Schweiz

Schweiz I. (Karten) 1. Eisbedeckung zur Eiszeit und Jetztzeit. 2. Pflanzen- und Tiergeographische Übersicht. 3. Verteilung von Industrie und Landwirtschaft. 4. Historische Entwickelung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Schweiz I. (Karten) 1. Eisbedeckung zur Eiszeit und Jetztzeit. 2. Pflanzen- und Tiergeographische Übersicht. 3. Verteilung von Industrie und Landwirtschaft. 4. ...
Schweiz II. (Karten)
Schweiz II. (Karten)
1686. Schweiz.
1686. Schweiz.
Flaggen.
Flaggen.

[671] Schweiz (Schweiz. Eidgenossenschaft), republikanischer Bundesstaat in Mitteleuropa [Karten: Schweiz I u. II], (mit den Seen) 41.324 qkm; im S., SO. und O. zu etwa zwei Drittel der Oberfläche von den Alpen (Gipfelhöhe im Voralpenland 1200-2500 m, in den Hochalpen über 4600 m, Schneegrenze durchschnittlich 2700 m) bedeckt, mit über 600 Gletschern, im W., NW. und N. vom Jura (700-1500 m) eingenommen, zwischen den Alpen und dem Jura Hochebene (440 m); wichtige Flüsse: Rhein, Reuß, Rhône und Tessin; zahlreiche Seen (Genfer, Boden-, Neuenburger, Vierwaldstätter, Brienzer und Thuner See, Züricher, Zuger, Walen- und Luganer See, Lago Maggiore u.a.) mit 1343 qkm Fläche. Bevölkerung (1900) 3.315.443 E. [s. Beilage], gemischt; die Deutschen (meist alamann. Abstammung) bewohnen die Mitte, den Norden und Osten, die Franzosen den Westen, die Italiener das Tessin und das Pogebiet, die Romanen Graubünden; Verteilung der Bevölkerung sehr ungleich, am stärksten in der Hochebene, am schwächsten in den Hochalpen, durchschnittlich 80 E. auf 1 qkm. Auswanderung 1903: 5817, 1904: 4818 Personen, davon 4319 nach Nord- und 376 nach Südamerika. Landwirtschaft (21.291 qkm Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland, 8064 qkm Wald, 329 qkm Rebland), ertragreich, aber den Bedarf übersteigend nur in den Kantonen Schaffhausen, Solothurn und Luzern; Weinbau bes. in Wallis, Waadt, Neuenburg, Schaffhausen, Thurgau, Zürich; in der Bergregion Vorwiegen der Viehzucht; wichtige Milch- und Käseproduktion. Gesamtertrag der Forsten 40 Mill. Frs. jährlich; Bergbau wenig im Betrieb; Mineralquellen zahlreich, bes. in Leuk, Schwefelberg, Yverdon, Baden, Tarasp, St. Moritz, Pfäfers. Industrie alt und bedeutend, bes. in Baumwolle, Seide, Maschinen, Bijouterie und Uhrmacherei, Lebens- und Genußmittel, Lederverarbeitung etc. Handel ebenfalls wichtig [s. Beilage]; wichtigste Handelsplätze Basel, Genf und Sankt Gallen. Eisenbahnen 1904: 4460 km [s. Beilage: Eisenbahnen], 1677 Postbureaus und 2024 Postablagen; Telegraphenlinien 6170 km mit 22.571 km Leitungen, 52.509 Fernsprechstellen, 15.791 km mit 242.128 km Leitungen. Bedeutender Fremdenverkehr.Verfassung. Die im Wiener Kongreß 1815 als neutral erklärte Föderativ-Republik S. (Eidgenossenschaft) besteht aus 22 Kantonen, von denen 3 in Halbkantone geteilt sind: Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob dem Wald, Unterwalden nid dem Wald, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell-Außer-Rhoden, Appenzell-Inner-Rhoden, Sankt-Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf. Bundeshauptstadt Bern. Grundgesetz die Bundesverfassung vom 12. Sept. 1848, revidiert am 29. Mai 1874. Die Bundesversammlung, bestehend aus dem Nationalrat (auf je 20.000 E. 1 Mitglied; 1906: 167 direkt gewählte Mitglieder) und dem Ständerat (44 Mitglieder), ist die gesetzgebende, der Bundesrat, aus 7 von