Hübner [2]

[591] Hübner, 1) Johann, deutscher Pädagog und Schriftsteller, geb. 15. April 1668 in Türchau bei Zittau, gest. 21. Mai 1731 in Hamburg, studierte seit 1689 in Leipzig und habilitierte sich dort schon 1691 für Geographie und Geschichte. 1694 wurde er Rektor des Gymnasiums in Merseburg und 1711 Rektor des Johanneums in Hamburg, wo er als praktischer Schulmann jedoch wenig Glück hatte. Seine Schriften über Geographie und Geschichte wirkten anregend, teilweise bahnbrechend. Die »Kurzen Fragen aus der alten und neuen Geographie« (zuerst 1693) erlebten 36 Auflagen und wurden in viele Sprachen übersetzt. Besonderes Verdienst um die Kartographie erwarb er sich durch die von ihm mit Homann in Nürnberg veranstalteten Schulatlanten und Landkarten. Er war Mitherausgeber des »Realen Staats-, Zeitungs- und Konversations-Lexikons« (Leipz. 1704). Seine »Zweimal 52 auserlesenen biblischen Historien« (zuerst Leipz. 1714; in 107. Aufl. von Lindner für unsre Zeit verbessert, 1859) begründeten in Deutschland erst allgemein den schon von J. Gesenius angestrebten Unterricht in der biblischen Geschichte. Vgl. Brachmann, Johann H., Johannei rector 1711–1731 (Hamb. 1899). – Sein Sohn Johann, gest. 26. März 1753 als Advokat in Hamburg, wirkte als Schriftsteller im Geiste seines Vaters fort.

2) Julius, Maler, geb. 27. Jan. 1806 zu Ols in Schlesien, gest. 7. Nov. 1882 in Loschwitz, besuchte seit 1821 die Kunstakademie in Berlin, wurde 1823 Schüler W. Schadows und folgte diesem 1826 nach Düsseldorf. 1828 trat er mit einem Fischer nach Goethes Ballade und mit dem Bilde: Roland, die Prinzessin Isabella aus der Räuberhöhle befreiend (gestochen von J. Keller) hervor. Während seines Aufenthalts in Italien malte er die Ruth, ihre Schwiegermutter Naemi in die Fremde begleitend (1830, Berliner Nationalgalerie). Für den Berliner Kunstverein entstand 1832 Simson, die Säulen einreißend. 1834 ging er wieder nach Düsseldorf, von wo er 1839 an die Kunstakademie nach Dresden berufen wurde. Seit 1841 Professor, entfaltete er eine umfangreiche Lehrtätigkeit. 1871 wurde er Direktor der Gemäldegalerie, der er bis 1882 vorstand. Von seinen übrigen Werken aus der ersten Periode sind noch zu nennen: Christus und die Evangelisten (1835, Kirche in Meseritz), Hiob und seine Freunde (Städelsches Institut in Frankfurt), Christuskind auf Wolken (Nationalgalerie in Berlin), die Schutzengel (ebendaselbst), Felicitas und der Schlaf aus Tiecks »Octavianus« (Museum in Breslau). Für den Römersaal in Frankfurt malte er Friedrich III., für die Stadtkirche in Meißen einen Christus, für die Marktkirche in Halle a. S. ein großes Altarbild: »Sehet die Lilien auf dem Felde«, nach der Bergpredigt. In Dresden entstanden: das goldene Zeitalter (Dresdener Galerie, eine Wiederholung in der Berliner Nationalgalerie); Karl V. in San Yuste, Friedrichs d. Gr. letzte Tage in Sanssouci, die Disputation Luthers mit Eck (Dresdener Gemäldegalerie) u. der (1869 verbrannte) Vorhang für das Dresdener Hoftheater (von seinem Sohn Eduard H., geb. 1842, der sich auch als Bildhauer bekannt gemacht hat, für Leipzig wiederholt). Hübners Bilder sind von anmutiger Formenbildung und Färbung. Sie spiegeln die Entwickelung der Düsseldorfer Schule von den sentimental-romantischen Anfängen bis zur historischen Auffassung wider, fesseln jedoch mehr durch Sorgfalt der Ausführung als durch Genialität und Kraft der Darstellung. H. war auch schriftstellerisch tätig. Sein Katalog der Dresdener Galerie (5. Aufl. 1880) enthält eine schätzenswerte historische Einleitung. Er gab ferner heraus: »Bilderbrevier der Dresdener Galerie« (2. Aufl., Dresd. 1857; 2. Folge 1859); eine Übersetzung ausgewählter Sonette Petrarcas (Berl. 1868) und eine Sammlung eigner Gedichte (»Helldunkel«, Braunschweig 1871; 2. Folge 1876). – Sein Sohn Hans, geb. 13. Okt. 1837, starb 14. Juli 1884 als ordentlicher Professor der Chemie in Göttingen.

