Augsburgische Konfession

[117] Augsburgische Konfession (Confessio Augustana), das vornehmste symbolische Buch der Lutheraner, auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 dem Kaiser Karl V. überreicht. Am 14. März 1530, gleich nach Empfang des kaiserlichen Ausschreibens zum Reichstag, das eine beide Teile befriedigende Ordnung der hinsichtlich der Religion schwebenden Fragen verhieß, beauftragte Kurfürst Johann von Sachsen die Wittenberger Theologen Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen, ihm ein Gutachten über die zwiespältigen Artikel, »beide im Glauben und auch in andern äußerlichen Zeremonien« auszuarbeiten. Die Genannten überreichten dem Kurfürsten zu Torgau ein in 10 Artikel gefaßtes »Bedenken, was kaiserlicher Majestät der Zeremonien halber und was dem anhängig anzuzeigen sein soll« (sogen. Torgauer Artikel). Diese vom Kurfürsten gebilligten Artikel verarbeitete Melanchthon zu einer »Apologie«. Bei der Ankunft in Augsburg zeigte sich, daß mit diesem Rüstzeug nicht auszukommen sein werde, vielmehr auch die wichtigsten Glaubensartikel in die Arbeit aufzunehmen seien. Nunmehr arbeitete Melanchthon zwischen dem 4. und 11. Mai eine »Konfession« in 17 Artikeln aus, der die 15 auf dem Marburger Religionsgespräch beendeten Artikel (sogen. Marburger Artikel) in der erweiterten Gestalt, die ihnen Luther zum Zwecke der Vorlage auf der Ständeversammlung zu Schwabach im Ottober 1529 gegeben hatte (sogen. Schwabacher Artikel), zu Grunde gelegt wurden. Dieses Bekenntnis fand die Billigung des auf der Feste Koburg zurückgebliebenen Luther. Artikel 18–21 fügte Melanchthon nachträglich hinzu und suchte außerdem durch fortgesetztes Feilen und Andern seiner Arbeit jede Schärfe gegen Rom zu nehmen. In einem zweiten Teil, Artikel 22–28, wurde der Hauptinhalt der Torgauer Artikel, die abzustellenden Mißbräuche betreffend, hinzugefügt. Vorrede und Schluß schrieb der sächsische Kanzler Brück. Die dergestalt entstandene »Konfession« zerfällt in zwei Teile. In dem ersten (Artikel 1–21) wird die evangelische Lehre in einer Weise erörtert, die das Bestreben möglichster Annäherung an den katholischen Lehrbegriff durchweg erkennen läßt; überall wird die Übereinstimmung des Bekenntnisses mit der Lehre der Kirchenväter nachzuweisen gesucht. Nicht minder versöhnlich ist der zweite Teil (Artikel 22–28) gehalten, der von beider Gestalt des Sakraments, vom Ehestande der Priester, von der Messe, von der Beichte, vom Unterschiede der Speisen, von Klostergelübden und von der Bischöfe Gewalt handelt. Artikel 26 und 28 haben in den Torgauer Artikeln keine Parallele.

Diesen »sächsischen Ratschlag« machten nach längeren Verhandlungen die andern evangelischen Stände zu ihrem Kollektivbekenntnis. Ihre Unterschrift gaben außer dem Kurfürsten Markgraf Georg von Ansbach, Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, Landgraf Philipp von Hessen, Fürst Wolfgang von Anhalt (das lateinische Exemplar wurde wohl auch vom Kurprinzen Johann Friedrich und Herzog Franz von Braunschweig-Lüneburg unterschrieben), sowie die Städte Nürnberg und Reutlingen, zu denen im Verlauf des Reichstags Weißenburg (in Franken), Heilbronn, Kempten und Windsheim hinzutraten. Die vier oberdeutschen Städte Straßburg, Konstanz, Memmingen und Lindau verweigerten wegen der in der Augsburgischen Konfession enthaltenen lutherischen Abendmahlslehre ihre Unterschrift und ließen durch die Straßburger Theologen Bucer und Capito eine aus 23 Artikeln bestehende, in der Polemik gegen römische Lehre und Praxis schärfere, das Schriftprinzip stärker betonende Bekenntnisschrift (sogen. Confessio Tetrapolitana, Vierstädtebekenntnis) ausarbeiten. Am Nachmittag des 25. Juni 1530 wurde im Saale des Bischofshofes der deutsche Text der Augsburgischen Konfession vor dem Kaiser durch den sächsischen Kanzler Beier verlesen. Das deutsche und das lateinische Exemplar wurden dem Kaiser übergeben. Das lateinische ist später erst nach Brüssel, dann nach Spanien gewandert und dort vernichtet worden; das deutsche kam in das Mainzer Archiv und ist verschollen. Die Tetrapolitana kam nur im Ausschuß der katholischen Fürsten zur Verlesung.

