Adam [1]

[92] Adam (hebr.), Mensch, der von adama (Erde) Geschaffene; dann von 1. Mos. 4, 25 an Eigenname des ersten Menschen. Nach dem ersten, allgemein gehaltenen biblischen Bericht, 1. Mos. 1, 26–31, der seine Ergänzung in der Genealogie, 1. Mos. 5, 1–5, findet, ist der erste Mensch am sechsten Tage der Schöpfung nach allen andern Lebewesen als das vollendetste, und zwar Mann und Weib zugleich, im Ebenbild Gottes (gottverwandt, mit Vernunft und Sprache begabt) geschaffen und zum Herrn der Erde eingesetzt worden. Nach dem zweiten speziellern Bericht (1. Mos. 2, 7 ff.) ist zunächst der Mann aus Erde, die der Gottesodem belebte, dann das aus seiner Rippe ihm zur Gehilfin bestimmte Weib (Eva) gebildet worden. Beiden ist zu Genuß und Pflege das Paradies angewiesen, das sie durch Ungehorsam verlieren; nun sinken sie durch Strafurteil in die gegenwärtigen Lebensverhältnisse mit ihrem wechselnden Schicksal herab, wie dies ihre Familiengeschichte zeigt. Die schlichte Erzählung von der Schöpfung Adams, wofür sich Anklänge bei Persern und Griechen finden, betont gegenüber den phantastischen mythologischen Vorstellungen des Heidentums und den modernen wissenschaftlichen Hypothesen, daß die gesamte Menschheit ein und derselben Schöpferidee das Dasein verdankt, das Gepräge der Göttlichkeit trügt und als Einheit nur eine Bestimmung hat. Diese religiös-sittliche Idee ist bis jetzt durch die Hypothesen der physiologisch-anatomischen Forschung, der Philologie und Geschichte noch nicht erschüttert worden. Der einfache Bibelbericht wurde später, vornehmlich in der jüdisch-alexandrinischen Literatur, im Midrasch, bei den syrischen Christen, den Kirchenvätern, im Talmud und Koran von zahlreichen Sagen und Legenden umgeben, die alle Adamssagen des Mittelalters beeinflussen. So brachte man zur Zeit der Kreuzzüge die rote Erde (terra rossa) von Damaskus, aus der A. gebildet sein sollte, als Reliquie heim und suchte bei Hebron die Spuren seines nachparadiesischen Lebens in riesenhaften Eindrücken der Felsen, Höhlenwohnungen etc. Das spätere Mittelalter nannte seinen Körper aus allen Elementen zusammengesetzt und hielt ihn für einen Inbegriff aller geistigen und körperlichen Vollkommenheiten (Weisheit, Güte, Größe, Schönheit, Kraft etc.); noch Luther in den »Tischreden« läßt ihn meilenweit sehen und hören, alle Tiere an Stärke übertreffen etc. Das spätere Menschengeschlecht wurde als eine Entartung dieses vollkommensten Urwesens angesehen u. dgl. Als Repräsentant der Gattung bezeichnet A. in der biblischen Sprache (Apostelgesch. 17, 26) die gefallene Menschheit in ihrer sündigen Entwickelung. ihm gegenübergestellt wird daher Christus, der Anfänger und Repräsentant der erneuten Menschheit, als der »neue A.« Nach einer andern Richtung hin aber bezieht unser Sprachgebrauch in abgeleiteten Wörtern A. auf die ursprüngliche sittliche Unschuld der Menschen. In den gnostisch-ebionitischen Systemen ist A. Kadmon der himmlische Mensch, der Urmensch, der reine Ausfluß aus der Gottheit, darum beinahe gottgleich. – Ein großer Teil der neuern Naturforscher redet von einem mehrfachen Ursprunge des Menschengeschlechts, von »Koadamiten«, während die neuerdings von Amerikanern wieder aufgenommene Theorie des Isaak de la Peyrère (1655), daß 1. Mos. 1 die Erschaffung der Heiden, 1. Mos. 2 aber die des Stammvaters der Kaukasier berichtet werde, »Präadamiten« annimmt, sich auf die Bibelstelle stützend, daß Kain ein Weib von den »Töchtern des Landes« genommen. Vgl. Grünbaum, Neue Beiträge zur semitischen Sagenkunde (Leiden 1893); Bezold, Die Schatzhöhle (syrisch u. deutsch, Leipz. 1883–88); Dillmann, Das Adambuch (deutsch, in Ewalds »Jahrbüchern«, Bd. 5, Götting. 1853); Ginzberg, Die Haggada bei den Kirchenvätern (in der »Monatsschrift für Geschichte u. Wissenschaft des Judentums«, 1899).

In der bildenden Kunst kommen Darstellungen von A. allein und in Gemeinschaft mit Eva schon seit den ersten Zeiten der christlichen Kunst auf Sarkophagen, Goldgläsern, Wandgemälden der Katakomben u.a.m. vor und blieben fortan ein bevorzugter Gegenstand aller Künste. Am meisten wurden die Szenen vor und nach dem Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradiese, seltener die Erschaffung Adams und Evas und Szenen aus der Zeit nach der Vertreibung geschildert. Im spätern Mit telalter wurden steinerne Figuren von A. und Eva besonders häufig an Kirchenportalen angebracht. Von Meistern des 15.–17. Jahrh., die den Stoff in hervorragen der Weise behandelt haben, sind die Brüder van Eyck (Einzelfiguren von A. und Eva am Genter Altar), Masaccio (Vertreibung aus dem Paradies in der Brancaccikapelle in Florenz), Ghiberti (Relief mit Schöpfung und Sündenfall an den Bronzetüren des Baptisteriums zu Florenz, s. Tafel »Bildhauerkunst VII«), Michelangelo (die Erschaffung von A. und Eva und der Sündenfall an der Decke der Sixtinischen Kapelle in Rom), Raffael (Vertreibung aus dem Paradies in den Loggien des Vatikans zu Rom), Palma Vecchio (A. und Eva im Paradies im Museum zu Braunschweig), A. Dürer (A. und Eva im Prado-Museum zu Madrid), Lukas Cranach (Paradies) und Jan Brueghel d. ä. (Paradies) zu nennen. In der modernen Kunst ist A. allein und mit Eva ebenfalls häufig Gegenstand der Darstellung gewesen, weil die Geschichte von A. und Eva den Künstlern die erwünschte Gelegenheit zur Behandlung des nackten Körpers gab. Von Werken der Malerei sind A. und Eva im Paradies von M. v. Schwind (nach Haydns »Schöpfung«, im Wiener Hofoperntheater), die Vertreibung aus dem Paradies von A. Cabanel (Maximilianeum zu München) und das verlorene Paradies von F. Stuck, von Werken der Plastik die Statue des A. von A. Hildebrand (Museum zu Leipzig), das erste Begräbnis (A. und Eva mit der Leiche Abels) von L. E. Barrias, A. und Eva von P. Breuer (s. Tafel »Bildhauerkunst XIX«, Fig. 2) und der Zyklus von zehn Gruppen: die ersten Menschen von G. Eberlein, hervorzuheben. Vgl. Büttner, A. und Eva in der bildenden Kunst bis Michelangelo (3. Aufl., Leipz. 1889); Breymann, A. und Eva in der Kunst des christlichen Altertums (Wolfenb. 1893).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 92.
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