Meißen [2]

[93] Meißen, 1) ehemaliger Kreis (Meißner Kreis) des Königreichs Sachsen, mit 781/2 QM., welcher die Amtsbezirke Meißen, Oschatz, Hain, Moritzburg, Radeberg, Dresden, Grillenburg, Dippoldiswalde, Pirna, Hohnstein u. Stolpen umfaßte, im Jahre 1835 aber aufgelöst wurde u. (mit Ausnahme der Ämter Oschatz u. Stolpen) in den neu gebildeten Kreisdirectionsbezirk Dresden (s.d.) aufging; 2) die früheren vier Ämter M-s, als: das Erb- od. Kreisamt, das jetzt mit dem Rentamte M. vereinigte Procuraturamt (die Einkünfte des ehemaligen Bisthums M. begreifend), das Stiftsamt (welches die Besitzungen des Meißner Domcapitels umfaßte) u. das die Besitzungen der Meißner Fürstenschule umfassende Schulamt; 3) nach der neuen Eintheilung Sachsens Bezirksgericht u. Gerichtsamt des Kreisdirectionsbezirks Dresden, mit 33,916 Ew.; Weinbau; 4) Amtsstadt darin, am linken Ufer der Elbe, über welche eine Brücke führt, u. den Bächen Triebisch u. Meiße gelegen; hat 10 Kirchen (worunter eine katholische), 2 Schlösser, 3 Hospitäler, Waisenhaus, Superintendentur, Hauptsteueramt, Floßholzhof, Sparkasse; ist Sitz eines (jetzt protestantischen) Domstifts od. Domcapitels,[93] welches aus 1 Propst, 1 Dechant, 1 Senior, 1 Cantor, 1 Custos u. 3 Domherren besteht, u. die im Gothischen Styl erbaute Domkirche mit dem Stiftsarchiv u. der kurfürstlichen Begräbnißkapelle (von 1428–1577 benutzt) besitzt; Fürsten od. Landesschule (Afranum) mit 7 Professoren, 5 anderen Lehrern, 120 Alumnenstellen für Schüler u. Bibliothek; in der hochgelegenen Albrechtsburg die 1710 angelegte berühmte königliche Porzellanfabrik (die älteste Europas) mit 600 Arbeitern, welche aber jetzt aus der Burg verlegt werden wird; Eisengießerei u. Maschinenfabrik, Sicherheitszünderfabrik, Zuckersiederei, Bierbrauerei, Fabriken von Steingut, Dosen, Spielkarten, Blumen etc., auch in Wollen- u. Lederwaaren; Elbschifffahrt u. Handel, bes. mit Meißner Wein, Weinbaugesellschaft, 2 Buchhandlungen u. Buchdruckereien, naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis, Stadttheater, Freimaurerloge: Acazie; 9290 Ew. M. ist durch Zweigbahn mit der Leipzig-Dresdner Bahn verbunden; der Stadt gegenüber liegt an der Elbe Cölln (390 Ew.) mit Vallosin-, Goldleisten- u. Eau-de-Colognefabrik, u. westlich im Triebischthal das Buschbad, ein eisenhaltiges Mineralbad mit Kaltwasserheilanstalt. M. ist der Geburtsort des Kurfürsten Ernst, des Stammvaters der Sachsen-Ernestinschen Linie (1441), u. Hahnemanns (1755). – Die uralte Stadt M. dankt ihre Gründung dem Kaiser Heinrich I., der hier 928 eine Grenzveste gegen die Slawen anlegte u. dieselbe nach dem Bache Misni benannte, worauf Kaiser Otto I., welcher hier gleich seinen u. unmittelbaren Nachfolgern mehrmals Reichstage hielt, 965 das Bisthum M. (s. unten) stiftete. 1015 wurde die Stadt von den Polen belagert u. verheert, u. 1046 erscheint sie zuerst urkundlich. Streitigkeiten mit den Bischöfen veranlaßten die Markgrafen von M. schon frühzeitig ihre Residenz von hier nach Dresden zu verlegen, während die Bischöfe in M. blieben u. um 1480 den noch vorhandenen Bischofshof neu bauten. Gleichzeitig (1471–83) erbauten Kurfürst Ernst u. Herzog Albrecht die von ihnen bis zur Landestheilung gemeinschaftlich bewohnte Albrechtsburg. Im 15. Jahrh. litt M. sehr im Sächsischen Bruderkriege u. durch die Hussiten, sowie auch später durch den Schmalkaldischen, Dreißigjährigen (1632, 37 u. 45) u. Siebenjährigen Krieg. Nachdem 1539 die Reformation eingeführt worden war, verwandelte Kurfürst Moritz 1543 das säcularisirte (ums Jahr 1050 gestiftete) Afrakloster in die Fürstenschule (s. oben), u. 1548 wurden hier Berathungen über das Interim gepflogen. Hauptbrände betrafen die Stadt 1222, 1435 u. 1447; 1547 wurde der Dom vom Blitz entzündet u. theilweis vom Feuer zerstört, während die Elbbrücke 1757 von den Preußen u. 1813 von den Franzosen in Brand gesteckt wurde. Auch litt M. häufig von zerstörenden Elbwasserfluthen (namentlich zuletzt 1851). Am 1.–3. Juli 1843 Jubelfeier der Fürstenschule zu St. Afra. Vgl. Reinhard, Die Stadt M., ihre Geschichte u. Umgebungen, Meiß. 1829; Ursinus, Geschte der Domkirche zu M., Dresd, 1782; Ebert, Der Dom zu M., Meiß. 1835; Örtel, Das Münster zu St. Afra, Lpz. 1843.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 93-94.
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