[838] Wasserreinigung, in der Wasserversorgung die Befreiung des Wassers von Stoffen, welche seiner Verwendung als Trink- oder Brauchwasser im Wege stehen.
Von der Wasserreinigung unterscheidet sich die Abwasserreinigung für städtische und industrielle Abwässer, vgl. die Art. Abwasser, Bd. 1, S. 50, Ablagerungsbassin, Bd. 1, S. 18, Berieselung, Bd. 1, S. 702, Filterpresse, Bd. 4, S. 35, Flußverunreinigung, Bd. 4, S. 128, Kläranlagen, Bd. 5, S. 489, Klärung der Waschwasser (im Bergbau), Bd. 5, S, 501, und Kläranlagen im Erg.-Bd., S. 425.
Wahl der Reinigungsart. Wir wollen in folgendem kurz die in den verschiedenen Fällen in Betracht kommenden Methoden angeben. Welche von mehreren Methoden am besten angewandt wird, hängt im einzelnen Fall von den örtlichen Anschauungen, Betriebsrücksichten und Kosten ab.
1. Entfärbung des Wassers. Bei Färbung durch Huminstoffe: Zusatz von schwefelsaurer Tonerde (Jewellfilter), Versetzung mit eisenhaltigem Wasser; ferner sind zu erwägen Manganpermutitfilter, das Andersonsche Verfahren, das Ferrochlorverfahren, der Zusatz von Eisensulfat, von Chlorperoxyd und schließlich die Ozonisierung.
2. Desodorisierung. Zunächst benutzt man (z.B. gegen Schwefelwasserstoff) die Lüftung des Wassers durch Brausen, Siebung und Rieselung. Auch die Ozonisierung wirkt desodorisierend. Muffiger, modriger Geruch wird in Groningen durch Alaunzusatz, sonst auch durch geschlossene Manganpermutitfilter beseitigt. Fischgeruch wird entfernt durch Eisensulfat oder Kupfersulfat. Auch das Ferrochlorverfahren kommt hier in Anwendung.
3. Geschmacksverbesserung. Hierfür kommen heute in Betracht: Umwandlung von Oberflächenwasser in Grundwasser, Kühlung des Wassers in tiefen Becken oder Schächten, das Rieseln über Gradierwerke sowie chemische Zusätze.
4. Beseitigung von (tonigen) Trübungen. Anwendbar sind: Absitzbecken, eventuell mit Zusätzen von Chemikalien, z.B. schwefelsaurer Tonerde, Kaliumpermanganat, Eisensulfat, und Nachbehandlung in Schnellfiltern, außerdem das Ferrochlorverfahren. Leichtere Trübungen beseitigen die gewöhnlichen Langsamfilter und Schnellfilter.
5. Beseitigung der organischen Substanz einschließlich der Huminstoffe. Verwendung finden: mehrfache Lüftung und Filtration, Zusätze von schwefelsaurer Tonerde, Kaliumpermanganat, Chlorkalk sowie das Ferrochlorverfahren und die Ozonisierung.
6. Beseitigung des Planktons. Am einfachsten wirken Schnellfilter, unsicher ist die Wirkung von Kupfersulfat, wenigstens in großen Becken (Talsperren).
7. Beseitigung der Bakterien. Hierfür dienen:
a) Ozonisierung, eventuell mit Vorfiltration;
b) Langsamfilter, eventuell mit chemischer Vorbehandlung, z.B. durch schwefelsaure Tonerde, Kaliumpermanganat, Ferrochlor, Chlorperoxyd; c) Chlorkalkbehandlung;
d) Behandlung mit ultravioletten Strahlen, meist mit Vorreinigung;
e) Kochen und Destillieren.
8. Enthärtung des Wassers. Das zurzeit vollkommenste Verfahren ist die Behandlung mit Permutiten, das Abkochen zur Beseitigung der vorübergehenden Härte wird nicht im großen angewandt. In der Industrie viel verwendet sind das Kalksoda- und das Reisertsche Kalk-Barytverfahren. Dazu kommen die Bestrahlung des Kesselspeisewassers mit Tageslicht und die Enthärtung durch Beseitigung der Kohlensäure.
