Mecklenburg

Mecklenburg

[91] Mecklenburg Die beiden von Fürsten eines Hauses regierten Großherzogthümer M.-Schwerin und M.-Strelitz liegen, aneinander grenzend, im nördl. Deutschland und werden, als ein Ganzes betrachtet, im N. von der Ostsee, im W. vom Gebiete der freien Stadt Lübeck, von Lauenburg und Hanover, südl. und südöstl. von der preuß. Provinz Brandenburg, östl. von Pommern begrenzt und haben zusammen einen Flächeninhalt von 280 ! M. mit etwa 540,000 Einw. Die ältesten Bewohner des Landes waren wol skandinavischer oder niederdeutscher Herkunft, denn aus diesen Gegenden stammen die Vandalen (s.d.). Nach der Völkerwanderung hausten hier Völker wendischen Stammes, unter denen die Warner an der Warnow, Wilzen im östl. M., und Obotriten die mächtigsten waren, welche letztere sich nach vielen Fehden und Kriegen endlich die andern alle unterwarfen und deren Reich im 9. Jahrh. alles Land von der [91] Elbe und Steckenitz bis zur Peene in sich begriff. Diese heidnischen Wenden führten mit ihren westl. Nachbarn, den christlichen Deutschen, lange und blutige Kriege; namentlich litt das Land der Wenden viel durch Heinrich den Löwen. Nach und nach ließen sich in demselben aber so viele Deutsche nieder, daß ihre Sprache und Sitte im Fortgange der Zeit vorherrschend und M. schon früh im Mittelalter, nachdem es längst das Christenthum angenommen hatte, ein völlig deutsches Land ward. Das Geschlecht der Fürsten aber, die schon 1170 zu Fürsten des röm. Reichs ernannt wurden, ist bis auf den heutigen Tag ein slawisches geblieben und vielleicht das älteste von allen, wenigstens reicht es in so hohe Zeiten hinauf, daß es Einige vom Vandalenkönige Genserich, Andere und mit mehr Wahrscheinlichkeit wenigstens, aus den Zeiten Karl's des Großen herleiten. Um 1130 war Niklot Fürst der Obotriten, als eigentlicher Stammvater der Herzoge kann aber Pribislaw betrachtet werden, der 1151 das Christenthum annahm. Indessen ist die Geschichte des mecklenburg. Fürstenhauses, gleich jener der meisten übrigen deutschen Regentenfamilien, sehr verwickelt. Schon 1226 entstanden vier Linien: die von Mecklenburg, Güstrow oder Wenden, Rostock und Parchim, später die von Schwerin und Stargard, die jedoch nach und nach ausstarben, sodaß Heinrich II., genannt der Fette, um 1471 ganz M. beherrschte. Im J. 1348 waren die mecklenburg. Fürsten von Kaiser Karl IV. zu Herzogen ernannt worden, von denen Johann der Jüngere 1419 die Universität zu Rostock stiftete. Johann Albrecht, gest. 1576, führte die Reformation ein; Adolf Friedrich von Schwerin und Johann Albrecht von Güstrow nahmen im dreißigjährigen Kriege Partei gegen den Kaiser und schlossen sich dem Könige Christian von Dänemark an. Der Kaiser erklärte sie daher ihres Landes für verlustig und Albrecht von Wallenstein ward 1628 mit M. belehnt, jedoch in Folge der Siege, welche Gustav Adolf von Schweden erfocht, kamen sie wieder in den Besitz ihrer Lande. Stifter der schwerinschen Linie wurde Herzog Adolf Friedrich I., gest. 1658, und der strelitzischen Herzog Adolf Friedrich II., gest. 1708, im J. 1701 aber wurde, um allen Zerstückelungen für die Zukunft vorzubeugen, die Primogenitur und Linearerbfolge eingeführt. Herzog Friedrich Franz von Schwerin, der von 1785–1837 regierte, kaufte Wismar und die Insel Pöl von den Schweden, welche dieselben seit dem dreißigjährigen Kriege im Besitz gehabt hatten, zurück. Im J. 1806 besetzten die Franzosen das Land und nöthigten die Herzoge, dem Rheinbunde beizutreten, allein 1813 schlossen sie sich den Alliirten an, traten später in den deutschen Bund und nahmen 1815 die großherzogliche Würde an. In M.-Strelitz regiert seit 1816 der Großherzog Georg Friedrich Karl Joseph (s.d.), in M.-Schwerin gelangte 1837 der Großherzog Paul Friedrich (s.d.) zur Regierung.

