheinungen (Leichenerscheinungen) kundgibt, durch Gerinnung des Blutes und der Muskelsubstanz (Leichenstarre, Totenstarre, erst mit beginnender Fäulnis wieder verschwindend), Verschwinden der tierischen Wärme (Leichenkälte), Verfärbungen der Haut infolge Blutsenkung (Totenflecke, Leichenflecke); später hebt sich die Haut blasig ab und es tritt Fäulnisgeruch auf. Die entstehende Jauche enthält eigentliche Leichengifte (Leichenalkaloide, s.d.) nur in geringer Menge; die Leichenvergiftungen sind vielmehr als Infektionen anzusehen, so treten Leichentuberkel, schmerzhafte, warzenähnliche Hautknoten, auf, wenn der Verstorbene an Tuberkulose litt, oder Leichenpusteln und eiterige Entzündungen bei Infektion an einer septischen L., während die L. nicht infektiöser Kranker (z.B. Selbstmörder, Herzkranker) ganz ungiftig ist. Bei jedem Todesfall muß behufs Feststellung des Todes die Leichenschau oder Totenschau durch den behandelnden Arzt oder den amtlich verpflichteten Leichenschauarzt stattfinden.
[359] Leiche (Leichnam, Cadaver), der tierische und menschliche Körper nach dem Tod, auch wohl die abgestorbene Pflanze. Von den organischen Substanzen, aus denen der tierische Körper besteht, beginnen die leichter zersetzbaren sofort nach dem Tod andre Umwandlungen zu erleiden als im Leben, und es treten infolgedessen die Leichenerscheinungen ein. Nach 812, auch 17 Stunden ist die L. erkaltet, das Blut und die Muskelflüssigkeit gerinnen, es entsteht nach 24 Stunden (extreme Fälle abgerechnet) die Totenstarre oder Leichenstarre (s. d.), die von oben nach unten fortschreitet; dem Gesetz der Schwere folgend, fließt das Blut nach tiefer gelegenen Stellen (Blutsenkung) und färbt die am tiefsten gelegenen Körperteile (d.h. wenn die L. auf dem Rücken lag, den Rücken, lag sie auf dem Bauche, den Bauch) rotblau. Diese Totenflecke, die nach 312 Stunden zu erscheinen pflegen, unterscheidet man (z. B. bei der gerichtlichen Obduktion eines Getöteten) von blauen, durch Blutunterlaufung entstandenen Flecken dadurch, daß beim Einschneiden der Haut im erstern Falle das Blut aus den durchschnittenen, strotzend gefüllten Blutadern austritt, während es im letztern als Gerinnsel im Unterhautbindegewebe wahrgenommen wird. Nach 11/2-3 Tagen pflegt die Totenstarre zu verschwinden. Sehr bald erzeugt dann die Fäulnis tiefer greifende Veränderungen, und es entwickelt sich ein charakteristischer Leichengeruch, der unter Umständen auch schon früher auftritt. Soll die L. konserviert werden, so bringe man sie gleich nach dem Tod in ein möglichst kaltes, lustiges Zimmer, lasse sie hier leicht bedeckt erkalten und sorge durch Auflegen von Eis auf den Körper für möglichst starke Abkühlung. Außerdem bedeckt man die L. mit in Sublimatlösung (1:1000) getränkten Tüchern. Über Einbalsamieren der L. s. d. Für den Gerichtsarzt gilt die obige Erklärung von L. (jedes tote menschliche Wesen) nicht, da das Gesetz weder Frühgeburten, die noch keine eigne Existenz auf die Dauer außerhalb der Mutter fristen können, noch mißbildete lebensunfähige Kinder als L. anerkennt, selbst wenn sie zur Zeit der Geburt gelebt haben und alsdann gestorben sind. Nach den Entscheidungen des frühern preußischen Obertribunals sind also nur ausgetragene und bei der Geburt lebensfähige Kinder, die während oder nach der Geburt sterben, zu den toten Menschen zu rechnen und im Obduktionsprotokoll gleich ältern Individuen als L. zu bezeichnen. L. in der Buchdruckerei: vom Setzer ausgelassene Wörter oder Sätze, die bei der Korrektur im Satz eingeschaltet (»begraben«) werden müssen. Der L. steht die Hochzeit, das doppelt Gesetzte, gegenüber.