der Bundesversammlung auf 3 Jahre ernannten Mitgliedern bestehend, die vollziehende Behörde. Die Verfassungen der einzelnen Kantone sind demokratisch. Oberstes Bundesgericht (14 Mitglieder) in Lausanne. Finanzen. Münzfuß seit 1850 französisch, Maß- und Gewichtssystem metrisch. Einnahmen und Ausgaben 1904: 115.364.000 Frs. (Zölle 53.850.624, Posten 42.454.164, Telegraphen und Telephone 10.022.390; Bauwesen 10.553.200, Militär 29.142.536, Posten und Eisenbahnen 50.226.764 Frs.), Aktiva 263.144.290, Anleihen 94.248.000 Frs. Wappen: schwebendes silbernes Kreuz im roten Felde [Abb. 1686]; Flagge auf Tafel: Flaggen; Landesfarben: Weiß und Rot. Kirchenwesen. 5 röm.-kath. Bischöfe von Sion, Lausanne und Genf (Residenz Freiburg), Basel und Lugano (Residenz Solothurn), Chur und Sankt Gallen; ein alt- oder christl.-kath. Nationalbischof in Bern. Schulwesen in den einzelnen Kantonen nicht gleichmäßig, aber neuerdings im allgemeinen gut; 37 Lehrerbildungsanstalten, 175 gewerbliche, 9 Handelsschulen, 4 landwirtschaftliche, 3 Weinbau-, 1 Gartenbauschule, 4 Molkereischulen, 6 Universitäten (Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich, Freiburg), Akademie zu Neuenburg, Polytechnische Schule zu Zürich, 4 Priesterseminarien, 2 Tierarzneischulen etc. Heerwesen s. Beilage.Geschichte. Die ersten histor. Bewohner der S. waren die Helvetier (s.d.). Helvetien, seit 534 dem Fränk. Reich anheimgefallen, teilte unter Karls d. Gr. Nachfolgern das Schicksal des Deutschen Reichs, von dem es einen Teil bildete. Es wurde durch Reichsvögte verwaltet; die bedeutendsten die Zähringer, nach deren Aussterben 1218 unter den vielen Herren die Grafen von Savoyen im S. und die von Habsburg im N. am mächtigsten wurden. Letztere, denen der Aargau gehörte, übten im Namen des Reichs die Schirmvogtei über die Urkantone Schwyz, Uri und Unterwalden. Als die Habsburger auf den Kaiserthron gelangten, suchten sie die Waldstätte unter Österreichs Landeshoheit zu bringen. Diese schlossen aber nach dem Tode Rudolfs von Habsburg einen Ewigen Bund zur Behauptung ihrer durch einen Freiheitsbrief Friedrichs II. gewährleisteten Rechte und Freiheiten, die ihnen von Kaiser Heinrich VII. und Ludwig dem Bayern bestätigt wurden. Nach ihrem Siege über Österreich bei Morgarten 1315 erneuerten die Waldstätte Schwyz, Uri und Unterwalden zu Brunnen den Ewigen Bund, dem bis 1353 Luzern, Zürich, Glarus, Zug und Bern beitraten (Bund der acht alten Orte oder Junge Eidgenossenschaft). In den Schlachten von Sempach (1386) und Näfels (1388) errangen sie die Unabhängigkeit von Österreich; Karl den Kühnen von Burgund, der sie bedrohte, schlugen sie bei Granson und Murten (1476) und Nancy (1477). 1481 wurden Freiburg und Solothurn, 1501 Basel und Schaffhausen, 1513 Appenzell in den Bund aufgenommen (13 Orte bis 1798). Nach einem Kampfe mit dem Deutschen Reiche unter Maximilian I. wurden die Eidgenossen (allgemein Schwyzer nach dem damals hervorragendsten Orte) durch den Baseler Frieden (22. Sept. 1499) von der Teilnahme am Kammergericht, später von der Reichsmatrikel entbunden; von dieser Zeit datiert die Unabhängigkeit der S.Infolge der Reformation (s. Reformierte Kirche) kam es unter den Eidgenossen mehrmals zum Kampf; die kath. Kantone siegten über die reform. 