Freiburg in der Schweiz

[670] Freiburg in der Schweiz, 1) 9. Canton in der Schweiz, besteht aus dem Hauptland u. 3 Enclaven im Canton Waadt; Flächengehalt 26,6 (29,7) QM.; grenzt gegen Norden u. Osten an den Canton Bern, im Süden u. Südwesten an den Canton Waadt u. gegen Nordwesten an den Neuenburger See; an demselben liegt auch die größte der Enclaven mit Estavayer, die beiden kleinen, Surpierre u. Vuissens, etwas südlich davon. Die Oberfläche des Cantons ist vorherrschend bergig, u. besonders waltet der Gebirgscharakter vor im südlichen u. südwestlichen Theile, wo vom Jorat her zuerst ein hügeliger Landrücken zwischen der Broye u. den Zuflüssen des Neuenburger Sees sich bis 2140 F. erhebt u. im Wüstenlach ausläuft, ein zweiter aber unter dem Namen des Gibloux sich zwischen Broye u. Saane ausbreitet, der in seinem höchsten Gipfel die Höhe von 3703 F. erreicht, u. ebenso im östlichen Theile, in welchen die Berner Stockhornkette einen Zweig entsendet gegen die Saane mit dem Berra 5300 F., der Wandfluh 6582 F., Kaiseregg 6645 F., Schafberg 6936 F. hoch; endlich ziehen sich noch von den Waadtländer Alpen vom Dent de Jaman her Zweige in den südlichen Theil, wo der Moléson 6172 F., die Hochmatt 6637 F., der Tzermont 6979 F., der Brenlaire 7250 F., der Vanil noir 7346 F. hoch stehen. Der größte Theil des Hügel- u. Berglandes besteht aus Sandstein, welcher viele Versteinerungen in sich hat u. im Gibloux von Nagelflue überlagert wird, worunter sich häufig Steinkohlen finden; die Kalksteinformation der Alpen im Süden enthält häufig Feuersteine, Gyps u. Kalksteinschiefer. Größere Ebenen finden sich nur um den Murtener See, u. nördlich von dieser breitet sich sogar ein Sumpfland aus, zum sogenannten großen Moos g. hörig Die meisten Flüsse gehören zum Rheing biet, Hauptfluß ist die Saane (Sarine), welche die Mitte des Cantons von Süden nach Norden durchströmt, rechts die Jaun, Ergera u. Sense, links Hongrin, Trême, Sionge, Glane, Sonna aufnimmt u. bei Laupen in den Canton Bern übergeht; die Veveyse fließt jn den Genfer-, die Broye, der Bibernbach u. Chandon in den Murtener See. Die Hälfte des letzteren u. ein bedeutender Theil des Neuenburger Sees gehören dem Canton an, der außerdem noch kleinere besitzt, wie den Seedorfer See bei Freiburg u. den Schwarzsee im Bezirk der Sense; auch Mineralquellen finden sich mehrere u. sind sämmtlich schwefelhaltig. Das Klima ist im Norden milder als im Süden, der Mittelstand des Barometers 6–7 Grad R. Producte in den Thalflächen der Flüsse: Hanf, Flachs, Mais, Obst, im Nordwesten Getreide, Wein, Gemüse, Tabak; höher hinauf wechseln Wiesen, Alpen u. Wälder, u. hier ist die Viehzucht vorherrschend, nebst Waldcultur; berühmt sind die Käse von Greierz; gezogen werden Rinder, zum besten Schlage der Schweiz gerechnet, Schafe, Ziegen, Schweine u. Pferde, an Wild finden sich Gemsen, Rehe, Hafen, Luchse, selten wilde Schweine, im Norden viel wildes Geflügel. Außer den genannten sind noch andere Erwerbszweige, Strohflechterei, Gerberei, Fabrikation von Tabak, Baumwollen- u. Halbleinenwaaren, Uhren u. etwas Seidenweberei. Die Volkssprache ist eine französisch-deutsche Mischsprache in mehreren Dialekten; die deutsche herrscht vor um Freiburg u. Murten, die Sprache in Staatsangelegenheiten ist die französische; 1850 99,890 Ein w., wovon 1/8 Protestanten, alle übrigen Katholiken