[240] Rügen, Insel in der Ostsee, an der pommerschen Küste, Stralsund gegenüber, zum preuß. Regbez. Stralsund gehörig, von dem sie einen Kreis bildet (s. die Textkarte und Karte »Pommern«). Die Insel, durch den 2 km breiten Strelasund oder Bodden und die Prohner Wiek vom Festland getrennt, hat eine größte Länge von 50 km (von S. nach N.), eine größte Breite (im S.) von 42 km und umfaßt mit den kleinern Inseln, doch ohne die großen Wasserflächen, einen Flächenraum von 967 qkm (17,56 QM.). Ihre Gestalt ist durch zahlreiche Meerbusen (Bodden oder Wieke) sowie vorspringende Halbinseln und Landzungen eine äußerst zerrissene. Der Kern der Insel hat die Form eines Dreiecks. Die nach S. gekehrte Grundlinie ist durch den Greifswalder Bodden ausgebuchtet. Am Westende des letztern erstreckt sich die Halbinsel Zudar mit dem südlichsten Vorgebirge (Palmerort); am Ostende ragt die wiederum vielgegliederte Halbinsel Mönchgut in das Meer, anderen Ostküste südlich das Thießower Hövd (Süd-Perd) und nördlich das Göhrensche Hövd (Nord-Perd), zwei einem Pferderücken ähnliche Vorsprünge, die sich aus Geschiebemergel mit zahlreichen nordischen Geschieben aufbauen, zu bemerken sind. Der Nordostseite des Kerns parallel läuft die Halbinsel Jasmund, die mit der Insel durch die Schmale Heide zusammenhängt, die sich zwischen der Prorer Wiek, einer äußern Meeresbucht, und dem Kleinen Jasmunder Bodden des Binnenmeers hinzieht Die Halbinsel springt weit nach O. vor und endigt mit der Stubbenkammer. Mit Jasmund hängt durch die Schabe (eine schmale, sandige Niederung, 8 km lang und bis 1 km breit) die Halbinsel Wittow zusammen, die der Nordspitze des Dreiecks gegenüberliegt und samt Jasmund durch den Großen Jasmunder Bodden, den größern Abschnitt des Binnenmeers, vom Kern geschieden ist. Wittow hat das nördlichste Vorgebirge, Arkona (s. d.). Zwischen Wittow und Jasmund liegt nach NO. hin die Tromper Wiek. Die Nordwestseite des Dreiecks ist nicht so tief ausgezackt, hat aber dafür die begleitenden Inseln Ummanz und Hiddensee. Die Oberfläche ist im W. eben und hebt sich gegen die Mitte, wo sie im Rugard bei Bergen 91 m, östlicher, auf der Granitz, einer kleinen, waldigen Berggruppe, 105 m Höhe erreicht. Während der größte Teil von R. aus diluvialem Geschiebemergel und Decksand sowie aus alluvialem Dünensand und Torfmooren besteht, setzt sich der Untergrund von Jasmund aus weißer Schreibkreide zusammen, die von Lagen eines schwarzen Feuersteins regelmäßig durchzogen und von diluvialem Geschiebemergel überlagert ist. Die Kreide bildet an der Ostküste senkrecht zum Meer abstürzende, an 100 m hohe Felswände mit tief eingeschnittenen Schluchten und schroffen, in die See vorspringenden Spitzen (Stubbenkammer). Die Große Stubbenkammer (vom slaw. stopien, »Stufen«, und kamen, »Fels«) erhebt sich im Königsstuhl 133 m ü. M., die Kleine Stubbenkammer liegt ostwärts vom Königsstuhl. Im Rücken der Großen Stubbenkammer erstreckt sich die Stubnitz (Stubbenitz), ein Buchenwald, an dessen Südende der Badeort Saßnitz und in dessen Innern der sogen. Hertasee (Borg- oder Schwarzer See) liegt, der 52 m im Durchmesser und 16 m Tiefe hat. Westwärts stößt an denselben ein Wall (Burgwall), 159 m ü. M., der für die Reste der Hertaburg (s. d.) gehalten wird; hierhin verlegt man ohne triftigen Grund den Schauplatz des Dienstes der Herta oder Nerthus (s. d.). Der genannte Wall ist wahrscheinlich ein slawischer Burg- und Tempelwall aus