9. Beseitigung von freiem Sauerstoff und Kohlensäure. Wir schicken voraus, daß mangelnder Luftgehalt eines Wassers durch Belüftung beseitigt werden kann und nennen als Mittel zur Entfernung freier Säuren die Marmorrieselung, die Wehnersche Vakuumrieselung[838] und das Heyersche Verfahren. Beider Lüftung im Enteisenungsprozeß findet neben der Ausscheidung von Kohlensäure und Sauerstoff auch eine solche von Schwefelwasserstoff statt. Schließlich kommt auch die Verwendung von Aetzkalk in Betracht.
10. Enteisenung. Man benutzt Lüftung und Rieselung durch Siebe, Brausen, Riesler, Preßluftpumpen, Preßluftstäbe mit nachheriger Filtration, Braunsteinfilter. Mineralsäure Eisenverbindungen werden beseitigt durch Eisenchlorid, Kalkwasser und Ozon. Huminstoffe mit Eisen bekämpft man mit schwefelsaurer Tonerde, Rieselung und Filtration durch Mischung mit hartem Wasser, Kalkwasser, Ozon.
11. Manganbeseitigung. Manganbikarbonate werden beseitigt durch Rieseln und Filtern wie das Eisen. Gegen Mangansulfate verwendet man: Manganpermutite, Kalkmilch, schwefelsaure Tonerde mit Rieselung und Filtration und das Verfahren von Pappel.
Für rein technische Betriebe wird es in der Regel genügen, ein Reinwasser zu erhalten, welches klar, farblos, durchsichtig, eisenfrei, weich und von geringem Chlorgehalt ist. Ob noch andre Anforderungen an das Wasser zu stellen sind, hängt von dem Gebrauchszwecke ab, niemals aber wird bei technisch zu verwendendem Wasser die möglichst weitgehende Keimarmut die überwiegende Bedeutung haben wie bei Trinkwässern.
In der Praxis müssen und dürfen die strengsten Anforderungen an die größten Werke gestellt werden, bei kleineren und kleinsten Anlagen wird man sich oft mit einem vergleichsweisen Minimum begnügen müssen.
Bekanntlich spielt heute noch die langsame Sandfiltration eine bedeutende, von vielen fast für unantastbar gehaltene Rolle.
Wenn wir die Wirkung der langsamen Sandfiltration mit derjenigen andrer Wasserreinigungsverfahren vergleichen wollen, so wird es gut sein, einige Worte vorauszuschicken, welche Fränkel und Piefke über die Langsamsandfilter im Jahrgang 1890 der Zeitschrift für Hygiene ausgesprochen haben. Diese lauten: »Auf jeden Fall sind die Sandfilter, selbst wenn ihr Betrieb von berufenster und sachkundigster Hand unter Berücksichtigung der von uns ermittelten Tatsachen geleitet wird, doch nicht imstande, eine vollständige Sicherheit für ausreichende Säuberung des Trinkwassers von schädlichen, infektiösen Stoffen zu geben.«
Aus vorstehendem scheint uns so viel hervorzugehen, daß man heute insbesondere bei Versuchen mit neueren Reinigungsverfahren vielfach die Leistung der Langsamsandfilter im Vergleiche zu jener zu hoch einschätzt. So wird neueren Methoden nicht selten zum Vorwurf gemacht, daß sie nur in beschränktem Maße keimtötend wirken, und dabei wird vergessen, daß genau dasselbe von der langsamen Sandfiltration gilt. Damit wollen wir die langsame Sandfiltration nicht herabsetzen, wir wünschen nur, einen objektiveren Vergleichsboden zu schaffen, als man ihn häufig in neuerer Zeit anzutreffen gewöhnt ist.
Noch ein Punkt sei hier erwähnt: Die Frage chemischer Zusätze. Heute ist man nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch schon bei uns nicht mehr immer in der Lage, sich den Wasserbezugsort nach Belieben wählen zu können, sondern man wird heute schon und mit der Zeit an immer mehr Orten gezwungen sein, dasjenige Wasser zum Trinken zu verwenden, welches man eben bekommen kann. Da wird es sich nun immer weniger vermeiden lassen, daß man auch zu chemischen Reinigungsverfahren greift, und es wird Aufgabe der Hygiene sein, vorurteilsloser, als es heute vielfach geschieht, zu prüfen, ob ein chemisch behandeltes Wasser bei dauerndem Genusse schädlich ist oder nicht.
