Bodenrente

[128] Bodenrente (Grund-, Landrente), der Unterschied zwischen dem Rohertrag des Bodens und denjenigen Produktionskosten einschließlich der Zinsen, die zur Darstellung desselben auf die Bewirtschaftung des Bodens verwendet werden. Die Kosten sind bei Berechnung derselben als durchschnittlich normale, die Bewirtschaftung ist als übliche zu veranschlagen. Etwaige durch besondere Tüchtigkeit oder Ungeschicklichkeit erzielte Mehr- oder Mindererträge sind als Unternehmergewinn (oder -Verlust), bez. als Unternehmerverdienst zu betrachten. Zinsen des Ankaufskapitals sind zur Ermittelung der Rente nicht in Abzug zu bringen, sondern nur, wenn es sich darum handelt, den Gewinn zu berechnen, der durch den Kauf gemacht wurde. Zinsen von Meliorationskapitalien sind in Rechnung zu ziehen, solange es sich um die Neuaufwendung handelt. Ist die Melioration einmal ausgeführt, so gehört das, was der Boden jetzt mehr abwirft, zu dessen Rente. Die so berechnete B. ist gleich der Summe, die ein Pachter als Pachtschilling für den von Lasten freien Boden zahlen kann. Abzüge durch Lasten, Servituten, Steuern sind Teile der Rente. Der Bodenwert oder das Kapital, das der Boden darstellt, ergibt sich durch Kapitalisierung dieser Rente oder durch Diskontierung aller in Zukunft zu erwartenden Reinerträge. Hierbei wird gewöhnlich der Berechnung ein niedriger Prozentsatz unterstellt, weil man in dem Bodenbesitz eine sichere Vermögensanlage erblickt und auf eine zukünftige Steigerung des Reinertrags hofft. Die Entstehung der B. hat man durch die folgenden Theorien zu begründen versucht:

1) Fertilitätstheorie. Die Physiokraten führten die Rente auf die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens zurück, seine Eigenschaft, mehr an Erträgen zu gewähren, als zur Ernährung der mit der Bebauung beschäftigten Arbeiter erforderlich sei. Sie übersahen hierbei, daß die Arbeitsteilung in andern Wirtschaftszweigen die gleichen Folgen haben kann, daß die Höhe der Rente auch durch den Preis der Arbeit und der Produkte sowie durch Umfang und Art der Bewirtschauung bedingt wird. Die Fertilität ist nur eine Ursache neben andern, weshalb auch geringerer Boden unter Umständen eine höhere Rente abwerfen kann als sehr fruchtbarer. 2) Monopoltheorie. Nach andern ist das Eigentum die Ursache der Rente, die eine Ausnahme von der Regel bilde, daß der Preis den Kosten nahekomme. Ohne das Eigentum werde der Preis der Bodenprodukte niedriger stehen und die Rente verschwinden. Die Anhänger dieser Theorie rechtfertigen das Privilegium des Grundeigentümers als auch dem Gesamtinteresse entsprechend damit, daß die Rente einen Reiz zur guten Wirtschaft bilde. Allerdings kann die Machtstellung des Eigentümers die Quelle größerer Einnahmen sein (Grundherrschaft, billige Sklavenarbeit), auch trägt besserer Boden insofern einen Monopolcharakter, als er in beschränkter Menge vorhanden ist; doch würde mit dem Eigentum nicht auch die Tatsache beseitigt werden, daß nicht jeder Boden gleiche Bewirtschaftungskosten erfordert und gleichen Ertrag abwirft.

