Plutarchos

[47] Plutarchos (Plutarch), 1) griech. Schriftsteller, um 50–120 n. Chr., aus Chäroneia in Böotien, lebte nach seiner rhetorischen und philosophischen Ausbildung in Athen meist in seiner Vaterstadt, wo er eine förmliche philosophische Schule hielt, sich aber auch eifrig mit städtischen Angelegenheiten beschäftigte und mehrere Ämter verwaltete. Auch in Delphi bekleidete er eine priesterliche Würde; zum Dank für sein Interesse an den heiligen Stätten setzte man ihm dort ein bei den Ausgrabungen wieder aufgefundenes Denkmal. Auch unter den Römern genoß er durch seine vielseitige Bildung und Humanität hohes Ansehen: bei wiederholtem Aufenthalt in Rom knüpfte er mit hervorragenden Männern Verbindungen an, gewann auch am kaiserlichen Hofe großen Einfluß: Trajan verlieh ihm die konsularische Würde, und Hadrian soll ihn noch im Alter zum Prokurator von Griechenland ernannt haben. P. ist einer der liebenswürdigsten, zugleich vielseitigsten u. fruchtbarsten Schriftsteller des Altertums, freilich ohne wissenschaftliche Tiefe und Originalität. Seiner Belesenheit verdanken wir eine Fülle von Nachrichten aus der verlornen Literatur. Von seinen erhaltenen Schriften, nur etwa der Hälfte seiner schriftstellerischen Tätigkeit. bilden die eine Gruppe 46 Parallelbiographien (Vitae parallelae) berühmter Männer, immer je ein Grieche und ein Römer zur Vergleichung nebeneinander gestellt (Theseus und Romulus, Lykurgos und Numa Pompilius, Solon und Valerius Publicola, Themistokles und Camillus, Perikles und Fabius Maximus, Alkibiades und Coriolanus, Timoleon und Ämilius Paullus, Pelopidas u. Marcellus, Aristeides und Cato der Ältere, Philopömen und Flaminius, Pyrrhos und Marius, Lysandros und Sulla, Kimon und Lucullus, Nikias und Crassus, Eumenes und Sertorius, Agesilaos und Pompejus, Alexander und Cäsar, Phokion und Cato der Jüngere, Agis und Kleomenes und die beiden Gracchen, Demosthenes und Cicero, Demetrios Poliorketes und Antonius, Dion und Brutus), wozu noch vier Einzelbiographien (Artaxerxes Mnemon, Aratos, Galba und Otho) kommen. Ausgaben von Sintenis (kritische Hauptausgabe, Leipz. 1839–46, 4 Bde.), Dübner (Par. 1868, 2 Bde.); Text von Sintenis (2. Aufl., Leipz. 1858–64, 5 Bde.); erklärende Bearbeitungen einzelner Stücke von Sintenis-Hercher-Fuhr (Berl., 3 Bde.), Siefert-Blaß (Leip., 6 Bde.); Übersetzung in Auswahl von Eyth (2. Aufl., Berl. 1880 ff.). Bei der[47] Würdigung dieser Biographien muß man im Auge behalten, daß P. keine Geschichte, sondern Charakterschilderungen geben wollte, wiewohl auch ihr historischer Wert trotz des Mangels an Quellenkritik und vielfacher Ungenauigkeiten und Versehen nicht zu unterschätzen ist. Seine Belesenheit läßt ihm kaum einen bedeutendern Zug entgehen, und er weiß aus Einzelzügen meistens ein wirksames Bild zusammenzustellen. Alle wie überhaupt seine Schriften bekunden sittlichen Ernst, milden Sinn, tiefes Gefühl und echt religiöse Gesinnung. Die zweite Gruppe ist eine etwa im 10. Jahrh. veranstaltete Sammlung dessen, was damals sonst an Plutarchischem oder dafür geltendem Gut noch vorhanden war: 83 Schriften, sehr verschieden an Inhalt, Umfang und Form (Abhandlungen, ausgezeichnete Vorträge, Dialoge, gelehrte Sammlungen und Notizen), gewöhnlich unter dem nur für einen Teil passenden Ti: el »Moralia« zusammengefaßt (hrsg. von Wyttenbach, Oxf. 1795–1830, 8 Bde., danach von Schäfer, Leipz. 1796–1834, 5 Bde.; Dübner, Par. 1855–68, 3 Bde.; Bernardakis, Leipz. 1888–1895, 6 Bde.). Eine Anzahl ist unecht oder von zweifelhafter Echtheit, darunter auch mehrere von Wert, wie das Leben der 10 Redner, die 5 Bücher von den Lehrsätzen der Philosophen, das Gastmahl der sieben Weisen, der für die Geschichte der Musik und Metrik wichtige Dialog »De musica« (hrsg. von Volkmann, Leipz. 1856, Weil und Reinach, Par. 1900; mit Übersetzung von Westphal, Bresl. 1865). Etwa die Hälfte behandelt philosophische und ethische Fragen verschiedenster Art zumeist in populär praktischer Richtung, zum Teil von großem Wert für die Geschichte der Philosophie, namentlich die von P., der selbst in Platon den Höhepunkt der Philosophie sah, gegen die Stoiker und besonders die Epikureer gerichteten, wie die Schrift gegen Kolotes. Andre bewegen sich auf dem Gebiete der Religion und des Kultus, wie die über Isis und Osiris (hrsg. von Parthey, Berl. 1850), über die Abnahme der Orakel, der durch Gedankentiefe und reichen Inhalt ausgezeichnete Dialog über die späte Bestrafung der Gottlosen (de sera numinis vindicta); andre sind naturwissenschaftlichen, politischen, geschichtlich-antiquarischen und literarhistorischen Inhalts. Eine der lehrreichsten sind die 9 Bücher Tischgespräche (Symposiaca), die eine Reihe Fragen der Geschichte, Altertumskunde, Mythologie, Naturwissenschaften u. a. behandeln. Die Sprache ist im ganzen klar, korrekt und, abgesehen von einer gewissen Überladung, der klassischen Muster nicht unwürdig. Gesamtausgabe der Werke des P. von Reiske (Leipz. 1774–82, 12 Bde.); Übersetzungen von Klaiber, Bähr, Fuchs u. a. (Stuttg., 60 Tle.). Vgl. Volkmann, Leben, Schriften und Philosophie des P. (Berl. 1869, 2 Bde.). – Nach dem Muster der Biographien Plutarchs wurden Sammlungen von Biographien berühmter Personen »Plutarch« genannt, so der von Gottschall herausgegebene »Neue Plutarch« (Leipz. 1874–88, 12 Bde.).

2) Neuplatonischer Philosoph, geb. um 350 n. Chr., gest. etwa 430, lehrte in Athen den Neuplatonismus in einer besonnenen, dem Plotinos sich nähernden Weise. Von seinen geschätzten Kommentaren zu Platon und Aristoteles ist uns keiner erhalten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 47-48.
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