Gefahr

1. Besser die Gefahr vermeiden, als Schmerz und Elend leiden.

Dän.: Heller at fly for faren end at umage doctoren. (Prov. dan., 170.)


2. Der ist ausser Gefahr, der die Sturmglocke läutet.

Span.: A salvo está el que repica. (Bohn I, 202 u. 222.)


3. Der ist nicht ohne Gefahr, der zwischen Hammer und Amboss kommt.


4. Die Gefahr ist nicht vorbei, liegt neben dem Feuer das Heu.


[1409] 5. Einerlei Gefahr macht Feind zum Freund sogar.


6. Erst in der Gefahr merkt man, was am Manne war.

»Den tapfern, wie den feigen Mann, man erst in der Gefahr erkennen kann.«


7. Es darff niemand frembde gefahr suchen, er hat sein selbst gnug.Henisch, 1413, 51; Petri, II, 243.

8. Es hat keine Gefahr, sagte der Doctor zum kranken Pfaffen, das Uebel kann sich auf keinen edeln Theil werfen.


9. Es ist Gefahr im Verzuge.

Frz.: Il y a péril en la demeure.

Lat.: Periculum in mora.


10. Es ist keine Gefahr hier, die Hunde sind nicht los.


11. Es ist nicht allezeit gefahr auffm Meer.Lehmann, 245, 28.


12. För alle Gefâr, se(de) de Minist1, dô bund hê sîn Hund an, de al2 drê Dage dôd was. Frommann, V, 427, 464; Bueren, 472.

1) Mennonit.

2) Schon.


13. Füür de Gefoar binnet me 'n däuen Ruien (Hund) an. (Soest.) – Firmenich, I, 349, 64.


14. Gefahr erhöht den Genuss.

Darum schmecken gestohlene Kirschen süss.


15. Gefahr macht auss Feinden freundt.Lehmann, 245, 29.

Dän.: Fare giør venner af fiender. (Prov. dan., 156.)

Lat.: Conciliant homines mala. (Binder I, 205; II, 538; Erasm., 64; Philippi, I, 88; Seybold, 82.)


16. Gefahr muss man mit gefahr überwinden (vertreiben).Henisch, 1413, 64; Lehmann, 245, 23; Simrock, 3158; Petri, II, 326.


17. Gefahr spitzt den Kopff vnd harnischt das Hertz.Lehmann, 244, 6.


18. Gefahr vnd Creutz machen andächtige vnnd fleissige Leuth!Henisch, 1413, 60; Petri, I, 42.


19. Gefar würt nit on gefar vertriben.Franck, I, 71b; Henisch, 1413, 63; Lehmann, II, 224, 23; Körte, 1842.

Lat.: Nunquam periculum sine periculo vincitur. (Henisch, 1413, 65.)


20. Gemeine Gefahr bindet den Leuten die Köpfe zusammen. (Schweiz.) – Kirchhofer, 148.


21. Gemeine Gefahr macht die Leute einig.Seybold, 82.


22. Grosse Gefahr, grosser Gewinn.


23. In der Gefahr sieht man, was an einem war.

Die Finnen aber behaupten: In der Gefahr taugt auch der Schlechte. (Bertram, 56.)

Lat.: In discrimine apparet qui vir. (Erasm., 103.)


24. Ist die Gefahr vorbei, bekommt der Heilige den Abschied.

Mag vielleicht daher kommen, dass die Menschen, wenn sie sich in grosser Gefahr befinden, gewöhnlich den Kopf verlieren, ein Zustand, in dem man auch nach einem Strohhalm greift, nachdem aber mit Beseitigung der Gefahr der Verstand zurückgekehrt ist, merken, dass ihre Rettung doch wol andern Umständen zuzuschreiben ist.

Engl.: The danger past, God forgotten. (Gaal, 614.)

Frz.: On ne se souvient plus de promesses, quand les périls sont passés. (Kritzinger, 567.)

Lat.: Simul ac quis misertus est, memoria interiit. (Gaal, 614.)


25. Ist die Gefahr vorbei, so kommt die Polizei.


26. Ist die Gefahr vorüber, kommt das Gebetbuch in den Winkel.


27. Ist Gefahr im Verzuge, so scheisst man im Fluge.

Holl.: Het je haast, zei Hein, k.. staande. (Harrebomée, I, 272.)


28. Je grösser die fahr ist, je fleissiger auffsehen man haben muss.Petri, II, 391.


29. Je grösser die Gefahr, je grösser der Muth.

Lat.: Crescit in adversis virtus. (Lucanus.) (Binder II, 610; Philippi, I, 98.)