3) Ricardo-Thünensche Theorie. Eng verknüpft mit der Lehre von der B. ist der Name Ricardo, der übrigens für seine Theorie schon mehrere Vorläufer gehabt hatte, wie den schottischen Pachter AndersonDrei Schriften über Korngesetze und Grundrente«, hrsg. von L. Brentano, Leipz. 1893), ferner West und Malthus. Zur Veranschaulichung seiner Lehre führt uns Ricardo die Entwickelung eines Landes von seiner ersten Besiedelung an vor Augen. »Bei der ersten Ansiedelung auf einem Landstrich, auf welchem sich ein Überfluß an reichem und fruchtbarem Boden findet, wovon nur ein kleiner Teil zum Bau der Lebensmittel für die dermalige Bevölkerung erforderlich ist, wird es keine Rente geben.« Der Preis der Bodenprodukte wird nur so hoch stehen, daß gerade die Bebauungskosten gedeckt werden. Mit zunehmender Bevölkerung reicht bald der beste Boden zur Deckung des Bedarfs nicht mehr aus. Der Produktenpreis wird steigen, und zwar so hoch, daß auch die zweite Qualität bebaut werden kann. So wird jeweilig der schlechteste, gerade noch zur Deckung der Nachfrage erforderliche Boden nur die auf ihn verwendeten Kosten vergüten, während die bessern Überschüsse über die letztern, d. h. Renten, abwerfen. Nach dieser Theorie ist die Rente ein Ergebnis der Verteilungsverhältnisse und der relativen Verschiedenheit in der Qualität der Grundstücke. Gegen dieselbe sind mancherlei Einwendungen erhoben worden, die z. T. hinfällig, z. T. als Verbesserungen zu betrachten sind. Ricardo nannte Rente denjenigen Teil der Erzeugnisse der Erde, der dem Grundherrn für die Benutzung des ursprünglichen und unzerstörbaren Bodens bezahlt werde. Die Bezeichnung »unzerstörbar« ist nicht zutreffend. Auch ist es für die Frage der Rente gleichgültig, ob die jetzige Ergiebigkeit des Bodens eine rein natürliche oder z. T. menschlicher Kultur zu verdanken ist. Eine Erweiterung und exaktere Gestaltung hat die Rententheorie durch Thünen (s.d.) erfahren, der den Einfluß der Lage und der Nähe des Absatzgebietes sowie den der Preise und Kosten auf die Intensität der Bewirtschaftung untersuchte. Ricardo hat den Einfluß von Verbesserungen, und zwar nicht allein derjenigen des Ackerbaues, sondern auch derjenigen der Industrie, nicht genügend beachtet. Auch ist die Annahme nicht zutreffend, als ob früher derjenige Boden zuerst bebaut worden sei, den wir heute nach Maßgabe unsrer jetzigen wirtschaftlichen Kräfte als den besten veranschlagen. Nachdem schon Hagen hierauf hingewiesen, hat später Carey dargelegt, daß in vielen Fällen der fruchtbarere Boden erst mit steigendem Reichtum in Angriff genommen worden sei. Hiermit ist ebensowenig die Ricardosche [128] Theorie widerlegt wie durch 4) die von Carey, Bastiat und M. Wirth vertretene Ansicht, nach welcher der Ertrag des Bodens nur eine mäßige Vergütung für den Arbeitslohn und den Zins des auf Urbarmachung, Erwerb, Anbau des Bodens etc. verwendeten Kapitals sei. Wäre die Behauptung auch richtig, die frühern Aufwendungen seien bei jedem Boden so hoch, daß sie durch die heutigen Überschüsse über die jetzigen Bebauungskosten nicht gedeckt würden, so läßt sich doch das Vorhandensein dieser Überschüsse, d. h. eben der Renten, nicht in Abrede stellen. Carey, noch mehr aber Bastiat haben die Tatsache keiner Beachtung gewürdigt, daß der bessere oder dem Markt näher gelegene Boden größere Überschüsse über Bebauungs- und Transportkosten gewährt als der schlechtere oder weiter entlegene. Vgl. außer den Lehrbüchern der Nationalökonomie: Berens, Versuch einer kritischen Dogmengeschichte der Grundrente (Leipz. 1868); Schullern-Schrattenhofen, Untersuchungen über Begriff und Wesen der Grundrente (das. 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 128-129.
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