1531 bei Kappel, 1656 bei Vilmergen, wurden aber 1712 wieder bei Vilmergen geschlagen. Der Hader erlosch erst seit der Mitte des 18. Jahrh. Das seit 1640 aufgestellte Neutralitätsystem bildete fortan die Grundlage der schweiz. Politik, während die im Innern herrschende Demokratie in eine drückende Oligarchie ausartete. Nach Ausbruch der ersten Franz. Revolution suchten die franz. Machthaber die S. zu einer abhängigen Nachbarrepublik zu machen; das Waadtland ward 1798 besetzt und nach Überwältigung Berns Helvetien in 18 gleich große Kantone geteilt, zu denen 1799 Graubünden kam. 1802 wurde die helvet. Zentralregierung gestürzt, die Herstellung einer neuen Ordnung hinderte aber Bonapartes Einmischung. Durch dessen Meditationsakte wurden 1803 den 13 alten Kantonen 6 neue hinzugefügt; Wallis wurde eine eigene Republik, aber 1810 mit dem franz. Reiche verbunden; Neuenburg, seit 1707 unter preuß. Hoheit, erhielt (1807) Fürst Berthier alt Lehn. Nach dem Einrücken der Alliierten in die S. 1813 ward die Mediationsverfassung abgeschafft [671] und der alte Bundesverband, jedoch unter Aufhebung der Untertanenverhältnisse hergestellt. Auf dieser Grundlage kam 7. Aug. 1815 eine neue Bundesurkunde zustande; sie genügte jedoch nicht und seit 1830 wurden in vielen Kantonen Verfassungsänderungen im repräsentativ-demokrat. Sinne vorgenommen, wogegen die Urkantone mit einigen andern einen kath.-reaktionären Sonderbund gründeten. Die Ausweisung der Jesuiten 1847 veranlaßte den Sonderbundskrieg, den General Dufour rasch beendete. Hierauf kam 12. Sept. 1848 eine neue Verfassung zustande. Ein mißglückter Versuch zur Herstellung der preuß. Souveränität in Neuenburg veranlaßte 1857 den Verzicht Preußens auf dasselbe. Als im Deutsch-Franz. Kriege die Armee Bourbakis 1. Febr. 1871 auf Schweizergebiet gedrängt wurde, entwaffneten drei aufgebotene Divisionen die übergetretenen Franzosen. Der von der Bundesversammlung durchberatene, 14. Mai 1872 dem Volk zum Referendum vorgelegte Entwurf der revidierten Bundesverfassung wurde von 14 Kantonen verworfen, ein neuer Entwurf aber 19. April 1874 angenommen. Die Übergriffe der röm.-kath. Kirche führten 1873 zur Absetzung des Bischofs Lachat in Solothurn und zur Ausweisung des Bischofs Mermillod; der Bundesrat hob 12. Dez. die päpstl. Nuntiatur zu Luzern auf, und die altkath. Kirche der S. erhielt durch die Wahl Herzogs zum Bischof der Nationaldiözese den Abschluß ihrer Organisation. 1883 kehrte Mermillod, vom Papst zum Bischof von Lausanne ernannt, in die S. zurück. 1887 wurde das Alkoholmonopol eingeführt, 1886-89 das Militärwesen verbessert. 1895 wurde durch die Annahme des franz. Handelsabkommens der Zollkrieg mit Frankreich beendet.Literatur. Zur Geographie, Statistik etc.: »Schweiz. Statistik« (1861 fg.), Egli (»Taschenbuch«, 2. Aufl. 1878, und »Neue Schweizerkunde«, 8. Aufl. 1889), »Die S. im 19. Jahrh.« (hg. von Seippel, 3 Bde., 1898-1900), Heer (2. Aufl. 1902), Schinz und KellerFlora der S.«, 2. Aufl. 1905), Knapp und Borel, »Dictionnaire géographique de la Suisse« (franz. und deutsch, 1900 fg.), »Polit. Jahrbuch der schweiz. Eidgenossenschaft« (1886 fg.), »Statist. Jahrbuch der S.« (1891 fg.); von Salis (»Schweiz. Bundesrecht«, 2. Aufl., 5 Bde., 1903-4); zur Geschichte: Joh. von Müller (mit Fortsetzung, 1806-53), Dändliker (3 Bde., 3. Aufl. 1892-1904), Dierauer (1887-91), Oechsli (19. Jahrh., 1903).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 671-672.
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