sind, die zum Bezirk des Bischofs von Lausanne gehören. Eingetheilt ist der Canton in 7 Bezirke: den Saane-, Vroye-, Glane-, Greierz-, See-, Sense- u. Veveysebezirk. Die Verfassung des Cantons vom 4. März 1848 stimmt im Wesentlichen mit der der übrigen repräsentativ-demokratischen Cantone überein u. hat nur die Abschaffung der Todesstrafe, Aufhebung der Majoratsrechte, Substitutionen u. Familienfideicom[670] misse u. die Unverletzlichkeit des Eigenthums als ihr eigenthümliche Artikel. Die gesetzgebende Gewalt, der Große Rath, besteht aus den durch die Wahlversammlungen, wozu jeder Bürger gehört, der das 20. Jahr zurückgelegt hat, u. aus 10 durch den Großen Rath selbst gewählten Mitgliedern; ihre Amtsdauer ist auf 9 Jahre festgesetzt. Der Staatsrath besteht aus 7 durch den Großen Rath auf je 8 Jahre gewählten Mitgliedern u. hat in jedem Verwaltungsbezirke einen Oberamtmann zu seinem Stellvertreter. In den Nationalrath sendet F. 5 Mitglieder, in den Ständerath 2; zum Bundesheer stellt es 4432 Mann u. zahlt 39,956 Franken als Bundesbeitrag. Die ordinären Einnahmen betrugen 1853_: 1,060,771 Fr., dagegen die Ausgaben 938,049 Franken. – In Münzen, Maßen u. Gewichten rechnet F. in neuester Zeit wie die übrige Schweiz, s.d. Früher waren gebräuchlich als Längenmaße: der F-r Fuß = dem Berner Werkschuh; die Elle von verschiedener Länge, der Stab in der Stadt F. = 474,15 Par Linien; die Werkklafter von 10 Schuh, der Juchart von 50,000 QSchuh = 43 französische Aren. Auch das Getreidemaß war verschieden; in der Stadt hatte der Mütt 3 Sack, 12 Coupes (Kopf), 24 Bichets (Mäß), 28 Quarterons, 288 Emines (Immi); 1 Sack = 127,746 Liter = 5440 Pariser Kubikzoll. Flüssigkeitsmaß: das Faß à 16 Brenten (Eimer), à 25 Maß, à 4 Schoppen (Viertel); die Maß, welche wiederum verschieden war, enthielt in F. 9,562 Liter = 78,74 Pariser Kubikzoll. Das Gewicht war ebenfalls verschieden; in F. das Pfund Krämer- od. Eisengewicht = 528,811 Gramm; Gold- u. Silbe rgewicht das alte Pariser Poids de marc. 2) (F. im Üchtlande) Hauptstadt des Cantons an der Saane, besteht aus der deutschredenden Unterstadt im engen Flußthale, u. der französisch redenden Oberstadt, die sich terrassenförmig an einem Sandsteinfelsen erhebt. Über die Saane führt eine große Hängebrücke, 1832 bis 1834 erbaut, 885 Schweizer Fuß lang, 20 Fuß breit, eine zweite Drahtbrücke südwestlich bei der Stadt über das Gatternthal, 1840 erbaut, 894 Fuß lang. Die Stadt ist mit hohen Mauern umgeben, hat 4 öffentliche Plätze, Rathhaus, Regierungsgebäude, Münze, Zeughaus, Staatsgefängniß, Stadtbibliothek u. Archiv, Cantonsschule im ehemaligen (bis 1847) Jesuitencollegium, Bürgerhospital, Primärschule, Lyceum mit Cantonsmuseum, Sternwarte, Ökonomische Gesellschaft u. Gesellschaft der Geschichtsforscher, Sparkasse, Theater, 8 Klöster u. 4 Kirchen, worunter die 1183–1500 im Gothischen Styl erbaute Hauptkirche St. Nikolaus. Vor dem Rathhause steht noch die 1480 zum Andenken der Murtener Schlacht gepflanzte Linde. F. ist der Sitz der Cantonbehörden, des Bischofs von Lausanne, einer eidgenössischen Postdirection, eines Telegraphenbureau etc.; hat über 100 Gasthäuser, 2 öffentliche Bäder, Brauereien, Fabriken für Tabak, Cichorie, Stroh, Fayence, Eisengeschirre, Wollgarn, mehrere Färbereien u. Gerbereien; Freimaurerloge: La Régénérée; 9580 Ew.; wovon wenig über 500 Protestanten.