Das gesammte M. ist ein weites Flachland, welches sich nirgend bis zu 600 F. über das Meer erhebt, reich an Waldungen und fischreichen Seen, unter welchen der schweriner, müritzer, plauensche, malchiner und sternberger in Schwerin, und der Tollensee in Strelitz die größten sind. Der Boden besteht theils aus Sand, Haide und Morast, theils aus sehr fruchtbarem Erdreiche. Hauptflüsse sind: die Warnow, die Reckenitz und die Peene mit der Tollense, welche in die Ostsee münden; sodann die Elbe, welche eine Anzahl kleiner Flüsse aus Schwerin aufnimmt. Nord- und Ostsee stehen hier durch den Eldekanal, welcher eine ununterbrochene Flußschiffahrt zwischen Schwerin und Hamburg vermittels der Stör, Elde und Elbe möglich macht, miteinander in Verbindung. Das Klima ist im Allgemeinen ziemlich gemäßigt, wegen der Nähe des Meeres aber und der vielen Seen sehr feucht und nebelig, daher besonders dem Wiesenwachs günstig. Auch sind die Weidegründe vortrefflich und ausgedehnt und die Rindvieh-, Pferde-, Schaf- und Schweine-, sowie Federvieh- und besonders Gänsezucht sind von großer Bedeutung und wichtige Quellen des Erwerbs. Mineralien liefert M. in unbedeutender Menge, dagegen aber viel Getreide, Hülsenfrüchte, Ölpflanzen, Flachs und Holz; Hauptnahrungszweige sind Viehzucht und Ackerbau, und der Handel, welcher zum großen Theil in der bedeutenden Ausfuhr von Landesproducten besteht, denn im Durchschnitte wird jährlich für weit über eine halbe Mill. Thlr. Getreide und für 300,000 Thlr. Butter ausgeführt; in den Hafenstädten wird starke Frachtschiffahrt getrieben. Die Bewohner M.'s sind ein tüchtiger und kräftiger Menschenschlag, sämmtlich Lutheraner bis auf einige tausend Katholiken und Israeliten, und reden zumeist die sassich-niederdeutsche Mundart; nur in den Städten spricht ein Theil der Einwohner ein etwas breites Hochdeutsch. Für die höhere wissenschaftliche Ausbildung sind fünf Gymnasien in den größten Städten, eine gemeinschaftliche Universität zu Rostock und andere Bildungsanstalten vorhanden und was die politische Organisation anlangt, so haben Schwerin und Strelitz jedes zwar eine unabhängige Verwaltung, aber die Landstände, welche das Recht der Besteuerung und Gesetzgebung mit den Herzogen theilen, sind für beide Länder gemeinschaftlich und bilden einen Körper, welcher die alte Landesunion genannt wird. Sie bestehen aus sämmtlichen Besitzern landtagsfähiger Güter, oder der Ritterschaft und den Abgeordneten von 44 Städten oder der Landschaft, und alljährlich wird ein Landtag, abwechselnd zu Sternberg oder Malchin, gehalten.

