Sattel

1. Auf eigenem Sattel reitet man am besten (sicher).

Daher sagen die Araber: Reite nicht auf dem Sattel deines Nachbars. (Cahier, 2279.)


2. Besser den Sattel als das Pferd im Stiche lassen.Winckler, VII, 18.

It.: È meglio perder la sella che il cavallo. (Bohn I, 97.) – È meglio dar la lana, che la pecora. (Gaal, 1343.)


3. Der Sattel bildet das Pferd.Schlechta, 59.


4. Der Sattel fehlt oft, wenn man auch den Esel hat.


5. Der Sattel passt nicht für den Esel.

Holl.: De zadel past den ezel niet. (Harrebomée, II, 487b.)


6. Der Sattel wird dem Esel nicht angerechnet. Cahier, 2537.

Er muss die Last tragen ausser dem Sattel.


7. Ehe sich einer lehrt in den Sattel schicken, felt er wol zweimal vom Pferd herunter.Petri, II, 159.


8. Ein goldener Sattel ist wol viel werth, aber er macht aus einem Esel kein Pferd.

Holl.: En gouden zadel maakt geen' ezel tot een paard. (Harrebomée, II, 487b.)


9. Ein kostbarer Sattel macht das Pferd nicht besser.

Aehnlich russisch Altmann VI, 441. Ein roher und lasterhafter Jüngling trieb in einer Gesellschaft viel Prunk und Wind mit seinem neuen, überaus prächtigen Kleide. »Warum lacht ihr?« fragte er einen Philosophen, der zugegen war. »Weil mir«, erwiderte dieser, »gerade einfiel, dass ein kostbarer Sattel das Pferd nicht besser macht.«


10. Ein Sattel, der passt in jedes Pferd, ist viel werth.


11. Ein Sattel passt auf mehr als Einen Rücken.

It.: Una sella non s'adatta ad un dosso solo. (Bohn I, 130.)


12. Em schlît nit auf de Sadel, dat et der Häöst fält. (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 1016.


13. Ist man erst im Sattel, dann ist das Reiten leicht.

Vorausgesetzt, dass man reiten kann. Eine treffliche Anwendung von diesen Worten machte Graf Bismarck als Bundeskanzler im norddeutschen Reichstage 1867: »Arbeiten wir rasch, setzen wir Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon können.« (Unsere Zeit, Leipzig 1871, Hft. 12, S. 842.)


14. Kein Sattel passt auf jeden Rücken.

Niemand ist zu jedem Geschäft tauglich.

It.: Non s'adatta una sella sola (una barda solo) a ogni dosso. (Biber.)


15. Man muss den Sattel auf das rechte Pferd bringen.

Engl.: Set the saddle on the right horse. (Bohn II, 129.)


16. Man muss fest im Sattel sitzen.

Lat.: Omni pede standum. (Quint.) (Philippi, II, 72.)


17. Man muss in alle Sättel gerecht sein.Simrock, 8717.


18. Man muss oft den Sattel nehmen wie er ist.

Engl.: Where saddles do lack, better ride on a pad than the bare horse-back. (Bohn II, 129.)


19. Man muss sich an den Sattel halten, wenn der Gaul fort ist.

»Den Sattel rettet mancher, dem der Gaul entwischt.« (Altmann VI, 443.)


20. Mancher meint, fest im Sattel zu sitzen, und das Pferd wirft ihn in den Sand.


[1] 21. Mancher meint sich im Sattel und hat noch keinen Fuss im Bügel.Winckler, IX, 84.


22. Mancher will sich in den Sattel schwingen und kommt nicht in den Stegreiff.Lehmann, 159, 22.


23. Nun ich einen Sattel habe, fehlt mir der Gaul, und da ich einen Sattel, hatte ich kein Pferd.

In Habesch heisst es: Als ich durch die Wüste zog, fehlte mir das Kamel; nun ich ans Meer komme fehlt mir der Kahn. (Altmann II.)


24. Wär erst einen Sâdel up'n Lîwe het, krist er âk noch mär up.Schambach, II, 531.

Wenn ein Pferd erst einmal gesattelt worden ist, so wird ihm der Sattel auch weiter auferlegt. Zu der übernommenen ersten Last gesellen sich bald noch andere.