Ueber die notwendige Anzahl der Reinigungselemente geben nachstehende Ausführungen Aufschluß.
Während einer bestimmten Periode (Sommer, Winter, Jahr) von T Tagen müssen zur Reinigung der erforderlichen Wassermengen dauernd n Elemente (Becken) in Betrieb sein. Dies gibt n · T »Elementenbetriebstage«. Gesucht ist die Zahl der tatsächlich notwendigen Elemente unter Berücksichtigung der nötigen Anzahl von Reserveelementen.
Die bis zur Reinigung mögliche Betriebsdauer eines Elements sei tb Tage, die Reinigung erfordere tr Tage, dann umfaßt eine Arbeitsperiode eines Elements tb + tr Tage, und ein Element hat in der Zeit T T/(tb + tr) Arbeitsperioden, während deren es tx = T · tb/(tb + tr) Tage arbeitet. Man braucht aber für die Zeit T n · T Elementenbetriebstage. Hieraus ergibt sich die Gesamtzahl x der notwendigen Elemente zu:
Beispiel. Mit n = 8, tb = 24, tr = 4 ergibt sich x = 8 · 28/24 = 9,33 ~ 10 Elemente, d.h. man braucht in diesem Fall 2 Reserveelemente.
Wir besprechen nun kurz die verschiedenen Reinigungsverfahren.
1. Ablagerungsbecken, s. Ablagerungsbassins, Bd. 1, S. 18.
2. Langsamfilter und Schnellfilter, s. Filter, Filterpresse, Bd. 4, S. 35.
3. Wasserenteisenung. Das Eisen tritt im Wasser meist als doppelkohlensaures Eisenoxydul (primäres Ferrokarbonat) auf. Es kann auch an Humussäuren, Phosphorsäure, seltener an Mineralsäuren, z.B. Schwefelsäure, gebunden sein. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei die organischen Stoffe des Bodens. Die Ausscheidung des Eisens beruht auf der Oxydation des primären Karbonats zu Ferrihydroxyd und einer Trennung desselben vom Wasser durch Gelbildung. Bei doppeltkohlensaurem Eisenoxydul genügt zur Oxydation die Belüftung, bei mineralsauren Eisenverbindungen kommen Zusätze wie Eisenchlorid und Kalkhydrat in Betracht. Befördernd auf den Enteisenungsvorgang wirken insbesondere die kohlensauren Kalk- und Magnesiaverbindungen, ferner größere Mengen organischer Substanz.[839]
Wie weit die Enteisenung getrieben werden muß, damit nicht nachträglich Ausflockung stattfindet, hängt von der Natur eines Wassers ab, ist also jeweils besonders zu untersuchen. Die gewöhnlich als unbedenklich angegebene Zahl von 0,2 Litermilligramm Eisen ist also nicht allgemein richtig.
Von den offenen Enteisenungssystemen unterscheiden wir 1. die Oestensche Regenvorrichtung mit Filter, 2. den Piefkeschen (Koks-Ziegel-Holzhorden-) Riesler mit Grob- oder Feinfilter. Geschlossene Anlagen werden unter anderm ausgeführt nach den Systemen Reisert, Bollmann, Breda, Helm, Bühring, von der Linde und Heß, Bock, Gellenscheid, Dehne, Jewell, »Voran«, Grove.
Die offenen Enteisenungsanlagen lüften das Wasser mittels Brausen, gelochten Blechen, Düsen, Kaskaden und Rieselung über 23 m hohen Koks, Ziegeln oder Holzhorden. Neuerdings wird vielfach ein ca. 1 m hoher freier Fallraum für das Wasser zwischen der Verteilungseinrichtung und dem Riesler eingefügt. Am stärksten wirkt das Rieseln. Gerieseltes Wasser wird auf Grob- oder Feinfiltern gereinigt, nur gelüftetes braucht feineres Filterkorn. Ein Riesler leistet im Mittel 3,54,0 cbm pro Quadratmeter und Stunde, ein Grobfilter im Mittel etwa 20 bis 30 cbm pro Quadratmeter und Tag.