Der Canton F. gehörte im frühen Mittelalter, als ein Theil des Üchtlandes, zur Franche Comté. Mit dieser kam es im 11. Jahrh. zum Deutschen Reiche u. zwar zum Gebiet der Grafen von Zähringen. Berthold IV. gründete die Stadt 1179, 1219 wurde sie reichsunmittelbar, aber im 14. Jahrh. den Grafen von Kyburg u. dann den Grafen von Habsburg unterworfen. 1450 eroberte sie der Herzog von Savoyen u. besaß sie bis 1477. 1481 trat F. mit seinem Gebiete durch das Stanzer Verkommniß der Eidgenossenschaft bei. 1516 wurde in der Stadt der Friede zwischen König Franz I. von Frankreich u. den Schweizercantonen, welche sich der Besitznahme Mailands widersetzten, unterzeichnet. F. blieb beim Beginn der Reformation bei der Katholischen Kirche, weshalb sich 1525 der Bischof u. das Domstift von dem Protestantischen Basel nach F. begaben. Dennoch stand F. 1530 Bern u. Genf gegen den Herzog von Savoyen bei, der als Inhaber der Gerichtsbarkeit in letzter Stadt die Reformation mit Gewalt zu unterdrücken strebte; in Folge dessen wurde der Herzog zum Frieden von St. Julien genöthigt. Als aber 1534 der Rath von Genf die öffentliche Ausübung der Reformirten Religion gestattete, hob F. seinen Bund mit Genf auf. F. theilte nun das allgemeine Geschick der Schweiz. Die Verfassung des Cantons war Anfangs demokratisch, doch nach u. nach bemächtigten sich die Patrizier der Regierung u. bildeten den Rath der Sechziger od. die Heimliche Kammer (die Heimlichen). Unter diesem Rathe entstanden Parteiungen, die sich bald weiter verbreiteten, u. 1787 empörten sich Bürger u. Landleute u. wollten die bisherige Verfassung umstoßen. Anfangs begünstigte das Glück den Aufstand, aber mit Berns Hülfe unterdrückte der Rath denselben u. nachdem er durch Versprechungen das Volk beruhigt hatte, ließ er es beim Alten. In Folge der Französischen Revolution erneuerten sich die Unruhen, u. mit Hülfe der Franzosen, welche am 2. März 1798 F. besetzten, wurde die Verfassung umgestoßen. 1803 wurde F. einer der 6 Vorörter der Helvetischen Republik. Die neue demokratische Verfassung wurde nach Napoleons Sturz, am 27. Mai 1815 wieder aufgehoben u. die aristokratische Verfassung mit einigen Modificationen wieder hergestellt. Der Große Rath von 116 Mitgliedern u. der Kleine von 16, so wie das Censurgericht (Gericht der Heimlichen), welche über Erhaltung der Constitution wachen sollten, traten wieder an die Spitze der Regierung. Das aristokratische Regiment lastete mit schwerem Druck auf der großen Masse des Volkes u. wurde für den Canton u. später für die Eidgenossenschaft verhängnißvoll durch die Berufung der Jesuiten, welche in F. den Hauptstützpunkt ihrer Ordenspropaganda fanden. Schon 1829 zeigte sich in F. große Unzufriedenheit, die aber durch strenge polizeiliche Maßregeln, Preßzwang etc. niedergehalten wurde, aber im Herbst 1830 wurden die Unruhen bedrohlicher. Am 27. November 1830 verlangten Abgeordnete von Murten eine Veränderung der Verfassung in demokratischem Sinne, u. obgleich der Rath das Gesuch abschlug u. Truppen in der Stadt zusammenzog, sah er sich doch schließlich genöthigt, dem Dringen des Volkes nachzugeben. 