25. Was soll dem der Sattel, dem der Gaul crepirt ist!

Die Russen: Hast du den Gaul verkauft, dann kannst du das Kummt verbrennen. (Altmann VI, 476.)


26. Wenn der Sattel lehr ist, kan man auffsitzen.Lehmann, 399, 9; Eiselein, 540; Simrock, 8715.

Steht in Lehmann's Florilegium unter der Ueberschrift Hurerei.


27. Wenn du schon auf dem Sattel sitzest, suche nicht mehr nach dem Rosse.


28. Wer auf zwei Sätteln reiten kann, das ist ein neutraler Mann.


29. Wer nicht in den Sattel kann, soll ungeritten lan.


30. Wer sich zwischen zwei Sättel setzt, reitet schlecht.

Frz.: Entre deux seller le cul à terre. (Bohn I, 17.)


31. Wer vest im Sattel sitzet, den kan man nicht leichtlich aussheben.Lehmann, 776, 33.


32. Zwei Sättel gehören nicht auf Ein Ross.Simrock, 8714; Eiselein, 539.


*33. A fällt uf a Sattel und nimmt's Pfard.Gomolcke, 446.


*34. A îs a olle Sottel gerecht. (Schles.) – Frommann, III, 416, 629.


*35. A schläd uf a Sattel und mênt's Fârt. (Schles.) – Frommann, III, 242, 20.


*36. Aem de Sadel det Ruoss (geben). (Siebenbürg.-sächs.) – Schuster, 1008.


*37. Auf den Sattel fallen und 's Pferd nehmen.


*38. Auff alle Sättel geschickt (gerecht) sein. Aventin, CCXXXIXb; Braun, I, 3721.

»Bapst Hildebrand kundt sich auff alle Sättel richten.« (Aventin, CCCCXXVb.)


*39. Aus dem Sattel lupfen.Eiselein, 539.


*40. Den rechten Sattel auf das rechte Pferd legen.


*41. Den Sattel bereit halten, ehe man das Pferd kauft.

Holl.: De zadel is gereed, eer het paard gekocht is. (Harrebomée, II, 487b.)


*42. Den Sattel schlägt er und den Esel (das Pferd) meint er.

Auch walachisch.


*43. Den Sattel tragen müssen.

Eine wie das »Stuhltragen« nichtadeliche Strafart früherer Zeit war: Harneskar, Haranskara, auch Harmskara genannt, Wörter, die wol noch unerklärt

[2] sind. Sie war in einem grossen Theile Deutschlands namentlich auch im Elsass üblich und bestand nach A. Stöber (Alsatia, 1851, S. 41) darin, dass der Verurtheilte im Missethätergewande, barhaupt und barfuss einen Sattel auf den Schultern tragen musste. (Vgl. J. Schilter, Ic, 432b; Wachter, 666-667; Michelet, Origines du droit français, Paris 1837, 579; J. Franck in Moltke's Sprachwart, 1868, S. 204.)


*44. Der ist auff all setel gericht.Hauer, kij2.

Lat.: Cothurno versatilior. (Hanzely, 38.)


*45. Ein goldener Sattel auf einem hölzernen Pferde.

Dies Wort wandte Gustav Adolf auf München in Bezug auf Baiern an. (Vgl. Prutz, Deutsches Museum, 1865, Nr. 51, S. 906.)


*46. Einem in den Sattel helfen.Körte, 5183; Eiselein, 539; Braun, I, 3720.

Ihm zur Erreichung eines Zwecks förderlich sein. In Pommern: Enen in den Sadel helpen. (Dähnert, 393a.) » ... Ein sehr nützliches Vieh, welches einem Hausswirth wol in den Sattel helfen kan.« (Coler, 418b.)

Frz.: Couper l'herbe sous les piés à quelqu'un. (Kritzinger, 181a.) – Faire perdre les arçons à un Cavalier. (Kritzinger, 34a.) – Mettre le pied à l'étrier à quelqu'un. (Lendroy, 1205.)