Die Frage, ob offene oder geschlossene Enteisenungsanlagen verwendet werden fallen, wird in den letzten Jahren viel erörtert. Dabei scheiden jedoch geschlossene Anlagen mit organischem Fällmaterial als hygienisch minderwertig aus. Für die geschlossenen Anlagen mit an organischem Fällmaterial spricht der geringe Raumbedarf der Apparate, die Möglichkeit, das Kontakt- und Filtermaterial, soweit es anorganischer Natur ist, ohne Entfernung aus dem Apparat reinigen zu können, die Apparate mit staubfreier Luft beschicken, also das Wasser ohne jede Berührung mit Menschen reinigen zu können. Dazu kommt die Einschaltung der Apparate in Druckleitungen, also der Wegfall doppelter Pumpenanlagen. Dagegen muß man zur Verhütung von Rohrbeschädigungen verlangen, daß das. enteisenete Wasser entlüftet werde. Die offenen Anlagen scheinen größere Ueberlastungen zu gestatten als geschlossene, und das Betreten offener Anlagen findet nicht öfter statt als dasjenige der allgemein als einwandfrei angesehenen Langsamsandfilter. Da auch die Kostenfrage die Entschließung nicht einwandfrei beeinflußt, so kommt man zu dem Ergebnis: Geschlossene Anlagen mit anorganischem Fällmaterial verdienen für kleinere und mittlere Anlagen bei konstanter Belastung in der Regel den Vorzug, offenen Anlagen wird man vor allem bei schwankender Belastung und großen oder sehr großen Leistungen sowie erwünschter recht geringer Druckhöhe oft den Vorzug geben.
Bei dem System der Firma Halvor Breda in Charlottenburg besteht das Kontaktmaterial aus einer gebrannten und gekörnten tonartigen Masse, die sehr porös und scharfkantig ist. Interessante Versuche sind mit diesem System in Vegesack angestellt worden [1]. Das Helmsche Verfahren benutzt als Kontaktmaterial Braun- und Raseneisenstein. Das System Battige und Schöneich besteht aus zwei Zylindern, von denen der eine als Enteisenungs-, der andre als Filterraum dient. Lichtenberg bei Berlin besitzt eine solche Anlage von 1200 cbm Stundenleistung. Die Firma Deseniß & Jacobi verwendet sogenannte Bastardpumpen, die auf der einen Seite Luft, auf der andern Wasser anfangen. Eine Anlage mit Belüftung des Wassers im Vakuum hat D. Grove für Lockstedt erbaut [2].
Ueber Enteisenung durch Permutit vgl. Nr. 9 dieses Artikels.
4. Wasserentmanganung. Tritt das Mangan im Wasser als Karbonat auf, so kann es durch Rieselung und Filtration wie das Eisen entfernt werden [3]; auch kohlensaurer Kalk ist hierzu verwendbar; ist aber Mangan in großer Menge in einem schwach eisenhaltigen Wasser vorhanden oder tritt es als Mangansulfat auf, so setzt es seiner Abscheidung großen Widerstand entgegen. Hierüber sei auf die Arbeiten von Lührig und von Gans verwiesen. Das Patent 211571 verwendet zur Entmanganung natürlichen Braunstein.
In neuerer Zeit hat das Permutitverfahren (vgl. Nr. 9 dieses Artikels) neue Ausblicke für die Enteisenung, Entmanganung und Entfärbung des Wassers eröffnet.
5. Wasserreinigung auf chemischem Wege. Diese wird wenigstens für Trinkwasser heute noch von manchem Hygieniker abgelehnt, jedoch füllten hier Gefühlswerte und Schlagworte hinter sachliche Untersuchungen über die gesundheitliche Wirkung dauernder Verwendung von Chemikalien zurücktreten. In der Industrie hat sich die Wasserreinigung durch Zusatz von Chemikalien längst ihren berechtigten Platz erobert.
6. Verwendung schwefelsaurer Tonerde. Bei genügend harten Wässern stellt sich folgende Umsetzung ein:
Al(SO4)3 + 3CaCO3 + 6H2O = Al2(OH)6 + 3CaSO4 + 3CO2 + 3H2O.