M.-Schwerin, mit 228 ! M. und etwa 450,000 Einw., hat gegen 11/2 Mill. Thlr. Einkünfte und nahe an 7 Mill. Thlr. Schulden, stellt zum deutschen Bundesheere 3580 Mann, hat im Plenum der Bundesversammlung zwei Stimmen, im engern Rathe aber mit Strelitz gemeinschaftlich eine und zerfällt in folgende fünf Theile: Das Herzogthum und die Grafschaft Schwerin mit 134 ! M. und 250,000 Einw., oder der mecklenburgische Kreis mit der Hauptstadt des Landes, Schwerin, die 13,500 Einw. zählt, an dem nach ihr benannten See. Sie ist zum Theil, besonders die Neustadt, recht hübsch gebaut, hat einen Dom, ein Schloß auf einer Insel im See, mehre andere ansehnliche Gebäude, z.B. das der Regierung, ein Gymnasium und andere wissenschaftliche Anstalten; Branntweinbrennerei, Tabacks- und Wollenfabrikation sind die wichtigsten Gewerbszweige. Die gewöhnliche Residenz des Großherzogs ist der Flecken Ludwigslust mit 4500 Einw.; in Parchim an der Elde mit 5400 Einw. ist der Sitz des Oberappellationsgerichts; das Dorf Mecklenburg, d.h. die große Burg, von welcher das Land den Namen führt, hat nur 600 Einw. Am Einflusse der Elde in die Elbe liegt das Städtchen Dömitz mit 2200 Einw. und einer kleinen Festung, die auf einer Insel in der Elde liegt. In der Nähe von Ludwigslust beim Dorfe Wöbbelin ist dem Dichter Theodor Körner, [92] der hier am 26. Aug. 1813 fiel, ein Denkmal errichtet worden. Eine Stunde von der Ostsee entfernt liegt der Flecken Dobberan mit 2200 Einw. und dem ersten seit 1793 eingerichteten und stark besuchten deutschen Seebade. In der Nähe befindet sich der heilige Damm, eine Vormauer gegen die Meeresfluten, 1/2 M. lang, 1000 F. breit und 15 F. hoch, der aus lose aufeinanderliegenden, glatt geschliffenen Steinen besteht. Das Fürstenthum Schwerin, 10 ! M., 32,000 Einw., mit der Stadt Bützow, an der Warnow, mit 3800 Einw., wo von 1760–89 eine Universität bestand. Der rostocker District mit 24,000 Einw. und der Stadt Rostock, an der Warnow mit etwa 18,000 Einw., die bis auf den heutigen Tag große Freiheiten genießt und sich selbst besteuert; sie hat bedeutenden Handel, namentlich in Getreide, und in den Hafen laufen jährlich etwa 700 Schiffe ein, doch müssen tiefer gehende schon bei Warnemünde löschen. Rostock hat starken Schiffbau, Branntweinbrennereien, Zucker-und Garnfabriken und die schon 1419 gestiftete Universität besitzt werthvolle wissenschaftliche Sammlungen. In der Marienkirche liegt der als vielseitiger Gelehrte und Staatsmann berühmte Hugo Grotius, gest. 1645, begraben und auf dem Blücherplatze hat die Stadt dem von hier gebürtigen Fürsten Blücher (s.d.) ein Denkmal errichtet. In der Herrschaft Wismar liegt die gleichnamige Stadt an einem Busen der Ostsee mit 10,000 Einw., einem Gymnasium, gutem Hafen, Schiffbau, Tabacksfabriken und Getreidehandel. Im wendischen Kreise endlich oder dem Herzogthume Mecklenburg-Güstrow, 76 ! M., 140,000 Einw., sind zu bemerken: Güstrow an der Nebel mit 8060 Einw., einem Gymnasium, Tabacks- und Wachslichterfabriken; Boitzenburg an der Elbe, mit 3200 Einw., hat starken Lachs- und Neunaugenfang, auch bedeutenden Handel auf der Elbe, und Malchin an der Peene, wo die Landtage abgehalten werden.

Das Großherzogthum M.-Strelitz hat 52 ! M. mit 84,000 Einw., etwa 400,000 Thlr. Einkünfte, im Plenum der Bundesversammlung eine Stimme, stellt zur Bundesarmee 714 Mann und zerfällt in zwei Theile: Die Herrschaft Stargard, 451/2 ! M. mit 70,000 Einw., zwischen Pommern-Brandenburg und Mecklenburg-Schwerin, mit der Haupt- und Residenzstadt Neu-Strelitz, an zwei Seen, die in Form eines Fächers gebaut ist, 6000 Einw., ein Gymnasium, eine Bibliothek und Sammlung obotritischer Alterthümer hat. Nur eine Stunde davon liegt Alt-Strelitz mit 3500 Einw., und am Tollensee das cirkelförmig gebaute Neubrandenburg mit 6000 Einw., einem Schlosse, Gymnasium und Tabacksfabriken, sowie das Dorf Hohenzieritz mit einem herzogl. Lustschlosse und Denkmale der am 19. Jul. 1810 hier verstorbenen Königin Luise von Preußen. In Friedland an der pommerschen Grenze mit 4400 Einw. befindet sich eine gelehrte Schule. Das Fürstenthum Ratzeburg, 61/2 M. mit 14,000 Einw., zwischen dem Lauenburgischen, Schwerin und dem lübecker Gebiete, mit einem Theile der Stadt Ratzeburg (deren anderer zum dän. Herzogthume Sachsen-Lauenburg gehört), wo der Sitz der Regierung des Fürstenthums ist, und die Stadt Schönberg an der Maurin, mit 1425 Einw.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 91-93.
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