30. Je mehr Gefahr, je mehr Verdienst.

Ung.: A ki nem szerencsélteti magát, nem vitéz.


31. Je mehr Gefahren, je mehr Vorsicht.

Dän.: Er der farlighed paa din vey, vær des varligere i din gang. (Prov. dan., 157.)


32. Man kann nicht jede Gefahr vermeiden. Seybold, 397.


33. Manchen betrifft grössere Gefahr zu Hauss, als im Krieg.Lehmann, II, 54, 8.


[1410] 34. Mit grosser gefahr man das behelt, das vielen Menschen wolgefellt.Gruter, III, 69; Lehmann, II, 412, 77.


35. Nach der Gefahr traut man kein Haar.


36. Nahe Gefahr will rasche Hülfe.

Dän.: Fare overvindes ikke uden fare. (Prov. dan., 157.)

37. Ohn fahr vnd schaden ist der Mann, der Straff vnd Warnung leiden kan.Petri, II, 503.


38. Verachte gefar kompt vor dem jar.Franck, I, 66b; Lehmann, II, 787, 23; Körte, 1844; Simrock, 3159.

Lat.: Citius venit periculum, cum contemnitur. (Gaal, 613.)


39. Viel Gefähr, viel Gefahr. (Oberösterreich.)


40. Vor allen Gefahren kann sich niemand bewahren.

Xenophon hat zwar behauptet, es gäbe keine Gefahr, nur eine Furcht vor der Gefahr.

Frz.: Partout est le péril. (Leroux, II, 279.)


41. Wenn die Gefahr vorbei ist, wird der Heilige ausgelacht.Körte, 1847; Simrock, 3156; Braun, I, 659.


42. Wenn die Gefahr vorüber ist, so wird die Zusage (das Gelübde) vergessen. (S. Brücke 10; Citrone 2.)Winckler, VIII, 477; Reinsberg II, 43.

Frz.: La rivière étant passée, le Saint est oublié.

It.: Passato il pericolo (punto) gabbato il santo. (Kritzinger, 567.)

43. Wenn einer in Gefahr ist, soll man ihn erst retten und dann fragen, wie er hineingekommen ist.


44. Wenn kein fahr mehr da ist, so spitzet die Welt vnsern Herrn Gott nicht ein Höltzlin.Petri, II, 660.


45. Wer all Gefahr will erwiegen, der bleibt hinterm Offen liegen.Lehmann, 226, 8.

In Venetien sagt man: Wer die Gefahren fürchtet, der unternehme nichts. Wer die Wolken betrachtet, macht keine Reise. Der Franzose: Der Furchtsame darf nichts unternehmen. Wer zu sehr fürchtet, überlegt schlecht. Der Engländer: Wer sich vor Wunden fürchtet, der darf keiner Schlacht nahe kommen. Die Neger in Surinam: Wer auf die Schwärze der Regenwolke sieht, darf nicht ausgehen. (Reinsberg III, 100.)


46. Wer alle Gefahr fürcht, der darff nicht auffs Meer kommen, er bleibt hinderm Offen. Lehmann, 68, 9.


47. Wer der Gefahr frisch vnter Augen gehet, dem entweicht sie.Lehmann, 244, 6.

Engl.: Set hard heart against hard hap.

Frz.: Il faut faire contre fortune bon coeur.

It.: Cuor forte rompe cattiva sorte.

48. Wer die Gefahr liebt (sucht), kommt darin um (oder: geht darin unter).Hermann, III, 7; Parömiakon, 2298 u. 2896; Eisenhart, V, 16; Schulze, 140; Eiselein, 214.

Dän.: Hvo der elsker fare, omkommer i fare. (Prov. dan., 157.)

It.: Chi ama il pericolo perirà in esso. (Pazzaglia, 276, 1.)


49. Wer fahr liebt, der kompt drin vmb.Petri, II, 707.


50. Wer Gefahr nicht fliehen kann, stehe tapfer als ein Mann.Simrock, 3160.

Lat.: Tu ne cede malis, sed contra audentior ito.


51. Wer in Gefahr ist, lernt beten.

Böhm.: Nebezpečenství uči nábožnosti. (Čelakovský, 156.)

Dän.: Jo meere fare, jo meere bøn. (Prov. dan., 156.)

Poln.: Niebezpieczeństwa uczą nabožeństwa. (Čelakovský, 156.)

Lat.: Magister orandi optimus necessitas.


52. Wer jede Gefahr will fliehen, der muss hinter den Ofen ziehen.

Aber auch noch mit Vorsicht, damit er sich nicht den Rock verbrenne.