3) Joseph Alexander, Graf, österreich. Diplomat, geb. 26. Nov. 1811, gest. 30. Juli 1892 in Wien, führte ursprünglich den Namen Hafenbredl, den er später mit H. vertauschte, studierte in Wien und ward seit 1833 in Metternichs Staatskanzlei beschäftigt. 1837 ging er als Gesandtschaftsattaché nach Paris, 1841 nach Lissabon und wurde 1844 Generalkonsul in Leipzig. 1848 mit der diplomatischen Korrespondenz des Erzherzogs Rainer betraut, wurde er bei dem Aufstand in Mailand gefangen genommen und eine Zeitlang als Geisel zurückbehalten. 1848 begleitete er die kaiserliche Familie nach Olmütz, bearbeitete dort die wichtigen Staatsakten, die sich auf die Abdankung Kaiser Ferdinands bezogen. Im März 1849 ging er in außerordentlicher Mission nach Paris und wurde bald darauf Gesandter daselbst. Nach dem Kriege von 1859 erhielt H. im Ministerium Goluchowski 21. Aug. das Portefeuille des Polizeiministers,[591] das er jedoch schon 22. Okt. niederlegte. Ultramontan gesinnt, bekleidete er von 1865–68 den Botschafterposten in Rom und schied 1869 aus dem diplomatischen Dienst. Seit 1879 war H. Mitglied der klerikal-konservativen Partei des Herrenhauses. Im Oktober 1888 wurde er in den Grafenstand erhoben. Auch literarischen Arbeiten hat er sich mit Erfolg gewidmet. Er schrieb eine Geschichte des Papstes Sixtus V. (»Sixte-Quint. D'après des correspondances diplomatiques inédites etc.«, Par. 1870, 3 Bde.; neue Ausg. 1883, 2 Bde.; deutsche Ausg., Leipz. 1871, 2 Bde.), Reisebeschreibungen: »Ein Spaziergang um die Welt« (das. 1872, 7. Aufl. 1891), »Durch das britische Reich 1883–1884« (das. 1886, 2. Aufl. 1891) und »Ein Jahr meines Lebens, 1848–1849« (das. 1891). Aus seinem Nachlaß erschien: »Neun Jahre der Erinnerungen eines österreichischen Botschafters in Paris unter dem zweiten Kaiserreich, 1851–1859« (Berl. 1904, 2 Bde.; gleichzeitig in französischer Ausgabe, Paris).

4) Karl, Maler, geb. 17. Juni 1814 in Königsberg, gest. 5. Dez. 1879 in Düsseldorf, begann seine künstlerischen Studien bei Professor J. Wolf in Königsberg und setzte sie von 1837–41 auf der Düsseldorfer Akademie bei Schadow und Sohn fort. Seitdem blieb er in Düsseldorf ansässig. 1874 unternahm er eine Reise nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Durch seine in die Ideen des Zeitgeistes einschlagenden sozialistischen Tendenzbilder hat er sich einen seinerzeit hochgepriesenen Namen gemacht. Unter seiner großen Produktivität litt jedoch häufig die Feinheit in Zeichnung und Durchführung; indessen sind seine Gemälde stets gut komponiert und bisweilen von ergreifender Wirkung. Hervorzuheben sind: die schlesischen Weber (1845), das Jagdrecht (Berlin, Galerie Ravené, lithographiert von Wildt), die Auswanderer (1846, im Museum zu Christiania, lithographiert von Wildt), die Auspfändung (1847, im Museum zu Königsberg, lithographiert von Wildt), Rettung aus Feuersgefahr (1853, sein größtes und bedeutendstes Bild), die Waisenkinder, des jungen Seemanns Rückkehr, die Zwillinge, die Witwe, die Sünderin an der Kirchtür (1867, Nationalgalerie in Berlin).