Das entstandene Tonerdehydrat fällt in Flockenform aus, umhüllt die feinsten Verunreinigungen und reißt sie mit zu Boden. Die Zusatzmenge geschieht im Verhältnis 1 : 25 000 bis 1 : 50000. Dieses Verfahren wird in deutschen Wasserwerken mehrfach verwendet, so in Hamburg, Bremen, Plauen i. V. Zahlreich sind die Kombinationen dieses Verfahrens mit sogenannten amerikanischen Schnellfiltern (vgl. Filter), den Jewellfiltern, welche offen und geschlossen ausgeführt werden. Ihre Leistung bewegt sich bei 2,53 m Druckhöhenverlust zwischen 80 und 125 cbm pro Quadratmeter und 24 Stunden. Die maschinelle Reinigung mittels Rührwerk und Spülwasser erfolgt alle 1224 Stunden. In bakteriologischer Beziehung haben diese Filter bisher nicht in allen Fällen gleich günstige Resultate ergeben [4], [5], [6].
7. Verwendung von Kaliumpermanganat. Es spaltet bei Anwesenheit organischer Stoffe freien Sauerstoff ab, das Manganoxyd wirkt ähnlich wie das Tonerdehydrat. Der Vorgang vollzieht sich nach der Formel:
2KMnO4 + H2O = 2MnO2 + 2KOH + 3O.
Die umfangreichsten Versuche haben Bitter und Gottschlich angestellt [7]. Auf einer Verbindung der Permanganat- und der Aluminiumsulfatbehandlung beruht das Verfahren von [840] Drechsler in Dresden. Im ganzen steht das reine Permanganatverfahren dem Aluminiumsulfatverfahren etwas nach.
8. Die Enthärtung des Wassers, spielt besonders in der Industrie eine große Rolle. Nach dem Zusatz der Reagenzmittel muß eine Klärung des Wassers von dem gebildeten Schlamm stattfinden. Dies ist jedoch bei dem Permutitverfahren nicht erforderlich. Die drei wichtigsten Verfahren sind:
a) Das Kalksodaverfahren. Die wichtigsten Reaktionen finden sich in [8]. Zu beachten ist die Frage der richtigen Dosierung und der »Nachreaktionen« im gereinigten Wasser. Nach der Pfeiferschen Regel muß betragen: der Kalkzusatz 10 mal die Zahl der vorübergehenden Härte plus 1,4 mal der Milligramm Magnesia im Liter; der Sodazusatz = 18,9 mal der Zahl der bleibenden Härte.
b) Das Reisertsche Kalkbarytverfahren. Die Karbonate werden hier mit Aetzkalk ausgefällt, zur Beseitigung der freien Schwefelsäure sowie der Sulfate des Kalks (Gips) und der Magnesia dient kohlensaurer Baryt, ohne daß schwefelsaures Natron in Lösung geht und sich wie beim Kalksodaverfahren in den Kesseln eine immer konzentriertere Lösung bildet [9] und [10].
Unter den vielen Firmen, welche Enthärtungsanlagen bauen, nennen wir: Berliner Wasserreinigungs G.m.b.H.; A.L.G. Dehne, Halle; Halvor Breda, Charlottenburg; Wwe. Joh. Schuhmacher, Köln; Maschinenbauanstalt Humboldt, Köln; H. Reisert G.m.b.H., Köln.
c) Das Permutitverfahren. Das heutige Permutit wird gewonnen durch Zusammenschmelzen von Feldspat, Kaolin, Ton, Sand und Soda und Auslaugung des Produkts mit heißem Wasser. Das Natriumpermutit ist ein körniger, feinschuppiger, perlmutterglänzender, gelblicher, sehr poröser Stoff. Durch dieses der Permutitfiltergesellschaft m. b. H. in Berlin geschützte Material wird das zu enthärtende Wasser filtriert, wobei an Stelle der Härtebildner doppeltkohlensaurer Kalk, doppeltkohlensaure Magnesia und schwefelsaurer Kalk, doppeltkohlensaures Natrium bezw. Glaubersalz in Lösung gehen. Ist das Permutit durch längere Aufnahme von Kalk und Magnesia erschöpft, so wird es durch eine Chlornatriumlösung regeneriert.