der letzten heidnischen Zeit, der vielleicht den Tempel des Triglav umschloß. Auch an andern Denkmälern der Vorzeit, namentlich Hünengräbern, ist R. reich (vgl. auch Tafel »Metallzeit II«, Fig. 7). Die Zahl der Einwohner beträgt mit Einschluß der kleinen zum Kreis R. gehörigen Inseln (1905) 47,023. Erwerbszweige sind Ackerbau, Viehzucht und Fisch-, besonders Heringsfang. Jede Halbinsel hat ihre besondere Schattierung des Dialekts und ihre eignen Bräuche; am originellsten haben sich dieselben auf der Halbinsel Mönchgut erhalten. Hauptstadt ist die Kreisstadt Bergen, im Kern der Insel gelegen; an der Südküste liegt der Flecken Putbus (s. d.). R. wird wegen seiner landschaftlichen Schönheiten viel besucht; die Seebäder Saßnitz-Krampas, Binz, Sellin, Göhren, Thießow, Lauterbach-Putbus, Lohme u.a. haben eine steigende Frequenz, wozu die rege Dampfschiffverbindung mit Swinemünde und Greifswald sowie die das Land durchquerenden Staatsbahnlinien Altefähr-Saßnitz und Bergen-Lauterbach und die Klein bahnen Altefähr-Göhren und Bergen-Altenkirchen beitragen
Die Insel ward in ältester Zeit von Germanen bewohnt, in der Völkerwanderung von den slawischen Ranen (Rujanen) vesetzt und stand unter besondern Fürsten. Der dänische König Waldemar I. unterwarf die Insel und zerstörte 1168 Arkona, das letze Asyl[240] des Götzendienstes. Unter dem Fürsten Jaromar (gest. 1218) wurde die Insel völlig bekehrt und füllte sich mit deutschen Ansiedlern. Seine Nachfolger eroberten einen Teil der pommerschen Küste bis zum Rykfluß, gründeten 1209 Stralsund und warfen das dänische Joch ab. Witzlaw III. (der Minnesinger, gest. 1325) nahm 1282 die Insel vom Deutschen Reich zu Lehen und erhielt das Amt eines Reichsjägermeisters. 1309 und 1317 verwüsteten Sturmfluten R. und rissen einen Teil, Ruden genannt, davon ab.
Nach Witzlaws III. Tode 1325 kam R. infolge der 1221 geschlossenen Erbverbrüderung an Pommern-Wolgast und war eine Zeitlang das Besitztum einer abgezweigten Linie (Bart), bis es 1478 auf immer mit Pommern vereinigt wurde. Mit diesem Lande kam es dann 1648 durch den Westfälischen Frieden an Schweden. Am 23.24. Sept. 1678 und 15. Nov. 1715 wurde R. von den Brandenburgern, 1807 von den Franzosen genommen und von letztern bis 1813 besetzt gehalten; 1815 fiel es mit Neuvorpommern an Preußen. Die Halbinsel Jasmund war nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Zeitlang im Besitz des schwedischen Generals Wrangel, dann der Grafen de la Gardie, von denen sie Fürst Putbus (s. d.) erwarb. Vgl. Boll, Die Insel R. (Schwerin 1858); Baier, Die Insel R. nach ihrer archäologischen Bedeutung (Strals. 1886); R. Credner, R., eine Inselstudie (in den »Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde«, Stuttg. 1893); »Die Baudenkmäler der Provinz Pommern«, 1. Teil, 4. Heft: Kreis R. (Stett. 1897); Reisehandbücher von Meyer (»Ostseebäder«, 3. Aufl., Leipz. 1906), Edwin Müller, Albrecht, Grieben, Dunker, Gust. Müller, Volckmann; Karte von G. Müller (1: 75,000, Greifsw.[241] 1887); Fabricius, Urkunden zur Geschichte des Fürstentums R. (Strals.u. Berl. 184169, 4 Bde.); Fock, Rügensch-pommersche Geschichten (Leipz. 1861 bis 1872, 6 Bde.); Kuntze, Witzlaw III., der letzte Fürst von R. (Halle 1893); Wendler, Geschichte Rügens (Bergen 1895); Haas, Rügensche Sagen und Märchen (2. Aufl., Stett. 1896) und Rügensche Skizzen (das. 1898).
Meyers-1905: Rügen [1]
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