Bodenmelioration

[125] Bodenmelioration, landwirtschaftliche, Umwandlung des natürlichen Gras- und Waldlandes im Kulturland (Urbarmachung) und dauernde Verbesserung des Kulturlandes (Standortsverbesserung, B. im engern Sinne, Amelioration). Die Urbarmachung umfaßt die Umwandlung von Unland in landwirtschaftlich benutzbares Kulturland und die Umwandlung von Wald oder Wiese zu Ackerland (Gartenland). Das urbar gemachte Land heißt Neubruch (Novalacker), Neureude, Rode, Rodland, Rottland, Reutfeld, Reute. Waldboden macht man urbar durch Abräumen des Holzwuchses, und zwar 1) durch Niederbrennen (Abbrennen), Verteilen der Asche und Ebnen des Bodens, wobei man die Wurzelstöcke abfaulen läßt; 2) durch Schwenden, d. h. Abschälen der Rinde am Fuß der Bäume, um sie zum Absterben zu bringen, wobei alles Unterholz und Gestrüpp entfernt, der Stockausschlag immer wieder vernichtet und der Zeit das Niederwerfen der Bäume überlassen wird; 3) durch kahlen Abtrieb, d. h. Fällen der Baumstämme mit Belassung der Wurzelstöcke im Boden; 4) durch Baumroden, wobei die Wurzelstöcke mit Stockrodemaschinen (Waldteufel) oder durch Sprengen mit Pulver, [125] Dynamit oder durch Ausgraben und Abhacken des Holzes (Abschmatzen) aus dem Boden entfernt werden. Das abgeholzte Land wird mit Rodehauen oder kräftigen Rigolpflügen (Wurzelreißern, Waldpflügen) vor Winter aufgelockert, damit der Frost die weitere Krümelung besorge, und im nächsten Frühjahr mit Hafer bestellt, dem weiterhin eine Hackfrucht, Kartoffeln, Mais, folgt. Die Überführung des rohen Bodens in Artland wird durch Düngung mit Stallmist, Kalk, Mergel u. dgl. wesentlich befördert.

Bei Umwandlung von Weide- und Wiesenland in Ackerland ist die Grasnarbe zu zerstören, am besten mit einem flachwendenden Pflug aufzubrechen. Bei dicht geschlossener Narbe muß der Umbruch mit Schälpflug, Spaten oder durch Brennen erfolgen. Der Boden wird hierauf mit Stallmist, eventuell auch mit Kalk gedüngt, um die Humifizierung der Graswurzeln zu beschleunigen, und mit Roggen, Hafer, Futterrüben bestellt. Heideboden wird, wie Wiesenboden, durch tüchtiges Bearbeiten vor Winter mit Skarifikatoren, Pflügen und Eggen urbar gemacht, oder dadurch, daß man die Narbe in Streifen oder Quadraten mittels besonderer Werkzeuge (Plaggenhauen, Plaggenschaufeln) abschält, den Boden dann tüchtig durcharbeitet und die abgeschälte Narbe, Plaggen (s.d.) entweder mit Stallmist kompostiert oder zum Trocknen aufstellt und dann verbrennt (Rasenbrennen), um mit der Asche das Feld zu düngen. In Hannover, Holstein, Jütland, wo Heidekulturen von großem Umfang auszuführen sind, nehmen Genossenschaften auf gemeinsame Kosten, zuweilen mit staatlicher Beihilfe, die Kultivierung in die Hand und benutzen meist Fowlersche Dampfheidekultivatoren.