Die Enthärtung des Wassers ist eine vollkommene [11]. Jedoch müssen mechanisch verunreinigte Wässer vorgereinigt werden, auch müssen sie neutral reagieren. Auch bei permutitiertem Wasser müssen die Dampfkessel alle paar Wochen abgelassen und öfters teilweise entleert werden. Trotzdem müssen die Erfolge des eleganten Verfahrens als glänzende bezeichnet werden [12], da man bei den andern Verfahren in der Enthärtung auf nicht weiter als 2,54° deutscher Härte kommt. Bezüglich der Kostenfrage vergleiche man [13] und [14].
9. Enteisenung und Entmanganung durch Permutit. Behandelt man ein Permutit mit Manganchlorürlösung, so entsteht ein Manganpermutit, auf welchem man durch eine Lösung von Kaliumpermanganat ein sehr sauerstoffreiches Oxydationsprodukt des Mangans niederschlagen kann. Dieses Produkt wird zur Enteisenung und Entmanganung von Wasser benutzt und ist durch Zusatz von Kaliumpermanganat ebenso regenerierbar wie Natriumpermutit bei Enthärtung. Gleichzeitig übt das Verfahren eine desinfizierende Wirkung aus.
10. Entsäurung des Wassers. Zur Beseitigung der freien Kohlensäure und des freien Sauerstoffs, welche geeignet sind, Zement und eiserne Leitungsröhren anzugreifen, dienen
a) das Frankfurter Verfahren von Scheelhaase, wobei das Wasser von unten nach oben durch ein im gleichen Sinne an Korngröße abnehmendes Marmorfilter geleitet wird [15],
b) das Heyersche Verfahren, wobei dem Wasser in der Hauptsache Natriumkarbonat zugesetzt wird,
c) die Wehnersche Vakuumrieselung oder das Sürther Verfahren, wobei das Wasser zunächst einen Entgaser, hernach einen Filter passiert, die, unter Vakuum gesetzt, die Ausscheidung der Gase bewirken.
11. Wasserreinigung mittels Chlorverbindungen. Sie dient zur Desinfektion des Wassers. Die oxydierende Wirkung des meist verwendeten Chlorkalks beruht auf der Anwesenheit des Hypochloritions OCl, das unter Abspaltung freien Sauerstoffs in das Chlorion übergeht: OCl = Cl + O. Diesem in statu nascendi befindlichen »aktiven« Chlor wird die keimtötende Wirkung zugeschrieben. Die Zusatzmenge beträgt 1 : 1000000 bis 1 : 2000000. Das bakteriologische Ergebnis ist analog dem mit der langsamen Sandfiltration erhaltenen. Allerdings muß der dem Reinwasser anhaftende fade, laugenhafte Geschmack (durch Natriumthiosulfat) beseitigt werden. Im großen wurde das Verfahren angewandt bei Ruhrwasserwerken; vgl. [16], [17], [18].
Neuerdings wird auch Elektrolytlauge, entstanden aus der Einwirkung des elektrischen Stromes auf eine Kochsalzlösung, zum selben Zwecke verwendet [19].
Das Verfahren ist sehr billig und einfach für den nachträglichen Einbau; es ist nach dem heutigen Stande zu verwenden: zu Zeiten von Wasserklemme, in der Regel kombiniert mit Filtration und wenn das Wasser Zeit zur Wiederabgabe des Chlors hat. Zu weiches Wasser müßte vorher gehärtet werden (Marmorrieselung).
Der Verwendung von Chlorperoxyd steht die hohe Giftigkeit des Mittels und die Gefährlichkeit der Herstellung im Wege [20].
12. Wasserreinigung durch Eisen- und Kupferverbindungen. Wir nennen hier das Andersonsche Verfahren [8], das Ferrochlorverfahren [21], von guter bakterieller und desodorisierender Wirkung, und das Eisensulfatverfahren [22]. Bei der Verwendung von Kupfervitriol muß jedenfalls auf gute Mischung des Mittels mit dem Rohwasser gesehen werden, in amerikanischen Talsperren hat es sich nicht gut bewährt [8].
