[377] Schönburg, Receßherrschaften der Fürsten u. Grafen von S. im Königreich Sachsen unter sächsischer Landeshoheit. Es gehören dazu die im Kreisdirectionsbezirk Zwickau gelegenen Herrschaften Vorder- u. Hinterglauchau mit den Städten Glauchau, Meerane, Hohenstein u. Ernstthal, die Herrschaften Waldenburg mit der Stadt gleiches. Namens, die Herrschaften Lichtenstein mit den Städten Lichtenstein u. Callenberg, die Grafschaft Hartenstein mit der Herrschaft Stein u. den Städten Hartenstein u. Lößnitz; u. als Vasallengüter die Rittergüter Callenberg, Rüsdorf, Neudörfel, Oberwiera, Schönberg, Mosel, Ober-Rothenbach, Elzenberg, Thurm, Vielau u. Alberoda. Die Herrschaften umfassen 67/10 QM. mit (1881) 112,753 Ew. in neun Städten u. 89 Dörfern; meist gebirgig, verhältnißmäßig waldreich; Fluß: die Zwickauer Mulde; Nahrungszweige: Ackerbau u. Viehzucht, vorzugsweise jedoch Weberei, Strumpfwirkerei u. Färberei u. die mit dieser Industrie zusammenhängenden Gewerbe u. Handelszweige. Die Besitzer der fünf Receßherrschaften sind geborene Mitglieder der ersten Kammer der sächsischen Ständeversammlung u. haben ihren besonderen Gerichtsstand bei dem Appellationsgericht zu Zwickau. Die Verhältnisse der Herrschaftsbesitzer mit ihren Unterthanen sind durch verschiedene Recesse geordnet, in deren Folge dieselben eine in Deutschland ganz exceptionelle Stellung einnehmen. Außer den fünf Receßherrschaften besitzt das Hans S. im Königreich Sachsen noch die im Kreisdirectionsbezirk Leipzig gelegenen sogenannten Lehnsherrschaften Remse, Penig, Rochsburg u. Wechselburg, mit einem Areal von 4 QM. u. 50,000 Ew. Mit dem Besitz derselben ist nur das eine Vorrecht verbunden einen Abgeordneten in die erste Kammer der sächsischen Ständeversammlung zu senden. Anderweite Besitzungen des Hauses[377] S. sind im Königreich Sachsen die Rittergüter Ziegelheim. Abtei Lungwitz, Ölsnitz, Belgershayn u. Gauernitz; im Königreich Preußen die Herrschaften Droyßig mit Quesnitz bei Zeitz u. Gusow bei Frankfurt ä. b. Oder; im Königreich Baiern die Rittergüter Schwarzbach, Förbau u. Buch bei Hof; in Böhmen die Rittergüter Zernowitz, Rothenlotta, Budislaw u. Zaluzj; in Mähren die Herrschaft Altbrünn u. in Krain die Herrschaft Schneeberg.
In den frühesten Zeiten waren die jetzigen Schönburgischen Receßherrschaften unmittelbares Reichslehn. Um gegen die Macht der Markgrafen von Meißen u. der Landgrafen von Thüringen einen Schutz zu haben, fanden es jedoch die Besitzer derselben, die Dynasten von Schönburg u. von Waldenburg, im 13. Jahrh. für zweckmäßig ihre Herrschaften unter den Schuh der Könige von Böhmen zu stellen, mit denen sie wegen ihrer anderweiten Besitzungen in Böhmen in vielfacher Verbindung standen. So wurden die Herrschaften Glauchau. Waldenburg u. Lichtenstein böhmisches Reichsafterlehn; die Grafschaft Hartenstein hingegen wurde erst 1457 vom Kaiser Friedrich III. an Kursachsen als ein sächsisches Reichsafterlehn abgetreten. Dabei blieben jedoch die Herren von S. selbst unmittelbar unter Kaiser u. Reich, sie bezahlten daher die Reichssteuern, stellten ihr Contingent zur Reichsarmee u. hatten Sitz u. Stimme auf den Reichstagen. Nachdem jedoch durch den Verlauf der oberen Grafschaft Hartenstein im Jahre 1556 die Macht des Hauses S. bedeutend geschwächt, u. es dadurch zugleich aus der unmittelbaren Verbindung mit Böhmen gekommen war, so begann seit Ende des 16. Jahrh. Kursachsen die Landeshoheit über das sächsische Gebiet zu prätendiren, u. da das Haus S. sowohl bei der Krone Böhmen, als auch bei dem Deutschen Kaiser einen genügenden Schutz nicht fand, so sah es sich endlich genöthigt, am 4. Mai 1740 mit Kursachsen einen doppelten Receß, nämlich den Hauptreceß wegen der Herrschaften Glauchau, Waldenburg u. Lichtenstein, welche als böhmisches Reichsafterlehn anerkannt