Auf den Rat der katholischen Stände hatte der Kaiser inzwischen eine Anzahl katholischer Theologen, darunter Eck, Faber, Cochläus und Wimpina, mit einer Widerlegung der Konfession beauftragt. Die ihm 12. Juli lateinisch und deutsch eingereichte Arbeit (sogen. Confutatio) war so schroff gehalten, daß sie das Bestreben, die Protestierenden in möglichst milder Form der Kirche wieder zuzuführen, nur geschädigt haben würde. Vielfach umgestaltet und immer wieder gemildert gelangte sie 3. Aug. zur öffentlichen Verlesung, wurde aber den evangelischen Ständen nicht ausgehändigt. Als Antwort auf die Konfutation verfaßte Melanchthon die unter dem Namen der Apologie der Augsburgischen Konfession (s. d.) bekannte Rechtfertigungsschrift. Auch dem Vierstädtebekenntnis setzten die katholischen Theologen auf Befehl des Kaisers eine Konfutation entgegen, die erst 25. Okt. zur Verlesung kam.

Die A.K. fand als Lehrnorm der lutherischen Landeskirchen sehr schnell Verwendung, und seit dem Schmalkalder Tage von 1535 waren alle neu aufzunehmenden[117] Bundesglieder auf »die reine Lehre unsrer Konfession« verpflichtet. Auch erlangte die A. K. eine hohe staatsrechtliche Bedeutung, insofern sie allen kirchlich-politischen Verhandlungen der spätern Zeitzu Grunde gelegt und sowohl der Passauer Vertrag (1552) als der Augsburger und der Westfälische Friede nur mit denen geschlossen ist, die sich ausdrücklich zur Augsburgischen Konfession bekannt hatten. Da die deutschen Reformierten und selbst Calvin die A. K. unterschrieben, wurde sie aus einem Bekenntnis des Luthertums zu dem des Protestantismus überhaupt. Doch gilt dies nur von der veränderten Augsburgischen Konfession. Melanchthon nämlich hörte nicht auf, die von ihm verfaßte Schrift als sein geistiges Eigentum anzusehen und trug kein Bedenken, daran zu ändern. Noch während des Reichstags und trotzdem der Kaiser den Druck untersagt hatte, waren von unberufener Hand mehrere deutsche und eine lateinische Ausgabe erschienen. Ihre Fehlerhaftigkeit bestimmte Melanchthon zu einer im Frühjahr 1531 im Druck erschienenen Redaktion (sogen. editio princeps), welche die verloren gegangenen (s. oben) Originale ersetzen muß, wenn auch kein Zweifel besteht, daß sie, namentlich in der deutschen Fassung, von der ursprünglichen Fassung in manchen Punkten stark abweicht: die ursprüngliche A. K. ist den Gegnern noch weiter entgegengekommen als die im Druck erhaltene. Indessen galt diese Ausgabe den Zeitgenossen als authentische Wiedergabe des vor Kaiser und Reich bekannten evangelischen Glaubens. In den spätern Ausgaben seit 1540 hat nun Melanchthon namentlich in der Lehre vom Abendmahl in Gemäßheit seiner eignen veränderten Lehrauffassung Änderungen vorgenommen, die von den strengen Lutheranern (Flacianern) verworfen wurden. Diese besorgten 1561 einen unveränderten Abdruck der Ausgabe von 1531 (sogen. Conf Aug. invariata), die später in das Konkordienbuch aufgenommen wurde. Die staatsrechtliche Geltung der Ausgabe von 1540 (sogen. Conf. Aug. variata) wurde dadurch indessen nicht beeinträchtigt. Ja, an manchen Orten, z. B. in Brandenburg, ist später ausdrücklich wieder die Variata als gültige Bekenntnisform proklamiert worden. Vgl. Plitt, Einleitung in die Augustana (Erlang. 1867–68, 2 Bde.); Kolde, Die A. K. lateinisch und deutsch, kurz erläutert (Gotha 1896). Eine kritische Ausgabe veranstaltete Tschackert: »Die unveränderte A. K. deutsch und lateinisch, nach den besten Handschriften uns dem Besitze der Unterzeichner« (Leipz. 1901). Über die katholischen Gegenschriften: I. Ficker, Die Konfutation des Augsburgischen Bekenntnisses (Leipz. 1891); Paetzold, Die Konfutation des Vierstädtebekenntnisses (das. 1900).

Die Repetitio confessionis augustanae saxonica ist eine neue Bekenntnisschrift, die Melanchthon 1551 ausarbeitete, damit sie dem Tridentiner Konzil vorgelegt werde, und die fast in allen deutschen Landen gebilligt und unterzeichnet worden ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 117-118.
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