Holl.: Hij wordt in den zadel geholpen. (Harrebomée, II, 487b.)


*47. Einen aus dem Sattel heben (werfen).Eyering, I, 131; Grimmelshausen, Vogelnest, I; Herberger, I, 666; Körte, 5183a; Parömiakon, 2076; Braun, I, 3719.

Ihn mit Geschicklichkeit, Geschwindigkeit oder List eines Vortheils berauben. Ihn »abstechen, hinweg practiciren, abrennen.« (Mathesy, 179b.)

Holl.: Hij stoot (werpt, ligt) hem uit den zadel. (Harrebomée, II, 487b.)


*48. Er fällt aus dem Sattel.


*49. Er hat alle Sättel geritten.Frischbier2, 3208.


*50. Er hat auch einen Sattel. – Murner, Nb., 23.

Besitzt Mittel und Wege, andere auszuplündern, auszubeuten. »Ich schreib mein gesellen in der still, die ein solchen Sattel haben.« (Kloster, IV, 695.) (S. Sattel 70 und Sattelnahrung.)


*51. Er hat den Sattel aufs rechte Pferd gelegt. (Oberösterreich.)


*52. Er hat den Sattel zwischen den Beinen.Eiselein, 540.


*53. Er hat einen Sattel, der auf jedes Pferd passt.

Engl.: He has a saddle to fit every horse. (Bohn II, 177.)

It.: Ha sella ad ogni cavallo.


*54. Er hebt am Sattel und lässt die Gurre laufen.Sutermeister, 89.

Zur Bezeichnung eines thörichten Menschen, namentlich eines solchen, der in geschäftlicher Hinsicht unzweckmässig oder geradezu verkehrt handelt, besitzen die Schweizer noch eine grosse Anzahl Redensarten, die sich a.a.O. zusammengestellt finden. Aehnlich wie in der vorstehenden sagt man auch: Er lauft dem Füli noh und lot d' Märe z' Grund goh. Er hebet's Mögli und lot's Mehrli laufe. Er git meh um's Châresalb, as er mit dem Châre verdienet. Er git meh für de Hälsig as d' Sau wärth ist. Er het's Rössli as's Pfîfli tûschet. Er suecht d' Wurst im Hundsstâl. Er flücht de Räge und gheit i Bach. Er fahrt mit de Müse z' Acher. Er zählt de Blutzger und verwirft de Batze. (S. Land 243, Mehlsack 7, Mäuseseele, Ofen 142 und Richtig 9.)


*55. Er ist auss dem sattel gehebt. (S. Herz 481.) – Franck, II, 72b.


*56. Er ist gar aus dem sattel gesatzt (gehoben).Tappius, 86b; Eyering, II, 350 u. 395 III, 65.


*57. Er ist in alle Sättel gerecht (wie ein Jesuit). Eiselein, 539; Körte, 5184; Sailer, 298; Lohrengel, II, 333.

»Je nu, es koan wul nich immer a su glêche zugihn; derzu muss a Karle, der e dar Welt wîl fortkommen, in olle Sättel gerecht seyn.« (Keller, 142b.) Er ist zu allem zu gebrauchen; man kann alles aus ihm machen, weiss sich in alle Umstände zu schicken. Die englischen Neger in Surinam drücken diesen Gedanken durch das Sprichwort aus: Ich bin die Koralle, du kannst mich überall tragen.

Frz.: Étre au poil et à la plume. (Kritzinger, 544b.) – Il est de tous les métiers.

Lat.: Bonus lancorius et egregius dux. (Binder I, 141.) – Omnis Aristippum decuit color. (Horaz.) (Binder II, 2411; Eiselein, 539.) – Omnium horarum homo. (Binder I, 1296; II, 2419; Eiselein, 539; Frob., 513; Hauer, Kiij4; Tappius, 242b; Seybold, 416; Philippi II, 73.) – Pedem dextrum in calceo, sinistrum in pelvi (Suid.) (Philippi, II, 89.)


*58. Er ist leicht aus dem Sattel gehoben.Sailer, 299.


