1. Alte Jungfern sind gebrechliche Waare.
Bei den Dänen sind sie zerbrechliche im activen Sinne.
Dän.: Gammel møe bryder alle kar sønder. (Prov. dan., 217 u. 418.)
2. Alte Jungfern und hässliche Weiber brauchen am meisten Putz.
3. Alte Jungfern und Invaliden sind einander vom Himmel beschieden.
Böhm.: Stará panna čeká na starého vojáka. (Čelakovsky, 411.)
Poln.: Stara panna na starego żołnierza czeka. (Čelakovsky, 411.)
4. Alte Jungfern und Junggesellen gehören dem Oberjägermeister wie Hirschhäute. – Graf, 50; Estor, III, 513, 850.
Der Ehestand galt im Mittelalter als von der Religion geboten und ledig sein für Ketzerei. (S. ⇒ Hagestolz.)
5. Alte Jungfern und sauer Bier, bewahre mich der Himmel dafür. (Gotha.)
In Japan werden alle Mädchen von der Behörde gezwungen zu heirathen, sie mögen wollen oder nicht; deshalb gibt es dort keine alten Jungfern. (Aus der Fremde, 1860, 36.)
Mhd.: Alten junchfraw ist ein gift nieman haus, sam man dâ spricht. (Ring.) (Zingerle, 197.)
6. Alte Jungfern und Witwen angeln beide, aber verschieden.
Die Witwe ist eine listige Fischerin, die in dem Augenblicke die Angel an sich zu ziehen weiss, da der Fisch angebissen hat. Die alte Jungfer dagegen ist [1065] eine ungeduldige Anglerin, welche die Angel bei der leisesten Berührung derselben an sich zieht. (Einfälle, 480.)
7. Besser eine alte Jungfer als eine junge Hure.
Dän.: Bedre er gammel møe end ung hore. (Prov. dan., 418.)
8. Besser Jungfrauen ohne Kesseln, als Witfrauen sammt den Nesseln.
9. De Jumfer er Brot steit up't Finster. – Eichwald, 912.
10. De Jungfer is Brût, êr Für (ihr Feuer) geit ût, êr Elend geit an. (Ostfries.) – Frommann, III, 430, 275; Eichwald, 913; Goldschmidt, 115.
11. De Jungfern kriegt so lichte enen placken, as ene witte schorte. – Lübben.
12. Den Jungfern, die pfeifen, den Hühnern, die krähen, soll man den Hals umdrehen.
13. Der Jungfern Zierde ist, freundlich und wenig reden.
14. Die alte Jungfere briuged d' Chind i der Schoss derher. (Schaffhausen.) – Schweiz, II, 168, 22.
Wenn eine alte Jungfer heirathet.
15. Die alten Jungfern müssen den Elisabeththurm waschen.
Mahnung der Breslauer an heirathsfähige Mädchen, sich vor diesem Lose bei zeiten zu hüten.
16. Die alten Jungfern müssen nach ihrem Tode Schnee reutern (oder: Wolken schieben). (Oberösterreich.)
Am Samstag nach Lichtmesse standen auch einst die alten Jungfern auf der Traunbrücke und schrien: »Zeit, Zeit, Ueberzeit, wi a mei liaba Vada schreit u.s.w.« (Vgl. Baumgarten, Progr., 17 u. 23.)
17. Die Jungfer gibt's billig und willig. – Eiselein, 353; Simrock, 5334; Braun, I, 1701.
Lat.: Virgo primum.
18. Die Jungfer zu küssen, ist nicht allweg gut. – Eiselein, 353.
Es bestand früher eine Todesstrafe darin, dass der Verurtheilte einem weiblichen Automaten entgegenschreiten musste, der ihn umarmte und in eine von Messern und Spiessen starrende Untiefe warf. Man nannte dies euphemistisch: die Jungfer küssen. In ähnlicher Weise nannten die Schotten ihre Maschine mit dem Fallbeil Maiden oder Jungfer. (Jamieson's Dictionary, Edinburg 1804.)
19. Eine gute Jungfer verträgt einen Stoss.
20. Eine hässliche Jungfer, ein garstiges Weib und eines Metzgers Haustock werden nicht gestohlen, wenn sie auch vor der Thür stehen.
21. Eine Jungfer muss nicht weiter reisen als ein Mühlkarren.
Lat.: Praevalet in cunctis disreta modestia punctis.
22. Eine Jungfer stehet für einen Mann. – Eisenhart, 181; Estor, I, 347; Hillebrand, 133, 195; Pistor., X, 14; Eiselein, 354; Simrock, 5344.
Das Sprichwort sagt nur, dass volljährige, unverheirathete Frauen in Betreff ihrer Handlungsfähigkeit dem Manne im allgemeinen gleichgestellt sind. (Vgl. Kraut, Vormundschaft, II, 266; Hillebrand, Lehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts, 180.)