Die Standortsverbesserung bezieht sich auf dauernde Verbesserung der nachteiligen chemischen oder physikalischen Bodeneigenschaften oder auf Behebung der ungünstigen Lage oder Abschwächung der ungünstigen Einwirkung des Klimas auf die Vegetation. Die häufigsten Standortsverbesserungen bezwecken Ableitung schädlicher Wassermengen (s. Drainage, Entwässerung) oder die Zuführung von Wasser (s. Bewässerung). Fels-, Kies- und Geröllboden wird durch Entfernung der größern Steine (mittels Versenkung, d. h. Untergrabens, oder Sprengens mit Pulver oder Ausgrabens) und durch Rigolen (s.d.) urbar gemacht. Sandboden kann durch Ton, Bauschutt, Mergel und torfigen Boden, Niederlegen zur Weide, Anpflanzung mit Holz-, Baum- und Strauchwerk, Belegen mit Rasen, wenn Wässerung gegeben werden kann, am besten urbar gemacht werden. Bei Flugsand wird die Beweglichkeit vermindert durch Bedecken mit Rasen- oder Torfstücken, mit Strauch- oder Reisholz, durch Einflechten von Strohzöpfen, durch Aufpflügen oder durch 1–1,25 m hohe Coupier-, Deckzäune und Schutzwälle; ist der Sand zum Stehen gebracht, so ist er durch geeigneten Pflanzenwuchs weiter zu befestigen. Billiger ist liegende Bodenbedeckung mit Kieferngesträuch oder besser mit Hackreisig aus 20–30 cm langen Kiefernaststücken. Auch Wacholder, Heidestroh, Besenpfriemen, Seetang, Seegras sind mehrfach benutzt worden. Am Seestrand, wo es sich wesentlich um Bildung von Schutzdünen handelt, beschränkt man sich meist auf die Pflanzung von Sandgräsern, wie Sandroggen (Arundo arenaria) und Sandhaargras (Elymus arenarius) und im Binnenland auf die Deckung mit Moos-, Heide- oder Grasplaggen. Das Ziel der Flugsandkultur ist in den meisten Fällen Bewaldung, da der Boden zunächst für den Ackerbau zu arm ist. In Norddeutschland wird fast überall die Kiefer angepflanzt, im Banat mit großem Vorteil auch die kanadische Pappel und die Akazie (Robinia). Die Kultur des binnenländischen Flugsandes unterscheidet sich vom Stranddünenbau (vgl. Dünen) stets dadurch sehr wesentlich, daß sie einen Ertrag zu erzielen sucht, während jener nur auf den Schutz des Hinterlandes bedacht ist und auf Ertrag verzichtet. Strenger Tonboden wird wesentlich verbessert durch Bodenbrennen, er verliert dadurch das Hydratwasser und daher seine große Bindigkeit, wasserfassende und wasserhaltende Kraft sowie Wärmekapazität, während die unlöslichen Mineralbestandteile ausgeschlossen und für die Pflanzenwurzeln leichter zugänglich gemacht werden. Ein Nachteil des Bodenbrennens liegt in der Zerstörung der Humuskörper und Stickstoffverbindungen. Das Brennen erfolgt in dach- oder kegelförmigen Haufen oder in Feldöfen, indem die vom ganzen Feld (Schollenbrennen) oder nur von den Feldrändern (Ränderbrennen) abgeschälten Tonschollen mit Reisig, Nadelholzästen, Moos, Torf durchschichtet und angezündet werden. Das gebrannte Tonpulver wird dann gleichmäßig ausgestreut und untergepflügt. Diese B. wird alle 6–8 oder bei schwächern Bränden alle 3–4 Jahre wiederholt. Über die Melioration der Moore s.d., über Urbarmachung des Sumpfbodens s. Entwässerung. Weitere Standortsverbesserungen sind die An- und Ausschlämmung der Erde (Limonage, Kolmation, s.d.), die Erdmischung und das Ebnen des Bodens. Die Erdmischung bezweckt die Verbesserung der gegebenen Bodenzustände, ist aber besonders dann sehr kostspielig, wenn das entsprechende Material weit hergeholt und durch Zugvieh und Menschenarbeit aufgebracht werden muß, minder kostspielig, wenn es sich im Untergrunde findet oder durch Wasser aufgeschwemmt werden kann. Auf hügeligem Lande, das die Bestellung hindert, trägt man die kleinen Erhöhungen ab und füllt die Vertiefungen unter Beobachtung gleicher Vorsicht wie beim Tiefpflügen in Bezug auf die Krume aus. Dann ist mehrmals tüchtig zu pflügen und zu eggen, ehe Dünger aufgebracht und der Boden bestellt werden kann. Gegenüber den Erfolgen, die mit den vorgenannten Bodenmeliorationen erreicht werden können, gelingt es oft erst nach langjährigem Bemühen, gegen ungünstiges Klima oder gegen ungünstige Lage anzukämpfen. Am wirksamsten in dieser Richtung erweist sich die Anpflanzung von Gehölzen zur Abschwächung der Luftströmungen. Die Gehölzpflanzungen werden entweder als Stutz-, Busch- oder Baumhecken an den Gutsgrenzen oder als Alleen, Schutzbaumwände längs der Feldgrenzen, gewöhnlich zur Begrenzung der Schlagabteilungen angelegt. Vgl. Dünkelberg, Enzyklopädie und Methodologie der Kulturtechnik (Braunschw. 1883, 2 Bde.); Krafft, Ackerbaulehre (7. Aufl., Berl. 1899); Bürstenbinder, Urbarmachung und Verbesserung des Bodens (das. 1886); Vogler, Grundlehren der Kulturtechnik (2. Aufl., das. 1898, 2 Bde.); Fraissinet, Landwirtschaftliches Meliorationswesen und Wasserwirtschaft (Dresd. 1890); Markus, Das landwirtschaftliche Meliorationswesen Italiens (Wien 1881); Kerner, Aufforstung des Flugsandes im ungarischen Tiefland (in der »Österreichischen Monatsschrift für Forstwesen«, 1865); Wessely, Der europäische Flugsand und seine Kultur (Wien 1873).