*59. Er ist vom Sattel uf's Bast cho.Sutermeister, 94.


[3] *60. Er kann alle Sättel gerecht gürten.Fischart, Trostb.

»Gleichwol gefällt vns hie im fürgang vber die masen sehr wol, das die Medici jnen also fein alle Sättel können gerecht gürten.« (Fischart, Trostb., in Kloster, X, 656.)


*61. Er kann auf zwei Sätteln reiten.

Sich weder für die eine, noch andere Partei erklären.

Frz.: Nager entre deux eaux. (Lendroy, 1062.)

*62. Es fehlt ihm nichts als der Sattel und das Pferd, dann könnte er reiten.

Böhm.: Není sedla, ani uzdičky, ba ani te vĕcicky, na niž se uzda dává. (Čelakovsky, 170.)


*63. Es ist ein Sattel auf alle Gäule.Eiselein, 540; Simrock, 8716; Braun, I, 3725.


*64. Es seind jhme alle Sättel gerecht.Lehmann, 787, 3.


*65. Fest im Sattel sitzen.Braun, I, 3724.

»Fast in'n Sadel sitt'n.« (Eichwald, 1617.) Seiner Sache gewiss sein, sich seines Vortheils nicht berauben lassen; seinen Satz standhaft behaupten.

Frz.: Etre ferme dans les arçons.

Holl.: Hij heeft zich in den zadel gezet. (Harrebomée, II, 487b.)


*66. Hi sjocht am a Sadel an sat arüübh. (Nordfries.) – Johansen, 144; für Sylt: Haupt, VIII, 361, 165.

Er sucht nach dem Sattel und sitzt darauf.


*67. In seinem Sattel steckt eine Nadel. (Aegypt.)


*68. Links in den Sattel steigen und rechts herabfallen.Altmann VI, 518.

*69. Sich auf zwei Sättel zugleich setzen.


*70. Sich des Sattels ernähren.Murner, Nb., 23; Hegewald, 75; Körte, 5183; Körte2, 6188.

Als Beutemacher und Räuber leben. Stammt aus der Blütezeit des Ritterlebens und Faustrechts, wo das Rauben ein adelicher Vorzug war. »Aller Adel waisst im land, wann wir schon kein erbtheyl hand, wir künnend vns der armut weren, allein von diesem sattel nehren.« (Murner, Nb., in Kloster, IV, 694.)


*71. Sich in alle Sättel richten (schicken).Parömiakon, 2764; Blum, 698; Körte, 5185; Braun, I, 3722.

Abraham a Sancta Clara (Wohlangefüllter Weinkeller) schildert einen elastischen Charakter dieser Art so: »Er trägt bald einen grauen Bart, wie Methusalem und lobt das Alter, bald einen jungen Bart und schändet die Jugend; bald ist er gross wie Goliath und verachtet die Demüthigen, bald ist er klein wie David und erhöht die Hoffärtigen; bald ist er schön wie Absalom und tadelt die Ungestalteten, bald schwarz wie Moses und rühmt die Schönheit; bald ist er ein Pfaffe, bald ein Affe; bald ein Bauer, bald ein Hauer, bald ein Kaufer, bald ein Saufer

Frz.: C'est une selle à tous les chevaux.


*72. Sich in Sattel schwingen (heben, setzen). Eiselein, 540.

Bedeutet im bildlichen Sinne auch die Nachfolger im Amte, wenn ein anderer den Sitz verlässt oder stirbt, z.B. wenn der Kaiser stirbt, setzt sich der König in den Sattel.


*73. Vom Sattel leben.Braun, I, 3723.

In früherer Zeit die Ritter.


*74. Vom Sattel seine Suppe kochen.Murner, Nb., 23.

Von Erpressung und Raub leben.


*75. Wieder in den Sattel kommen.

Sich fassen.

Frz.: Se remettre dans les arçons.


[Zusätze und Ergänzungen]

76. Wenn man auf den Sattel schlägt, das Pferd versteht's und geht.Neue Freie Presse, 4592.


*77. Er hat den Sattel gewechselt.

Seine Gesinnungen, Ansichten geändert.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876.
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