1831 wurde nun eine neue Verfassung eingeführt, durch welche alle Vorrechte der verschiedenen Orte vor den andern u. der Patrizier aufgehoben u. vollkommene Gleichheit der Rechte u. Pflichten für alle Staatsbürger eingeführt wurde. Nach Einführung dieser liberalen Verfassung vom 24. Jan. 1831 blieb die eigentliche Regierungsge[671] walt im Cantone dennoch in den Händen der Jesuiten, die das Landvolk beherrschten u. den Bürgerstand sogar noch leichter in ihr Interesse zu ziehen wußten, als früher die Patricier. Die liberale Partei kämpfte vergeblich gegen die sich immer verstärkende geistliche Gewalt an; im Großrath zählte sie kaum ein Drittel der Stimmen; der Staatsrath wie die wichtigen Stellen der Bezirksrichter waren mit Ultramontanen besetzt. Am stärksten regte sich der protestantische Bezirk Murten, der schon 1844 in Folge der Jesuitenberufung nach Luzern an der, durch die Schweiz gehenden Bewegung lebhaften Antheil genommen hatte. Eine Protestpetition ging von Murten aus an die Tagsatzung nach Zürich, u. als dieselbe vergeblich geblieben war, brach am 6. Jan. 1847 ein Aufstand zu Murten aus, der jedoch von den Ultramontanen unterdrückt wurde; die liberalen Führer entflohen, 70 Cantonsbürger wurden verhaftet u. erfuhren die ganze Strenge des Gesetzes. Die Regierung hielt nun erst recht fest zum Sonderbunde. Im Sonderbundskriege war F. der erste Canton, gegen den sich der Angriff des eidgenössischen Heeres richtete. Am 13. Nov. 1847 waren die beiden in das Land eingerückten Divisionen in der Nähe von F. angelangt, u. am 14. ergab sich die Stadt; die Regierung erklärte, sich den Beschlüssen der Tagsatzung unterwerfen zu wollen. Die Jesuiten waren entflohen, der alte Staatsrath hatte sich selbst aufgelöst; Männer von erklärter Liberalität bildeten, von einer Volksversammlung provisorisch ernannt, die neue Regierung. Der von der Sonderbundsregierung im Jan. 1847 verfassungswidrig ernannte Gemeinderath mußte dem früheren wieder weichen. Durch Decret vom 19. Nov. wurde den Jesuiten u. den mit ihnen affiliirten Corporationen u. Congregationen das Niederlassungs- u. Erwerbungsrecht im Canton gänzlich entzogen, die ihnen angehörigen Personen aus dem Gebiet des Cantons gewiesen u. alle von ihnen besessenen Güter für das Staatsvermögen eingezogen. Franciscaner, Capuziner, Augustiner etc. blieben ungestört in ihren Rechten. Von der Regierung wurde dem neuen, fast ohne Ausnahme aus liberalen Mitgliedern bestehenden Großrath der Entwurf einer neuen Verfassung vorgelegt, welche auch, obschon dem Volke nicht zur Annahme od. Verwerfung vorgelegt, am 10. Juli 1848 die landesrechtliche Gewährleistung erhielt. Der Streit zwischen der ans Ruder gelangten Partei u. den Clerikalen stieg jetzt zur größten Erbitterung, theils wegen in die Verfassung aufgenommener harten Bestimmungen über die Geistlichkeit, theils wegen der gewaltigen Höhe der Steuern u. Strafen als Kriegsoccupationskosten von 1,600,000 Franken, die dem Clerus in sehr willkürlicher Vertheilung auferlegt worden waren. Als die Regierung Gewaltmaßregeln ergriff, appellirte die Geistlichkeit an das ohnehin schon aufgeregte Volk. So brach am 23. u. 24. October ein Bauernaufstand in der Gegend von Rue u. Chatel St. Denis aus, wobei an 2000 Landleute, nach