[Volkswirtschaftliches.] Die Ausführung von Bodenmeliorationen, die je nur für den einzelnen Grundbesitzer von Vorteil sind, ist diesem zu überlassen; nur ausnahmsweise wäre Gewährung von Vorschüssen,[126] bez. Zuschüssen gerechtfertigt, soz. B. wenn nur auf diesem Wege durch das Beispiel einer gelungenen B. zur Nachahmung angereizt werden könnte. Die Erlangung der nötigen Kapitalien kann durch Errichtung von auch aus andern Gründen zweckmäßigen Landeskulturrentenbanken (s.d.) erleichtert werden. Im übrigen ist es Aufgabe der landwirtschaftlichen Vereine, dahin zu wirken, daß Meliorationen dieser Art, wo sie wünschenswert sind, zu stande kommen. Dagegen sind größere Meliorationen, an denen gleichzeitig mehrere Grundbesitzer beteiligt sind, und die in der Regel einen größern Kostenaufwand erfordern, wie Entwässerung einer Gemeindemarkung oder größerer Teile derselben, Kultivierung gemeinsamer Hochmoore etc., nur in der Weise ausführbar, daß die Grundbesitzer eine besondere Genossenschaft (Meliorationsgenossenschaft) bilden, um die B. gemeinsam nach einheitlichem Plane vorzunehmen und die zu ihrer Sicherung nötigen Anstalten dauernd zu erhalten. Solche Genossenschaften kommen aber durch freies Übereinkommen der Beteiligten selten zu stande. Demnach ist, wenn solche Meliorationen als auch im Interesse der Gesamtheit liegend ausgeführt werden sollen, die Ausübung gesetzlichen Zwanges unumgänglich, der dahin geht, daß Grundeigentümer sich an einer B. beteiligen, oder daß sie die für solche auf ihren Grundstücken notwendigen Anlagen dulden. Doch sollte der Zwang zur Bildung von Meliorationsgenossenschaften kein absoluter, sondern Voraussetzung für ihn sein, daß eine Mehrheit der Interessenten sich für die B. erklärt und dabei die Interessen der Minderheit genügend gewahrt werden. Ein solcher Zwang besteht fast in allen Staaten Deutschlands, ebenso in Österreich, wo das Reichsgesetz vom 30. Mai 1869 die Grundlage der 1870–75 für die einzelnen Kronländer erlassenen Landesgesetze bildet, nicht aber in Frankreich (Gesetz vom 21. Juni 1865), England und Belgien. (Näheres s. unter »Wasserrecht«, vgl. auch Deich.)

Bodenmeliorationen auf staatlichem Grund und Boden sind ohne weiteres Staatssache. Der Staat muß aber auch Bodenmeliorationen anordnen und selber ausführen, die entweder wegen ihres großen Umfanges die Kräfte der Einzelnen übersteigen, oder die im Interesse nicht bloß der betreffenden Grundbesitzer, sondern auch der gesamten Bevölkerung größerer Bezirke geboten sind, und die daher nicht mehr von dem Willen einer Majorität der Grundbesitzer abhängig gemacht werden dürfen. Die Kosten solcher Bodenmeliorationen wären auf Private, Gemeinden und Staat nach Maßgabe des Vorteils zu verteilen. Hierher gehören große Flußkorrektionen (wie z. B. die Rheinstromkorrektion, für die in Baden von 1817–1900: 51,4 Mill. Mk., in Frankreich, bez. Elsaß-Lothringen von 1791–1888: 48,8 Mill. Mk. verausgabt, und durch die, abgesehen von den sonstigen bedeutsamen volkswirtschaftlichen Wirkungen, allein auf badischer Seite 8000 Hektar wertvolles Land und ein Wertzuwachs von 34–39 Mill. Mk. infolge Sicherung des Besitzes und der Ernten, Entwässerung, Entsumpfung etc. gewonnen wurde; die Theißregulierung in Ungarn 1856–60, durch die 715,000 Hektar Land unter Deichschutz gebracht wurden; die Linthkorrektion in der Schweiz 1807–22, etc.), große Entwässerungsunternehmungen (wie z. B. die Austrocknung des Haarlemer Meeres in Holland 1840–1853, die Entwässerung Irlands 1846–55, aus früherer Zeit die Melioration des Rhin- und Havelländischen Luches in Preußen 1718–25, wodurch 22 QMeilen sumpfige Moorwiesen in kulturfähiges Land umgewandelt wurden; die großen Entwässerungen in Preußen unter Friedrich II. in den Brüchen des Döllefließes, der Silge, des Rhins, der Jäglitz, der Dosse, der Oder, der Netze, der Warthe etc.), größere Deichanlagen, durch welche die gemeinsame Wassersgefahr von ganzen Ortsfluren und größern Distrikten abgewendet wird. Über die Meliorationspolitik vgl. die Lehrbücher von Roscher und Rau, dann Meitzens Artikel »Agrarpolitik« in »Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 2 (4. Aufl., Tübing. 1896); Derselbe, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staates (Berl. 1868–1873, 4 Bde.; Bd. 5, 1895); Buchenberger, Agrarwesen und Agrarpolitik (Leipz. 1892–93, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 125-127.
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