wurden, u. den Nebenreceß wegen der niederen Grafschaft Hartenstein mit Stein abzuschließen. Die wichtigsten Bestimmungen desselben waren: dem Kurhaus Sachsen steht die oberste Staatsgewalt über die Schönburgischen Herrschaften zu, wenn schon die Reichs- u. Kreisstandschaft der Grafen von S. anerkannt wird; sächsische Gesetze u. Verordnungen sollen nur in dem Namen der Grafen u. Herren von S. bekannt gemacht werden; die Grafen u. Herren von S. erhalten für ihr Receßgebiet ein eigenes Regierungscollegium, die Gesammtregierung zu Glauchau; sie haben das Begnadigungsrecht; in kirchlichen Angelegenheiten hat zwar Sachsen die oberste Kirchengewalt, aber für das Receßgebiet wird ein eigenes Unterconsistorium zu Glauchau errichtet; die Grafen u. Herren von S. erhalten das Recht Zucht- u. Arbeitshäuser anzulegen; die Receßorte erhalten eine eigene Steuerverfassung u. von dem Betrage der Steuern wird nur ein Drittheil an wachsen abgeliefert; endlich erhalten die Grafen y. Herren von S. das Recht bis zu 100 Mann Soldaten zu halten, welche zwar dem Kurfürsten von Sachsen zu Gebote stehen, aber nur mit Einwilligung der Grafen von S. die Grenze des Landes überschreiten sollen. Da dieser Receß den Grafen von S. in vieler Ansicht lästig war, so suchten sie sich ihm bald wieder zu entziehen, fanden auch bei der Kaiserin Maria Theresia, in so weit Unterstützung, daß diese als Königin von Böhmen 1777 Truppen zum Schütze per Grafen u. Herren von S. in Glauchau einrücken ließ. Allein schon am 9. Mai 1779 bei dem Friedensschlusse zu Teschen kam es dahin, daß Maria Theresia die Landesherrlichkeit über Glauchau, Waldenburg u. Lichtenstein an das Haus Kurpfalz, u. dickes an demselben Tage dieselbe an das Kurhaus Sachsen abtrat. Die Recesse von 1740 wurden hierbei bestätigt. Die Grafen u. Herren von S. verlangten hierauf 1781, daß ihre Besitzungen als sächsisches Reichsafterlehn betrachtet werden sollten, doch gelang ihnen dies eben so wenig, als ein 1783 gemachter Versuch, der sächsischen Oberbotmäßigkeit ledig zu werden. Später änderte weder die Erhebung des, Grasen Otto Karl Friedrich von S. in den Reichs, fürstenstand (1790), noch die Auflösung des Deutschen Reichs (1806) etwas in den Verhältnissen des Hauses S. zu der Krone Sachsen, u. auf dem Congresse zu Wien wurde der Receß von 1740 sogar unter den besonderen Schutz der Mächte Österreich, Frankreich, Rußland, Großbritannien u. Preußen gestellt. Nachdem jedoch das Königreich Sachsen im Jahre 1831 eine constitutionelle Verfassung erhalten hatte u. später dem Allgemeinen deutschen Zollverein beigetreten war, traten auch in den schönburgischen Receßverhältnissen wesentliche Veränderungen ein, welche den Erläuterungsreceß vom 9. Oct. 1835 herbeiführte. Darnach hat das Haus S. zu Glauchau eine Gesammtkanzlei als Verwaltungsbehörde u. Lehnhof u. ein Gesammtconsistorium als Ehegericht u. Behörde für kirchliche Angelegenheiten; es besitzt das Recht Concessionen zu ertheilen, die Magistralsbehörden in seinen Städten zu bestätigen, Straferlässe zu gewähren, eine Compagnie Soldaten von 100 Mann sich zu halten u. bei dem Appellationsgerichte u. der Kreisdirection zu Zwickau je einen Rath anzustellen. Für die früher genossene theilweise Steuerfreiheit wird von Sachsen sowohl den Besitzern der Receßherrschaften als auch deren Vasallen u. Unterthanen alljährig eine Geldentschädigung von 44,000 Thlrn. gewährt, deren Betrag zum größeren Theile den Kirchen- u. Schulanstalten zufließt. Außerdem haben die Glieder des Hauses S. dieselben persönlichen u. Familienrechte, welche die mediatisirten vormals reichsständischen Familien besitzen; sie sind den Familien der souveränen Regentenhäuser ebenbürtig, frei von der Verbindlichkeit Militärdienste zu leisten u. haben ihren eigenen privilegirten Gerichtsstand.