Scheuer (oder Scheune)

Scheuer (oder Scheune).


1. De âlt Schéire brän um ärschsten. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 544.


2. Eine alte Scheuer brennt leicht.

Wird meist auf alte Jungfrauen angewandt; die Liebe soll gerade bei ältern Personen am gefährlichsten werden.


3. Eine leere Scheuer braucht kein Dach. (Pfalz.)


4. Eine Scheuer ohne Getreid', eine Heerd' ohne Weid', ein Pferdestall ohne Heu, ein Weib ohne Treu', ein Hirt ohne Feld, ein Mensch ohne Geld achtet man nicht auf der Welt.


5. Eine Scheune mit Korn ist selten ohne Mäuse.

Holl.: Zelden eene schuur met koren zonder muizen. (Harrebomée, II, 264b.)


6. En alde Schüür brannt et ärgste. (Kleve.) – Firmenich, I, 382, 25.


7. Es ist besser die Scheuern füllen als die Kasten.

Dies empfehlen auch die Chinesen, da überflüssige Kleider eine Beute der Motten, wenigstens ein todtes Kapital sind. (Cibot, 168.)


8. Es ist keine Scheuer so voll, es geht noch eine Deichsel (Garbe) hinein.

Holl.: Er is geen berg zoo vol, of er kan nog eene schoof in. (Harrebomée, II, 256b.)


9. Hä, merkst de wieder a Schoinel? sagte der Bauer beim Gewitter, bei dem einmal der Blitz gezündet hatte. (Oberlausitz.) – Holtei, Eselsfresser, I, 208.

In einer andern schlesischen Mundart: Scheindel (kleine Scheune). (Weinhold, 82.)


10. In der Scheuer sind keine Sitzbänke. (Wend. Lausitz.)

Engl.: You cannot find a cupboard in the hut of a gipsy.


11. In die Scheuer gehört Heu, in die Kummt Stroh.

»Denn man pflegt im Sprichwort zu sagen: In die Scheune gehört Häw.« (Coler, 720b.) (S. Bauer 235-239.)

Lat.: Crassis crassa conveniunt. (Seybold, 93.)


12. In die Scheuer gehört Heu, und einen ohnmächtigen Bauer muss man mit einem frischen Rossapfel aufkühlen.Nass. Schulbl., XIV, 5.


13. In die Scheune gehört Hew, was soll der Kuhe die Muskaten?Oec. rur., 621; Petri, II, 403; Henisch, 1440, 15.


14. In ein lehr scheuer kompt kein mauss. Franck, II, 88a u. 98b; Gruter, III, 55; Lehmann, II, 284, 52; Petri, II, 405; Gaal, 1363; Sailer, 57; Simrock, 8982.

Die Russen: In leeren Scheunen nisten die Mäuse nicht. (Altmann 461.)

It.: Dove non è pane anch' ivani se ne vanno. – Le formiche non vanno ai granaj voti. (Gaal, 1363.)

Lat.: Horrea formicae tendunt ad inania nunquam. (Gaal, 1363.)

Ung.: Hideg konyha, üres tál, sok vendéget nem tatál. (Gaal, 1363.)


15. In einer leeren Scheune fangen neunundzwanzig Katzen keine Maus.

Böhm.: Z pusté stodoły aneb vrabec aneb sova (vyleti). (Čelakovský, 70.)

Poln.: Z pustéj stodoły abo wrobe, abo sowa wyleci. – Z pustéj stodoły rady léca sowy, prosty roznm nie urodzi madréj mowy. (Čelakovský, 70.)


16. In leere Scheunen ziehen die Spatzen nicht.

Poln.: Z pustej stodoty sowy wylatuja. (Lompa, 36.)


[153] 17. Keine Scheuer ohne Stroh. (S. Haus 306.) – Parömiakon, 304.


18. Ledige Scheunen überlaufen keine Ameisen.Winckler, X, 20.


19. Man muss aus der eigenen Scheune so zehren, dass das erste Korn das letzte trifft.

Lat.: Messe tenus propria vive. (Gaal, 1506.)


20. Man muss machen, dass die Scheune beim Hause bleibt.

Holl.: Men moet maken, dat het schuurtje (huisje) bij het huisje (schuurtje) blijft. (Harrebomée, II, 264b.)


21. Oalle (alte) Schuiern flackert helle. (Soest.) – Firmenich, I, 348, 16.


22. So lang me um d' Schür lauft, muess me nid trösche.Sutermeister, 138.


23. Viele haben grosse Scheunen voll Früchte, wenn sie nur wüssten, wo sie ständen.


24. Wan au (alte) Schüre anfange ze brenne, dann es gê Leische (kein Löschen) mieh. (Aachen.) – Firmenich, I, 493, 126.


25. Was nützt die Scheune, wenn man nichts zu dreschen hat.

Die Russen: Was hilft die Scheune, wenn kein Korn darin ist. Und die Letten sagen in demselben Sinne: Rechne nach Losstellen, aber habe auch Ackerland. (Altmann V, 122.)


26. Wenn alte Scheuern brennen, hilft kein Löschen.Simrock, 8983.

In der Schweiz: Wen en alti Schür brennt, sen ist nid guet lösche. (Sutermeister, 113.) Mit Bezug auf alte verliebte Jungfern oder andere alte Leute dieser Art.


27. Wenn die Scheune brennt, ist das Haus in Gefahr.

Holl.: Als de schuur brandt, lijdt het huis last. (Harrebomée, II, 264b.)


28. Wenn die Schewr lehr ist, kan der Baur dreschen. (S. Sattel 26 und Schiff.) – Lehmann, 399, 12.


29. Wenn eine alte Scheuer brennt, wie ist da noch zu löschen.

Was helfen Vorstellungen, wenn eine alte Jungfer (Witwe) heirathslustig ist.


30. Wenn wir auch in der Scheune hausen, wollen wir doch kein Stroh verschmausen.

Sprichwort der montenegrinischen Räuber.


31. Wer eine Scheune hat, der hat Mäuse, und ohne Dieb kein Geldgehäuse (Kasse). Sutor, 372.


*32. Die Scheune neben die Drescher bauen.

Die Nonnenklöster neben die Mönchsklöster, die Butter vor die Sonne bringen; die Gelegenheit zu sündigen herbeiführen.


*33. Er hat wol die Scheune, aber kein Korn darin.

Viel Mund, wenig Geist.


*34. Es ist eine ungedeckte Scheuer.

Ein unmündiges und unversorgtes Kind.

Holl.: Het zijn ongedekte schuren. (Harrebomée, II, 264b.)


*35. Seine Scheune ist schon vor der Ernte voll.

Frz.: La grange est pleine avant la moisson. (Leroux, I, 50.)


*36. Vor der Scheune losschiessen.

Nach Kritzinger den Beischlaf so vollziehen, dass eine Schwangerschaft nicht erfolgt.

Frz.: Achever hors du passage. (Kritzinger, 8a.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 153-154.
Lizenz:
Faksimiles:
153 | 154
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon