Agricŏla [3]

[177] Agricŏla, 1) Alexander, deutscher Komponist des 15. Jahrh. (ca. 1440–1506), von dem zahlreiche Kompositionen (Messen, Motetten, Chansons) in Drucken Petruccis und handschriftlich erhalten sind. A. lebte an den Höfen zu Mailand, Mantua und stand seit 1491 im Dienste Philipps des Schönen, mit dem er nach Spanien zog, wo er starb.

2) Rudolf, eigentlich Roelof Huysmann, Humanist, geb. 23. Aug. 1443 in Baflo bei Groningen (daher Frisius genannt), gest. 28. Okt. 1485 zu Heidelberg, studierte in Löwen und Paris, lebte seit 1473 in Italien, kehrte 1480 in die Heimat zurück, war 1482 im Auftrag Groningens zur Erledigung eines Rechtsstreits ein halbes Jahr am Hofe Maximilians I. in Brüssel und wurde 1483 durch Vermittelung Johanns v. Dalberg (s. d.), seines Freundes von Italien her, nach Heidelberg berufen. A. ist einer der Begründer des deutschen Humanismus, allerdings mehr durch persönliches Wirken als durch seine Schriften. Die letztern sind: »De inventione dialectica libri III«, lateinische Übersetzungen griechischer Werke, Briefe, darunter der an Barbirianus: »De formando studio«, Reden und Gedichte, größtenteils gesammelt von Alard in »R. Agricolae lucubrationes« (Köln 1839, 2 Bde.). In den letzten Lebensjahren lernte er noch das Hebräische; auch in der Theologie sowie in der Musik und Malerei war er erfahren. Vgl. v. Bezold, R. Agricola, Rede (Münch. 1884); Ihm, Der Humanist Rudolf A., sein Leben und seine Schriften (Paderb. 1893).

3) Martin, Musikschriftsteller und einer der ersten Komponisten für die lutherische Kirche, geboren um 1486 in Sorau, gest. 10. Juni 1556 als Kantor und Musikdirektor in Magdeburg. Von seinen musikalischen Schriften sind hervorzuheben: »Ein kurz deudsch Musica« (Wittenb. 1528), »Musica figuralis deudsch« (das. 1529,2. Bearbeitung 1545), »Musica choralis deudsch« (das. 1533), »Musica instrumentalis deudsch«[177] (Wittenb. 1529), von seinen Kompositionen die von Gottschalk Prätorius nach seinem Tode herausgegebenen »Melodiae scholasticae« (das. 1557).

4) Georg, eigentlich Bauer, der Begründer der neuern Mineralogie und Metallurgie, geb. 24. März 1494 in Glauchau, gest. 21. Nov. 1555 in Chemnitz, war 1518–22 Rektor in Zwickau, studierte dann in Leipzig und Italien Medizin, wurde 1527 Arzt zu Joachimsthal, ging aber 1531 nach Chemnitz, wo er sich der Mineralogie und dem Bergbau widmete und später Stadtphysikus und Bürgermeister wurde. A. bahnte den Weg zu einer auf äußere Merkmale gegründeten Unterscheidung der Mineralien. Über seine chemischen Untersuchungen der Erdarten kam man bis in die Mitte des 18. Jahrh. nicht hinaus. Ebenso ist A. der Schöpfer des rationellen deutschen Bergbaues und der erste, der mit Glück von der Theorie zur Praxis überging. Er schrieb: »De ortu et causis subterraneorum« (Basel 1546 u. 1558), »De re metallica« (das. 1530 u. 1561; deutsch als »Bergwerksbuch«, das. 1557 u. 1621), »Bermannus, oder Gespräche über den Bergbau« (deutsch von Schmidt, das. 1806). Seine mineralogischen Schriften erschienen gesammelt u. d. T.: »De natura fossilium« (Basel 1657; deutsch von Lehmann, Freiberg 1806–13, 4 Bde.). Vgl. Becher, Die Mineralogen Georg A. und G. A. Werner (Freiberg 1819); Laube, in den »Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen«, Bd. 9 (1872); Jacobi, Der Mineralog Georg A. und sein Verhältnis zur Wissenschaft seiner Zeit (Werdau 1889); R. Hofmann, Dr. Georgius A. (Glauchau 1898).

5) Johann, eigentlich Schnitter, auch nach seinem Geburtsort Eisleben Magister Islebius genannt, geb. 20. April 1494 (1492), gest. 22. Sept. 1566 in Berlin, studierte und lehrte in Wittenberg, wo er sich eng an Luther anschloß, den er 1519 nach Leipzig begleitete. 1525 richtete er die Kirche zu Frankfurt a. M. ein, war 1526–36 Prediger und Lehrer zu Eisleben und ging 1540 als Hofprediger Joachims II. und Generalsuperintendent der Mark nach Berlin. In einen heftigen (den sogen. antinomistischen) Streit mit Luther und Melanchthon verwickelte ihn seine Behauptung, daß im Neuen Bunde das Gesetz nicht mehr gepredigt werden dürfe, weil die rechte Buße aus dem Glauben kommen müsse. Noch größern Anstoß gab er durch die Rolle, die er bei Bearbeitung und Einführung des Augsburger Interims (s. d.) spielte. Anderseits war A. ein ausgezeichneter Prediger, trefflicher Liederdichter, tüchtiger akademischer Lehrer und fleißiger Schriftsteller. Seine Sammlung von deutschen Sprichwörtern mit Erklärung (zuerst in plattdeutscher Mundart, Magdeb. 1528; dann hochdeutsch 1529) sichert ihm auch in der deutschen Literaturgeschichte einen Platz. Vgl. Kawerau, Johann A. (Berl. 1881); Latendorf, Agricolas Sprichwörter (Schwerin 1862).

6) Johann Friedrich, Musiker und Musikschriftsteller, geb. 4. Jan. 1720 in Dobitschen bei Altenburg, gest. 1. Dez. 1774 in Berlin, war als Student der Rechte in Leipzig J. S. Bachs Schüler und lebte seit 1741 in Berlin, befreundet mit Quantz. 1751 wurde er zum Hofkomponisten und 1759 als Nachfolger Grauns zum Kapellmeister Friedrichs II. ernannt, der indes seine Musik nicht liebte. Seine Kompositionen (italienische Opern, kirchliche Kantaten etc.) blieben Manuskript. Als Schriftsteller wurde er bekannt durch seine Polemik gegen Marpurg (Pseudonym Olibrio) und seine Übersetzung von Tosis »Anleitung zur Singkunst« (Berl. 1757). – Seine Gattin Emilia, geborne Molteni (geb. 1722 in Modena, gest. 1780 in Berlin), war eine geschätzte Opernsängerin.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 177-178.
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