23. Eine versoffene Jungfer und eine trunkene Frau sind zwei offene Thüren. – Winckler, I, 51.
24. Es ist eine üble Jungfer, die gern Scheren macht. – Eiselein, 546; Simrock, 5342.
25. Es ist um die schönste Jungfer nicht schade. (Schles.)
Zusatz: Wenn sie eine Hure wird.
26. Es wollen viele für Jungfern angesehen sein, die doch von vorn zeigen, dass man hinten kein Kind trägt.
Die Russen: Es würde manche für eine Jungfer gelten, wenn nur das Aussehen nicht wäre. (Altmann VI, 415.)
27. Et is gued Juffer bliywen, wann Eime nicks böen werd. (Westf.)
28. Hat man nicht Jungfern, so tanzt man mit Pfarrers Köchin. (Schles.)
29. Ist die Jungfer beringt, so ist sie gedingt. – Eiselein, 353; Braun, I, 1698.
30. Jungfern und Herren kostet Vernunft viel Seufzer. – Körte, 3228; Simrock, 5331.
31. Jungfern von Flandern geben einen um den andern. – Eiselein, 353; Simrock, 5322; Braun, I, 1695.
Flandern kommt auch in nichtdeutschen Sprichwörtern vor. Flandern machen oder eine Tour nach [1066] Belgien heisst in Frankreich soviel wie bankrott machen. Die Redensart: Il est de Flandre, in der Flandre scherzhaft statt flambé steht, bedeutet: Er ist verloren. »Nach Flandern ohne Messer gehen« heisst dagegen im Französischen etwas unternehmen, ohne die gehörigen Vorbereitungen dazu gemacht zu haben, weil es früher in den vlämischen Wirthshäusern Sitte war, den Gästen zum Essen keine Messer vorzulegen, indem man annahm, dass jeder das seinige bei sich führe. (Reinsberg V, 26.)
Lat.: Verba puellarum foliis leviora caducis, irritaque, ut visum est, ventus et aura ferunt. (Ovid.) (Philippi, II, 274.)
32. Lüsterne Jungfern sind wie des Müllers Hund, der das Maul leckt, ehe der Sack offen ist.
33. Man will nicht jede Jungfer heirathen, die man küsst.
Die Russen: Es wird bei mehr Jungfrauen eingefragt, als angefragt. (Altmann VI, 506.)
34. Manche Jungfer will wol keinen Mann haben, sie ist aber gern bei dem Volke, das Frauen machen kann. – Winckler, IV, 72.
35. Nimmst du eine Jungfer, so heisst's: wie du willst; nimmst du eine Witwe, so heisst's: wie sie will. – Pistor., X, 11.
36. Olde Jüffers moeten de Bull vör de Hell wegmöten. (Ostfries.) – Bueren, 961; Hauskalender, III.
37. Olle Jungfern upper Eren, wilt geerne Wiewere weren. (Waldeck.) – Curtze, 326, 141.
38. 'S sind nit alles Jungfere, die Tschäppele (Kränzchen) träget. (Frickthal im Aargau.) – Schweiz, II, 184, 5; Wurzbach II, 213.
39. Sie ist doch eine Jungfer gewesen, sagte der Pfarrer, als man ihn schalt, dass er ein Mädchen mit ein paar Kindern als Jungfer aufgeboten hatte.
40. Unse Jüffers (Jungfern) hebben sück mamsellen lâten, see de Maid. (Ostfries.) – Bueren, 1177; Hauskalender, III; Hoefer, 713.
41. Wär nich kan med Jungfern danzen, dei mot med Mamsellen danzen. – Schambach, II, 498.
42. Wemmer käne Jungfern hot, muss mer mit Huren dansen. – Lohrengel, I, 739; Schambach, II, 497; für Waldeck: Curtze, 325, 135; hochdeutsch bei Eiselein, 354; Körte, 3230; Frischbier2, 1839.
Wenn es getanzt sein mnss.
43. Wenn die alten Jungfern keine Freier bekommen, so müssen sie in Teich kriechen und Tunkmuttern werden. – Meisner, 113.
44. Wenn eine Jungfer fällt, so fällt sie auf den Rücken. – Simrock, 5340.
45. Wenn ich hätt' aller Jungfern Gunst, und aller Meister Kunst, und aller Künstler Witz; so wollt' ich ein Haus bauen auf ein' Nadelspitz'. Dieweil ich aber solches nicht kann, so muss ich bauen auf einen Plan. – Hertz, 29.
Hausinschrift in Schlesien.
46. Wenn sich die Jungfer aufs Küssen legt, so legt sie sich aufs Kissen. – Körte, 3235 u. 4028; Simrock, 3241; Braun, I, 1707.