5) Otto, Statistiker und Volkswirt, geb. 22. Juli 1818 in Leipzig, gest. 3. Febr. 1877 in Berlin, widmete sich zuerst in Paris und London wirtschaftlichen Studien und gehörte seit 1842 zu den tätigsten Gliedern der deutschen Freihandelspartei. Von der Dampfschiffahrtsgesellschaft des Österreichischen Lloyd zum Bevollmächtigten ernannt, betrieb er die Verhandlungen wegen Durchfuhr der englisch-ostindischen Überlandpost durch Deutschland und schloß mit allen beteiligten kontinentalen Eisenbahnen Verträge ab. 1849 wegen seiner deutschen Gesinnung aus Österreich ausgewiesen, siedelte H. nach Berlin über und gründete daselbst das »Statistische Zentralarchiv«, das von allen Regierungen der Welt statistische Mitteilungen erhielt. Von seinen zahlreichen übrigen statistischen Arbeiten ist namentlich sein Werk »Die Banken« (Leipz. 1853) zu erwähnen. Am bekanntesten ist Hübners »Statistische Tafel aller Länder der Erde« (seit 1851 jährlich erscheinend, jetzt bearbeitet von Juraschek, Frankf. a. M.). 1862 gründete er als erste Hypothekenbank in Preußen die Preußische Hypothekenversicherungs-Gesellschaft, der er bis zu seinem Tode vorstand.

6) Emil, Philolog, Sohn von H. 2), geb. 7. Juli 1834 in Düsseldorf, gest. 21. Febr. 1901 in Berlin, studierte seit 1851 in Berlin und Bonn, reiste 1855 bis 1857 in Italien, habilitierte sich 1859 in Berlin und wurde daselbst 1863 außerordentlicher, 1870 ordentlicher Professor. H. hat sich besonders um Archäologie und lateinische Epigraphik verdient gemacht. Er veröffentlichte über Spanien und Portugal, die er 1860–61, dann 1881, 1886 und 1889 bereist hat: »Epigraphische Reiseberichte aus Spanien und Portugal« (Berl. 1861); »Die antiken Bildwerke in Madrid« (das. 1862); »Inscriptiones Hispaniae« (2. Bd. des »Corpus inscr. lat.«, das. 1869, dazu Supplement 1892); »Inscriptiones Hispaniae christianae« (das. 1871, dazu Supplement 1900); »Arqueologia de España« (Barcelona 1888); »Monumenta linguae Ibericae« (Berl. 1893); über Britannien, in dem er zuerst 1866–67 reiste: »Inscriptiones Britanniae« (7. Bd. des »Corpus inscr. lat.«, das. 1873) und »Inscriptiones Britanniae christianae« (das. 1876); sonst zur Epigraphik die Indices zum 1. Bd. des »Corpus inscr. lat.« (das. 1863), »Exempla scripturae epigraphicae latinae« (das. 1885), »Römische Epigraphik« (im 1. Bd. von J. Müllers »Handbuch der klassischen Altertumskunde«, 2. Aufl., Münch. 1892); endlich das wichtige Werk: »Römische Herrschaft in Westeuropa« (Berl. 1890). Außerdem verdankt man ihm treffliche »Grundrisse zu Vorlesungen« über die römische Literaturgeschichte (4. Aufl., Berl. 1878), über die lateinische Grammatik (2. Aufl., das. 1881), über die Geschichte und Enzyklopädie der klassischen PhilologieBibliographie der klassischen Altertumswissenschaft«, 2. Aufl, das. 1889) u. über die griechische Syntax (das. 1883). Auch gab er 1866–81 erst mit Hercher, dann mit Kirchhoff, Mommsen und Vahlen den »Hermes, Zeitschrift für klassische Philologie«, und 1868–72 die »Archäologische Zeitung« in Berlin heraus.

7) Jakob, Zoolog, s. Hub.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 591-592.
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