Senĕgal [2]

[339] Senĕgal, franz. Kolonie in Nordwestafrika (s. Karte bei Artikel »Guinea«), die früher außer der eigentlichen [339] Kolonie S. Französisch-Sudân (seit 1899 abgeschafft), Französisch-Guinea, Elfenbeinküste und Dahomé nebst Dependenzen umfaßte. Durch Dekret vom 1. Okt. 1902 ist Französisch-Westafrika nen geteilt in: 1) Kolonie S., 2) Territorien von Senegambien und Niger, 3) Französisch-Guinea (einschließlich Ouassélou [s. Wassulu]), 4) Elfenbeinküste, 5) Dahomé. Sie bilden als Französisch-Westafrika ein Verwaltungsgebiet, das einem Generalgouverneur (mit Sitz in St.-Louis) untersteht. Die beiden ersten werden unmittelbar von ihm verwaltet, die drei letzten von je einem Statthalter (lieutenant-gouverneur) unter seiner Oberaufsicht. Über die Gebiete nördlich von Französisch-Westafrika s. Sahara (politische Einteilung, S. 425) und Mauretanien. Dazu kommen seit 1904 noch Jarbatenda (Hafen am Gambia) und die Losinseln (von England 1905 abgetreten). Die heutige Kolonie S., gegen früher wesentlich beschränkt, umfaßt die Küstenzone und die Uferlandschaft des Senegals (s. d.) bis zur Falememündung, 23,500 qkm mit etwa 101,000 Einw. (4 auf 1 qkm); sie stößt an den Atlantischen Ozean vom Kap Blanco bis zum Senegal. Das Land, durchaus flach, hat nur vereinzelte Hügel bis 150 m, die Küste ist unfruchtbar, sandig oder versumpft und sehr ungesund. Klima und Naturprodukte gleichen denen von Senegambien (s. d.). Ackerbau wird wenig betrieben; gebaut werden Hirse, Mais, Sesam, Erdnüsse, etwas Baumwolle. Indigo und Reis wachsen wild, Gummi und Kautschuk kommen aus dem Innern, Goldstaub vom Faleme und obern Senegal, Kolanüsse bilden einen wichtigen Handelsartikel im Lande selbst. Für Viehzucht eignet sich das Land an der Küste schlecht, im Innern gedeihen Rinder, Schafe, Pferde, Kamele etc. Einheimische Industrieerzeugnisse sind baumwollene Zeuge, Matten, Körbe, Leder und hübsche Goldsachen. Ausgeführt werden Erdnüsse (1904 für 21,320,189 Fr.), Kautschuk (4,002,265 Fr.), dann Goldstaub, Palmkerne, Häute und Felle, 1904 zusammen für 29,920,893 Fr., während die Einfuhr (Baumwollenzeuge [Guinées], Kohlen, Flinten und Pulver, Spirituosen, Kleineisenwaren, Konserven etc.) 1904: 49,846,739 Fr. betrug. Hauptverkehrsplätze sind St.-Louis (1891: 20,173 Einw.), Dakar (8737 Einw.), Gorée (2068 Einw.) und Rufisque (1891: 8091 Einw.) an der Küste, Dagana, Podor und Bakel am Fluß S. (s. die Einzelartikel). In Dakar, dem Haupthafen, verkehren regelmäßig vier französische, eine englische und eine deutsche Linie. Der Schiffsverkehr für die Häfen von S. betrug 1904 im Eingang: 554 Schiffe mit 644,426 Ton. (aus Frankreich 282 mit 385,045 T.), im Ausgang: 558 mit 636,861 T. (bez. 222 mit 379,842 T.). Die Verkehrsstraßen sind sehr mangelhaft; die einzige natürliche Wasserstraße ist der Senegal (s. d.). Kayes ist durch Eisenbahn mit dem Gebiete des Niger (s. d. und Kulikoro) und St.-Louis (s. d.), ebenso mit dem Hafen Dakar (s. d.) und Rufisque verbunden. Die Telegraphenlinien haben 1997, die Fernsprechlinien 320 km Länge. An der Spitze der Verwaltung steht ein Gouverneur (s. oben). Politisch ist S. durch einen erwählten Deputierten vertreten. Das Budget einschließlich des Protektorats balancierte 1906 mit 6,916,210 Fr. Frankreich leistet einen jährlichen Zuschuß. Für Finanz-, Industrie- und Handelsunternehmungen besteht seit 1901 die Bank von Westafrika (Kapital 1,5 Mill. Fr.), mit der die Senegalbank in St.-Louis vereinigt ist. Das Volksschulwesen wird von der Regierung beaufsichtigt und ist geregelt durch Dekret vom Jahre 1903, wodurch das ganze Schulwesen in Französisch-Westafrika durch einen staatlichen Direktor beaufsichtigt wird; doch haben die Schulen schwer mit der mohammedanischen Konkurrenz zu kämpfen. Die Kolonialtruppe besteht (1904) für das ganze Westafrikanische Kolonialgebiet aus 9644 Mann (7214 Eingeborne).