[239] Leiche, 1) todter Menschenkörper, von dem Momente des wirklichen Todes bis zur völligen Aufhebung der Körperform. Zeichen des wirklichen Todes sind, wenn man weder Herz- noch Pulsschlag mehr wahrnimmt, wenn auch der leiseste Athem aufgehört hat, wenn die Haut für Stiche, Kneipen od. andere Reize keine durch Zucken sich andeutende Empfindlichkeit mehr besitzt, wenn die Pupille bei einfallendem Lichte sich nicht zusammenzieht, das Leichengesicht, welches durch Einfallen der Gesichtshaut u. die Leichenblässe sich ausdrückt, zu welchem das Hippokratische Gesicht (s.d.) der Sterbenden schon den Übergang macht. Zugleich wird die Hornhaut der Augen getrübt u. undurchsichtig (s. Brechen der Augen), die Wärme verliert[240] sich immer mehr, auch in der Magengegend u. in den Achselhöhlen; in einiger Zeit bemerkt man auch auf Stellen, wo der Körper aufliegt, also bes. bei horizontaler Rückenlage, auf den Schulterblättern u. in der Hüft- u. Oberschenkelgegend, blaurothe Flecken (Todtenflecke), denen nun bald mehrere, als die ersten Spuren der anhebenden Fäulniß, folgen, deren Fortgang sich dann auch durch faulen Geruch (Leichengeruch), Ausflüsse aus Nase u. Mund, aus dem After etc. verräth. Nächst diesen Zeichen ist eins der sichersten die Leichenerstarrung (Leichenstarre). Dieselbe besteht in einer ziemlich beträchtlichen Auspannung der Muskelgebilde u. bewirkt, daß man die Glieder einer erkalteten L. nur mit großer Anstrengung bewegen kann, auch daß dieselbe, wenn die Glieder frei beweglich bleiben, sich streckt. Sie dauert zuweilen nur einige Stunden, zumal wenn sie früh eintrat; meist aber, nachdem sie einige Stunden nach dem Tode anhub, 3648 Stunden, bei Kälte od. andern ihr günstigen Umständen zuweilen bis zum 6. od. 7. Tage u. wird in gewöhnlichen Zuständen durch die Fäulniß besiegt, mit der dann die eigentliche Verwesung beginnt. Die Ausstellung der L-n im Sterbehause, eine Zeit lang vor der Beerdigung im Sarge, geschieht zunächst für Freunde u. Bekannte u. ist eine uralte Sitte; vgl. Todtenbestattung; 2) so v.w. Leichenbegängniß; 3) (Buchdr.), größere Auslassungen, welche der Setzer aus Versehen im Satze gemacht hat, s.u. Buchdrucken I.; 4) verkröpelter Nadelkopf.
[2000] 2. Die Leiche, plur. die -n, ein Wort, welches ehedem in einem weitern Umfange der Bedeutung gebraucht wurde als jetzt. Es bedeutete. 1. * Fleisch, die fleischigen muskulösen Theile des thierischen Körpers. In diesem Verstande lautet es im Isidor, selbst in der figürlichen biblischen Bedeutung, Liihhe, bey dem Ulphilas Leik, im Finnländischen noch jetzt Liha, im Wallach. Leike, und schon im Arab. Lachma. Im Deutschen ist es in diesem Verstande veraltet, außer daß noch Leichdorn, und das Nieders. Likteken, Fries. Licklaven, eine Narbe, das Andenken derselben erhält. Aus eben dieser Ursache heißt der Krebs im Schwed. Likmask, der Aussatz im Isländ. Likthraa, und ein Aussätziger im Angels. Lic-throvere. 2. * Der menschliche Leib oder Körper, er sey todt oder lebendig; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher Lichi noch bey dem Ottfried, Liche bey dem Notker, Leik bey dem Ulphilas, und Lic im Angelsächsischen vorkommen. Eine Leiche in der heutigen Bedeutung pflegte man alsdann eine todte Leiche zu nennen. 3. In engerer Bedeutung, der Körper eines verstorbenen Menschen, ehedem in dem weitesten Verstande, dessen dieses Wort nur fähig ist; daher die Leiber der verstorbenen Heiligen in den Gräbern im Angels. Leika heißen. Jetzt gebraucht man es im Deutschen nur, wie schon Herr Stosch bemerket, im engern Verstande von dem Körper eines Verstorbenen vor seiner Beerdigung, von einem todten Körper, so fern er beerdiget werden soll; und zwar 1) eigentlich. Eine Leiche im Hause haben. Er ward so blaß wie eine Leiche. Das Schlachtfeld liegt voller Leichen. Die Leiche beschicken, ankleiden u.s.f. Mit der Leiche gehen, nehmlich zu Grabe. Die Leiche begleiten, sie zum Grabe begleiten. Die Nadler pflegen, vermuthlich im Scherze, die mißrathenen Nadelknöpfe, und die Schriftsetzer ausgelassene Stellen, Leichen zu nennen. 2) Figürlich, das Leichenbegängniß, eine nur in einigen Gegenden übliche Bedeutung. Eine Leiche anstellen, halten. Doch sagt man auch im Hochdeutschen, zur Leiche bitten, zum Leichenbegängnisse. Zur Leiche gehen. Eine vornehme Leiche, ein vornehmes Leichenbegängniß.
Anm. Es scheinet zunächst die weiche Beschaffenheit des Fleisches auszudrucken, und mit diesem Worte Eines Geschlechtes zu seyn, welches allem Ansehen nach nur durch Vorsetzung des Blaselautes daraus gebildet worden. S. auch Leichnam.
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