53. Wer keine Gefahr fürchtet, ist in grosser Gefahr.

It.: Chi non teme, pericola. (Gaal, 612.)


54. Wer mit Gefahren will scherzen, sucht Lob und findet Schmerzen.Parömiakon, 2238.


55. Wer ohne Gefahr zur See will gehen, der bleibe nur im Hafen stehen.

Aber nicht zu nahe bei den Molen, um vor Sturmfluten sicher zu sein.


56. Wer sich (muthwillig) in Gefahr begibt, kommt darin um.Simrock, 3157; Körte, 1843; Bücking, 51; Braun, I, 658; Pistor., VIII, 90; Kirchhofer, 179; Graf, 390, 576; Pred. Sal. 3, 27; Schulze, 140; Zehner, 351; Eisenhart, 476; Müller, 10, 3; Broma, I, 9; Beyer, II, 230; Ramann, Unterr., I, 34; Steiger, 344; Petri, II, 763; für Waldeck: Curtze, 331, 211.

[1411] Dies Sprichwort enthält eine Warnung, indem es darauf aufmerksam macht, dass man aus Mangel an Vorsicht sich gar leicht ein Unglück zuziehen kann, dessen Folgen uns sehr schmerzlich sein können. Eisenhart a.a.O. wendet es auf die Bestrafung der Duelle und andere gewaltthätige Angriffe mit tödlichen Waffen an. Im allgemeinen will es, als Rechtssprichwort, sagen, dass der, welcher sich Angriffe erlaubt, es sich selbst zuzuschreiben habe, wenn er übel wegkommt, da die Nothwehr nicht stets die rechte Linie finde.

Holl.: Wie het gevaar bemint, zal er in omkomen. (Harrebomée, I, 234.)

It.: Chi per forza cader vuole, non merita sostegno. (Pazzaglia, 38, 3.) – Il pericolo viene più presto, quando se ne fà poca stima. (Pazzaglia, 278, 3.)

Lat.: Culex lychno se committens aduritur. (Seybold, 98.)


57. Wer sich nicht in Gefahr setzt, hat weder Pferd noch Maulesel.

Der Mensch ist der Gefahr überall ausgesetzt, auch sogar auf der Ofenbank.


58. Wo keine Gefahr, da ist auch kein Ruhm.


59. Wo keine Gefahr ist, da sind alle tapfer.


*60. Aus einer Gefahr in die andere gerathen.

Holl.: Hij is uit het eene gevaar verloost, maar in het andere gevallen. (Harrebomée, I, 234.)


*61. Ausser Gefahr sein.

Holl.: Hij is het gevaar bij tijds ontloopen. (Harrebomée, I, 234.)

Lat.: Extra lutum pedes habes. (Seybold, 166.)


[Zusätze und Ergänzungen]

62. Die Gefahr flieht, wenn man ihr ins Auge sieht.

Lat.: Levius solet timere, qui propius timet. (Philippi, I, 224.)


63. Die Gefahr ist da, auch wenn man sie nicht sieht (oder: auch wenn man sie leugnet).


64. Erst in Gefahr lässt sich erkennen, wen man in Wahrheit Freund kann nennen.

It.: Nè pericoli si vede, chi d' amico ha vera fede. (Giani, 69.)


65. In der Gefahr ist kein besserer Gefährte als ein unerschrockenes Gemüth.Wirth, II, 203.


66. Man kommt nicht in jeder Gefahr um.


67. Nicht jede Gefahr führt zu Ruhm.

Frz.: N'est pas glorieux tout ce qui est périlleux. (Cahier, 1345.)


68. Viel Gfar, wer's glaubt, is a Narr, wer draf halt, dem wern's (werden sie) wahr. (Oberösterreich.)


69. Vôr de Gefahr binnet man en däuen Ruien an. (Sauerland.)


[1310] 70. Wer die Gefahr am meisten flieht, der begegnet ihr am ersten.

Lat.: Semper in praelio eis est maximum periculum, qui maxime timent. (Philippi, II, 174.)


71. Wer jede Gefahr scheut, ist am meisten in Gefahr.

Frz.: Le trop d'attention qu'on a pour le danger, fait le plus souvent qu'on y tombe. (Cahier, 148.)


72. Wer ohne Gefahr will durch die Finger gucken, muss die Brille sich dazu vor die Augen rucken.Müller, Sprüche, 91.


73. Wer sich selbs in fahr bringt, mags jhm selb auch dancken.Henisch, 641.


74. Wo kein fahr ist, da muss auch kein gewin sein.Petri, II, 806; Henisch, 977.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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