Gefangennehmung der Bezirksbeamten u. Großräthe, die Priester mit dem Kreuze voran, gegen F. zogen. Die Regierung unterdrückte jedoch, mit Hülfe Berner u. Waadter Milizen, die Empörung im Keime. Bischof Marilley wurde hierauf am 25. Oct. verhaftet, zunächst nach Lausanne, dann nach Schloß Chillon abgeführt, am 13. Decbr. über die französische Grenze gebracht u. ihm untersagt, in dem Sprengel von Lausanne u. Genf bischöfliche Functionen auszuüben u. in den zur Diöcese gehörigen Cantonen sich ferner aufzuhalten. Seitdem blieb die Aufregung im Cantone trotz einer allgemeinen Amnestie unvermindert. Die Regierung hielt sich zwar, verlor jedoch immer mehr die Sympathien der Bevölkerung, wie sich dies auch in einer Petition, die den Rücktritt des Staatsraths forderte, kund gab. Einen Schritt zur Versöhnung versuchte Letzter unter Vermittelung der Bundesversammlung dadurch zu thun, daß er am 21. Decbr. die Straferkenntnisse wegen der Octoberereignisse in so weit niederschlug, daß nur die zei therigen Untersuchungskosten den Angeklagten zugewiesen, die Kriegssteuer von 1,600,000 Franken aber, um 200,000 Franken vermindert, in eine gezwungene Anleihe umgewandelt werden sollte, welche nach 20 Jahren durch Rückzahlung zu vergüten sei. Inzwischen hatte aber Bischof Marilley bereits den Canton mit seinem Interdict belegt, u. in Folge hiervon brach im Oct. 1850 ein zweiter Aufstand aus, der jedoch erfolglos blieb. Eben so erfolglos war ein drittes Attentat am 22. März 1851, bei demgegen 80 Bauern aus Greierz u. Romond unter Führung der Gebrüder Carr. ard die Stadt überrumpelten, bald jedoch durch Bürgerwehr u. Gensdarmerie überwunden u. großentheils gefangen wurden. Die Regierung gewann aus diesem Putsche neue Kraft. Der unter dem 8 April einberufene Großrath billigte die von der Regierung getroffenen Maßregeln; bewilligte einen außerordentlichen u. unbeschränkten Credit behufs Ausführung von Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ordnung u. verlangte von Frankreich die Internirung des Bischofs Marilley. Inzwischen stellte sich immer mehr heraus, daß mindestens 6/7 der Bevölkerung entschiedene Gegner der bestehenden Regierung waren, die sich nur durch die Bajonette der Berner u. Waadtländer erhielt u. dabei vor keiner Gewaltthätigkeit zurückschreckte. Die große Menge wollte sich durch Aufstände von diesem Drucke befreien, die Besonnenen zogen es vor durch eine friedliche Volksversammlung die Stärke ihrer Sache zu zeigen, was nach dem allgemeinen Schweizer Bundesrechte nicht wohl gehindert werden konnte. Sie wurde auf den 24. Mai 1852 zu Posieux zwischen Stadt Freiburg u. Boll (Bulle) von den geachtetsten Männern des Cantons, Vuilleret an der Spitze, anberaumt. Mehr als 16,000 Bürger des Cantons kamen hier zusammen u. beschlossen eine Eingabe an den Bundesrath, worin sie gegen die ihnen von einer kleinen Minderheit mit Hülfe fremder Waffen aufgedrungene Verfassung sich verwahrten u. verlangten, daß die Verfassung ihres Cantons dem Volke zur Abstimmung vorgelegt werde. Die eidgenössischen Körperschaften, welche die Verfassung von 1848 auf 10 Jahre gewährleistet hatten, schlugen dieses Verlangen ab, beschlossen aber, daß die Forderung