Die Engländer drücken dieselbe Ansicht so aus: Freigebig mit der Lippe, freigebig mit der Hüfte. (Reinsberg VII, 8.)
Frz.: Dame touchée, dame jouée.
47. Wer keine Jungfer hat, der muss mit Schinderstöchtern tanzen. (Sauerland.)
48. Wo keine Jungfern sind, muss man Witwen heirathen.
*49. A îs wî ane Jumfer a sem Gesichte. (Schles.) – Gomolcke, 93; Frommann, III, 412, 485.
*50. A is wie anne Jungfer su erber (ehrbar). – Gomolcke, 94.
*51. Der Jumfer es 'ne Zand (Zahn) ûsgefalle. (Köln.) – Firmenich, I, 474, 122.
Sie ist Mutter geworden.
*52. Der Jungfer zur Ader lassen. – Frischbier2, 1838.
Das Wasser abschlagen. Nach Frischbier im gleichen Sinne: Der Jungfer das Geschwür stechen. Ebenso: Die Eier abgiessen. Den Pfeifenkopf ausklopfen.
*53. Die alten Jungfern thun mehr alleweil Wolken ausdauchen. (Oberösterreich.) – Baumgarten.
Wenn es lange und stark regnet. Die Wolken sind als nasse Tücher gedacht, die ausgewunden werden.
[1067] *54. Die Jungfer hat Flederwische feil.
Kann keinen Mann bekommen.
*55. Er ist wie eine Jungfer, er verträgt einen Stoss.
*56. Es ist eine Jungfer, die ein Eisen verloren hat. – Braun, I, 1696.
*57. Es ist eine Jungfer mit einem alten Gesicht.
Holl.: Het is eene jonge jufvrouw met een oud hoofd. (Harrebomée, I, 367b.)
*58. Es ist eine Jungfer, so unters alte Eisen gehört. – Eiselein, 353; Wurzbach II, 212.
*59. Es ist eine reine Jungfer mit dem siebenten Kinde.
Holl.: Zij is zulk eene reine maagd, als Jordens koe die jongen draagt. (Harrebomée, I, 366b.)
*60. Es ist um manche Jungfer schade. – Körte, 3227; Simrock, 5330; Braun, I, 1697.
Meist als scherzhafte Antwort auf die Bemerkung jemandes: Es ist schade darum.
*61. Et is en Jungfer mit en H (Hure). – Schütze, II, 79.
So nennt man spottweise in Hamburg ein Mädchen, die in einem zweideutigen Rufe steht.
*62. Mer sän ju hie unter uns Jumfern (Mädels). – Lohrengel, II, 380.
*63. Sie ist die beste Jungfer nicht.
Holl.: Zij is de beste juffer niet. (Harrebomée, I, 368a.)
64. Alte Jungfern und Eschenstangen halten manche Jahre.
65. Alte Jungfern und junge Hunde soll man ertränken. (Rumänisch.) – Neue Freie Presse, 4581.
66. Alte Jungfern gehören uf das sterzinger Moos. – Steub, I, 6242.
Dort sieht man zur Nachtzeit die Geister dieser Unglücklichen in irrenden Flämmchen über dem Moor tanzen.
67. Eine alte Jungfer kann auch noch einen Topf zerschlagen.
68. Es fielen drei Jungfern vom Himmel auf die Erde, die eine konnte segnen das Gras auf der Wiese, die andere das Laub auf den Bäumen, die dritte das Fell vom Auge. – Neue illustrirte Zeitung, 1879, I, 10.
Brandenburgischer Zauberspruch, um einen Fleck auf dem Auge verschwinden zu machen.
69. Es sind nicht alle Jungfern, die nicht huren.
Holl.: Als de meiden alleen huren, veilen zij den maagdom. (Harrebomée, II, 45b.)
70. Jungfern betten morgens, mittags die Frauen und abends die Sauen. (Schles.)
71. Jungfern sollen allezeit einen Damm vor ihren Zähnen haben, sie mögen wol gesehen, aber nicht gehöret werden.
72. Trau keiner Jungfer Angesicht, die eitel ist und Böses spricht.
73. Wären die Jungfern so stachlich gebor'n als wie die groben Reissigdorn, so geb' ich sicher den Bescheid, sie blieben Jungfern allezeit. – Gerlach, 76.
Lat.: Quando hirsuta foret spinosaque nata puella, floreret semper virginitate sua. (Binder II, 2732.)
74. Wäscht sich die Jungfer im Osterthau, wird sie bald eine schöne Frau. – Egerbote, 1875, S. 64.
75. Wenn ich könnt' die Jungfern zieren, wie ich das Haus kann renoviren; so wär' ich Meister in der Welt und hätte mehr als jetzt an Geld. – Hertz, 29.
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