13. Die Ozonisierung des Wassers ist heute eines der bestdurchgebildeten, wirkungsvollsten Entkeimungsverfahren für Waffen Das Rohwasser muß frei von Trübungen und möglichst[841] arm an organischen Stoffen sein, weil diese den Ozonverbrauch erhöhen. Bei uns kommen in erster Linie die Apparate der Deutschen Ozongesellschaft m. b. H. in Berlin in Betracht, welche auch die wichtigsten ausländischen Patente für deutsches Gebiet erworben hat. Die Herstellung des Ozons beruht auf der sogenannten füllen Entladung des elektrischen Stroms, wobei sich aus dem Luftsauerstoff Ozon bildet. Die bei uns meistverwendeten Apparate sind sogenannte Röhrenozonisatoren System Siemens & Halske für etwa 8000 Volt Betriebsspannung und 1 PS. Energieverbrauch. Die ozonisierte Luft wird in Sterilisationstürmen von 67 m Höhe mit dem Rohwasser in möglichst innige Berührung gebracht und dadurch entkeimt. Das ozonisierte Wasser wird dann gelüstet und ist damit gebrauchsfertig. Man verwendet in der Regel eine Konzentration von 24 g Ozon auf 1 cbm Luft. Weitere Angaben macht Erlwein in [23]. Ueber die Anlagekosten finden sich Nachweise in [24] und [25]. Wir besitzen heute schon eine große Anzahl derartiger Anlagen, z.B. in Paderborn, Chemnitz, Brüx i. B. (für Talsperrenwasser), Saaz i. B. (für Flußwasser), ebenso in Petersburg und Paris. Nach Angabe der Gesellschaft sind heute 32 größere Anlagen vollendet oder im Bau.
14. Wasserreinigung durch Bestrahlung. Die Verwendung ultravioletter Strahlen ist heute noch nicht weit über das Versuchsstadium hinaus gediehen. Die bakteriologische Wirkung wird günstig beurteilt, setzt aber besonders geeignete Apparate, ganz oder nahezu farbloses, nicht kolloidal verunreinigtes klares Wasser voraus. Dazu sind die Kosten des Verfahrens noch wesentlich höher als diejenigen der Ozonisierung, und die Laugen noch nicht sehr dauerhaft [26]
Zum Schluß erwähnen wir noch die Behandlung von Wasser mit Sonnenlicht, wodurch der Ansatz festen Kesselsteins in den Kesseln verhindert worden ist [8] und [27].
15. Abkochen und Destillieren des Wassers kommen für den Großbetrieb kaum vor [8].
16. Abkühlung des Wassers läßt sich erreichen durch Gradierwerke oder durch Aufenthalt des Wassers in tiefen Becken [8].
Literatur: [1] Journ. s. Gasbel. u. Wasservers. 1909, Nr. 3; Hygienische Rundschau 1909, Nr. 2. [2] Gesundheitsingenieur 1913, S. 457. [3] Mitteil. d. Kgl. Landesanstalt für Wasserhygiene, Heft 16, S. 210. [4] Friedberger, Versuche über die Verwendbarkeit amerikanischer Schnellfilter, Königsberg 1906. [5] Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankheiten 1908, 59. Bd. [6] Mitteil. (wie unter [3]) 1906, Heft 6. [7] Zeitschr. (wie unter [5]) 1908, Bd. 59, S. 379. [8] Weyrauch, Wasserversorgung der Städte, Leipzig 1914, Bd. 2. [9] Ulster und Baderle in Deutsche Färberztg. 1907. [10] Journ. s. Gasbel. u. Wasservers. 1907, S. 504. [11] Gesundheitsingenieur 1913, S. 282. [12] Zeitschr. f. d. ges. Textilindustrie 1912, Nr. 38. [13] Zeitschr. d. bayr. Dampfkesselrevisionsvereins 1911. [14] Gesundheitsingenieur 1911, Nr. 11. [15] Journ. (wie unter [10]) 1909, Nr. 8. [16] Ebend. 1912, S. 649. [17] Ebend. 1913, S. 781. [18] Mitteilungen (wie unter [3]), Heft 16, S. 308. [19] Zentralbl. f. Bakteriologie u.s.w. 1908, XLVI, Heft 6. [20] Mitteil. (wie unter [3]), Heft 8. [21] Ebend., Heft 8. [22] Eng. record 1903. [23] Journ. (wie unter [10]) 1911, Nr. 39. [24] Ebend. 1903, Nr. 43 und 44. [25] Deutsche Vierteljahrsschr. s. öffentl. Gesundheitspflege, 43. Bd., 3. Heft. [26] Journ. (wie unter [10]) 1911, Nr. 39. [27] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1912, Nr. 37.
R. Weyrauch.
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