[Geschichte.] Normannische Schiffer legten 1364 Niederlassungen von der Senegalmündung bis zum Golf von Guinea an. Die Portugiesen erschienen 1446 und errichteten 1455 auf der Insel Arguin ein Fort, das die Holländer 1638 eroberten. Franzosen (von Dieppe und Rouen) legten 1637 Faktoreien am Senegal an, die im Siebenjährigen Krieg England nahm, doch erhielten sie 1763 St.-Louis und 1770 Gorée zurück; 1791 wurden die Besitzungen vom Staat übernommen. Seit 1854 kam durch den Gouverneur Oberst Faidherbe (s. d.) System in Verwaltung und Handel. Die Franzosen drangen am Senegal aufwärts, Bakel am Senegal und Senudebu am Faleme gelangten zur Blüte. 1856 drängte Faidherbe die Trarzamauren auf das rechte Senegalufer zurück und unterwarf dort die Brakna und Duaisch. Nach langem Kampfe wurde der fanatische Parteigänger des Islams, Hadsch Omar (s. Segu), 1860 gezwungen, die französische Herrschaft über die Landschaften Dimar, Toro, Futa, Bondu und Bambuk anzuerkennen, und der Besitz durch Forts gesichert. Galliéni und Desbordes besetzten und befestigten Bafulabe 1880, Kita 1881, Kundu 1882, der Niger wurde 1883 bei Bammako und 1884 bei Kulikoro erreicht und 1887 Almamy Samory, Herrscher von Wassulu, nach der 1884–85 erfolgten Besetzung von Virgo am obern Bachoy und von Bure am obern Niger, zum Frieden, ebenso der Ahmadu von Segu zu einem Schutzvertrag mit Frankreich gezwungen. Dem Oberst Archinard endlich gelang die Einnahme von Segu-Sikoro und Kaarta (1891) und Massina (1893), so daß Bonnier 1894 die Stadt Timbuktu, das langerstrebte Ziel der Franzosen, besetzen konnte. Alle bisher noch feindlichen Stämme dieses Gebietes unterwarfen sich der französischen Herrschaft. Als sich Samory ein neues Reich, Wassulu, gegründet hatte, entschloß man sich, diesen sehr gefährlichen Gegner völlig zu vernichten. In langwierigem und von wechselndem Glück begleitetem Kampf wurde Samory 1891 bei Kankan (dort jetzt Militärstation) am Milo (rechtem Nebenfluß des Niger) entscheidend geschlagen und 1892 aus Bissandugu, Sanankoro und Keruane vertrieben, 1893 die Sofa, seine Söldnerbanden, an der Grenze von Sierra Leone bei Farana und Erimankano zerstreut und Samory nach Niederlagen bei Odschenna und Gelebe gezwungen, sich in die Gegend von Kong zurückzuziehen (s. die Artikel Samory und Wassulu). Nach der Ermordung des Oberstleutnants Klobb, Befehlshabers von Timbuktu, durch seine eignen Hauptleute Voulet und Chanoine (16. Juli 1899), wurden von den Franzosen Bamba und Gao am Niger genommen; als weitere Stationen folgten Sinder, Say am Niger und Dori nordwestlich davon. Hauptort des Ende 1900 geschaffenen »Territoire militaire« wurde Sinder. Durch Zusammenwirken des dortigen Kommandanten Péroz mit den Expeditionen Joalland (Tschadsee-Senegal), Foureau-Lamy (Tschadsee-Norden), Gentil (Tschadsee-Süden) und den von diesen bereits gegründeten Außenposten ist seit Juni 1901 der Nigerbogen zur rein französischen Interessensphäre geworden. Am 12. Mai 1905 wurde der französische Kommissar für Westmauretanien, Coppolani, in Tijikja von rebellischen Mauren der Landschaft Tagant ermordet. Vgl. Faidherbe, [340] Le Sénégal. La France dans l'Afrique occidentale (Par. 1889); »Sénégal et Nigre. La France dans l'Afrique occidentale, 1879–1883« (amtlich, das. 1884); »Annales sénégalaises de 1854 à 1885« (das. 1885); A. Barthélemy, Guide du voyageur dans la Sénégambie française (Bordeaux 1884); Galliéni, Une colonne dans le Soudan français 1886 à 1887 (das. 1888); Péroz, Au Soudan français. Souvenirs de guerre et de mission (das. 1889); Gaffarel, Le Sénégal et le Soudan français (das. 1890); Binger, Du Niger an golfe de Guinée par le pays de Kong et le Mossi (das. 1891, 2 Bde.); Hourst, Sur le Niger et an pays des Touaregs (das. 1898); Lebon, La politique de la France en Afrique 1896–1898 (das. 1901); Courtet, Étude sur le S. (das. 1903); »Annuaire du S. et Dépendances« (das.); Karte: Vuillot, Soudan français et côte occidentale d'Afrique, 1:4,000,000 (das. 1897). Weiteres bei Artikel »Senegambien«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 339-341.
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