[468] Hoherpriester, der oberste der israelitischen Priester, der Mittler zwischen Gott u. dem Volke, durch welchen diesem der Zugang zu Gott erschlossen wurde. Bei der Wahl mußte er wenigstens 20 Jahre alt sein, durfte nicht der Abgötterei, des Mordes, Incestes u. andrer groben Verbrechen bezichtigt sein, keinen Leibesfehler haben, wurde auf Lebenszeit gewählt u. durch besondere Feierlichkeiten zu seinem Amte geweiht. Die Würde des H-s war lebenslänglich u. erblich im Mannesstamm. Der erste war Aaron, u. ihm folgte zunächst sein älterer Sohn Eleasar, dann dessen Sohn Pinehas u. aus dessen Geschlecht bis auf Eli, welcher aus dem Geschlecht Ithamars, des jüngern Sohnes Aarons, war. Nachdem Abjathar von Salomo abgesetzt worden war, kam mit Zadok, welcher die zweite Reihe der H. beginnt, die hohepriesterliche Würde wieder in das Geschlecht Eleasars. Der letzte vor dem Babylonischen Exil war Jozadak, u. mit dessen Sohn Josua beginnt nach dem Exil die dritte Reihe der H. Als Judäa unter Syrien kam, hörte die regelmäßige Succession auf, u. 160 bis 153 v. Chr. war das Hohepriesterthum ganz unterbrochen; mit 153 beginnt mit Jonathan die Reihe der hasmonäischen H., welche ihr Geschlecht auf Eleasar zurückführten. Seit Herodes trat in der Wahl der H. vollkommene Willkür ein. Die Einweihungsfeierlichkeiten, welche sieben Tage dauerten, waren: a) Waschung vor dem Thore des Orakelzeltes, als Symbol der Reinigung; b) Anlegung der heiliges Kleider; diese waren: die Hosen (Miknesim, Miknesaim), die von den Lenden bis an die Knie gingen; ein weißer, den ganzen Leib bedeckender Rock mit engen Ärmeln; ein buntgewirkter (vierfarbiger, weiß, blau, purpurn, scharlachroth) Gürtel (Abhnet, Eman), der um diesen Rock geschlagen wurde; auf dem Kopfe eine hohe turbanartige Mütze (Miznephel) aus seiner weißer Leinwand, mit einer purpurblauen Binde umschlungen, daran war ein goldnes Stirnband mit der Inschrift: Hodesch la Jehova (d.i. die Heiligkeit [das Heilige] des Herrn); ferner, u. dies war der unterscheidende hohepriesterliche Ornat, ein himmelblaues Oberkleid (Meïl) ohne Ärmel, am Saume rings mit (72) Granatäpfeln u. eben so vielen goldenen Schellen verziert; der Leibrock (Ephod), ein kurzes, aus zwei auf den Schultern verbundnen Stücken bestehendes Kleid aus Gold, bunter Wolle u. Leinwand, welches über das Oberkleid geworfen u. mit einem prächtigen Gürtel befestigt, von den Schultern bis über den halben Körper herabging; das Brustschild (Choschen), von demselben Stoff wie das Ephod, aber viereckig, u. doppelt übereinander gelegt, u. mit 12 Edelsteinen mit den Namen der 12 Stämme Israels besetzt. An diesem Choschen waren die Urim u. Thumim (s.d.); c) Salbung, mit dem, nach der Tradition von Moses selbst dazu bereiteten Öl, wobei ihm das Öl auf dem Kopf gegossen wurde; d) Einweihungsopfer: zwei Widder, der eine zum Brand-, der andere zum Freudenopfer, u. während der siebentägigen Feier täglich ein Rind zum Sündopfer, zur Versöhnung u. Entsündigung des Altars. Seinen Amtsornat durfte der H. nicht eher anlegen, als wenn er zu seinen Verrichtungen in den Tempel[468] ging, mußte ihn aber ablegen, wenn er am Versöhnungstage, wo er ein schmuckloses Kleid von Leinwand trug, ins Orakelzelt sich begab. Er durfte heirathen, aber nur eine reine Jungfrau. Wie sich der H. überhaupt der größten Reinigkeit befleißigen mußte, so durfte er besonders keinen Todten anrühren, bei der Trauer sein Haupt nicht entblößen od. sich Haare ausraufen u. seine Kleider zerreißen (doch that es Kaiphas beim Verhör Jesu). Die Amtsverrichtungen des H-s waren theils ordentliche, theils außerordentliche, wie, daß er in außerordentlichen Fällen Gott durch die Urim u. Thumim befragte, den neuen König über Israel bei streitiger Succession wählte u. überhaupt salbte, sowohl täglich im Tempel opferte u. räucherte, als auch am großen Versöhnungstage das Opfer brachte u. ins Allerheiligste ging (s. Versöhnungstag), die Oberaufsicht über den Gottesdienst u. Tempelschatz hatte. Das Amt des H-s war die höchste geistliche Würde bei den Hebräern u. befestigte sich auf dieser Höhe, wo er als zweite Person nach dem Könige galt, in demselben Maße, als sich die Theokratie behauptete, so daß Königstöchter sich mit ihm vermählten u. er sein Grab an der Seite des Königs fand. Er war zugleich der Vorsteher des höchsten Gerichts in Jerusalem, später Vorsitzer im Sanhedrin, stand bei dem Volke in großem Ansehen u. behauptete so in der Blüthenzeit der Hebräer weitgreifenden Einfluß auch auf die Staatsangelegenheiten. Dies Ansehen verminderte sich sehr in der nachexilischen Zeit, da oft Unwürdige zu diesem Amte gelangten, u. weltliche Herrscher, ja zuletzt selbst das Volk das Recht sich anmaßten, den H. in ihrem Interesse, oft gegen Erlegung einer Geldsumme, zu wählen u. abzusetzen. Daher kommt es, daß bisweilen mehrere zu gleicher Zeit lebende erwähnt werden, die zum Ärgerniß des Volkes wohl gegen einander intriguirten u. sich bekämpften. Im Talmud werden öfter Stellvertreter des H-s genannt u. ohne Grund behauptet, daß jeder H. dies vorher gewesen sein müsse. Im N. T. wird Christus H. genennt, weil sein Geschäft auf Erden u. im Himmel dem des H-s ähnlich ist. Dieser Vergleich wird im Brief an die Hebräer ausgeführt. Vgl. Boldich, De pontifice maximo Hebr., Jena 1672; Buxtorf, De pontifice max. Hebr., Bas. 1685; Dieterich, De sanctitate summi Jud. pont., Lpz. 1743.