der noch rückständigen, den Sonderbundcantonen auferlegten Kriegsentschädigung im Betrage von 2–3 Millionen denselben erlassen sein solle. Da die radicale Regierung ihr gestrenges Regiment fortführte, so folgten neue Aufstände; der vom 22. April 1853 mit dem Bürgerwehrhauptmann Périer an der Spitze, wurde erst in der Nacht vom 21. auf den 22. Mai besiegt, wo die Aufständischen die Stadt hatten[672] überrumpeln wollen. Das Hervortreten der materiellen Interessen änderte aber auch hier die politische Lage, indem die radicale Partei mit der conservativen in dem Verlangen nach einer Eisenbahn vom Genfer See über die Stadt F. nach Bern zusammentraf. Unerwartet wählte daher der Große Rath im Nov. 1854 zwei Hauptgegner der Radicalen, Bonderweide u. Bondallaz, zu Regierungsmitgliedern. In Folge einer Übereinkunft mit der Genfer Regierung fand die Rückkehr des vertriebenen Bischofs Marilley unter der Bedingung statt, daß der Bischof die Schweizer Bundesverfassung u. die Cantonalverfassung anerkenne u. daß vom Papst ein Reglement über die Ausübung der bischöflichen Gewalt zur Verhütung jeder ferneren Reibung zwischen der weltlichen u. geistlichen Gewalt gegeben würde. Einen entschiedenen Sieg errang die conservative Partei bei den Neuwahlen zum Großen Rathe (Gesetzgebungskörper) im Dec. 1856, u. bei seinem Znsammentritt beschwor derselbe nun die Staatsgesetze, beschloß aber die Verfassung abzuändern (Jan. 1857). Die neue Verfassung wurde dem Volke vorgelegt u. von ihm mit großer Mehrheit angenommen (27. Mai). Die in Folge der Ereignisse noch nicht begnadigten Verbannten od. Verurtheilten erhielten Amnestie, darunter der früher sehr einflußreiche Dekan Aeby. Der Verkauf von Klöstern u. geistlichen Gütern wurde eingestellt, den noch bestehenden Klöstern die Aufnahme von Novizen gestattet u. das Decret üler Aufhebung der Klöster zurückgenommen. Der Große Rath setzte die Besoldungen der Regierungsmitglieder u. Beamten wieder herunter u. ernannte größentheils gemäßigte u. besonnene Männer. An die Spitze der Cantonsschule stellte die Regierung wieder einen Geistlichen (Sept. 1857). Eine jesuitenfreundliche Richtung scheint aber weniger allgemeinen Anklang gefunden zu haben, denn als der Große Rath (März 1858) beschloß, den Jesuiten u. Ligurianern ihr im Jahre 1847 von den Radicalen weggenommenes Eigenthum zurückzugeben, wurde die Stimmung weniger günstig, so daß die Regierung sich veranlaßt sah, am 3. April die Stadt F., den Hauptsitz der Radicalen, in Belagerungszustand zu erklären. Sie beanstandete auch die Verpflichtung mehrerer zu Gemeindebeamten gewählten Radicalen u. fing an die Wahlen mit denselben gewaltthätigen Mitteln zu beherrschen, mit denen die Radicalen sich im Besitze der Regierungsgewalt zu erhalten gesucht hatten. Vgl. Lalive d'Epinay, Etrennes Fribourgeoises pour les années 1806–1809, Freib. 1810; Staatsverfassung u. Gesetze der Stadt u. Republik F., Freib. 1816; Decrete, betreffend die Organisation des Cantons F., Freib. 1817; Sammlung der Gesetze, Decrete etc. der Regierung des Cantons F., Freib. 1803–1817, 8 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 670-673.
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