[423] Sicherheitsvorrichtungen (hierzu Tafel »Sicherheitsvorrichtungen« mit Text) zur Verhütung von Unglücksfällen werden zum großen Teil auf Grund gesetzlicher Vorschriften (z. B. Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884, Reichsgewerbegesetz vom 1. Juni 1891), nach den Beschlüssen des 10. Berufsgenossenschaftstages vom 25. Juni 1896 etc., hauptsächlich bei Bau-, Industrie- und Verkehrsanlagen sowie in Räumlichkeiten angewandt, wo viele Menschen beisammen sind, zum Schutz gegen Feuersgefahr, Ersticken, Erdrücken etc. Sie sind entweder allgemeiner oder besonderer Art und außerordentlich mannigfaltig. Zu der ersten Gattung gehören die Einrichtungen in Gebäuden (s. Feuersichere Gebäude), beim Eisenbahn betrieb die Eisenbahnsignale (s. d.), Bremsen (s. d.), Kuppelungen (s. d.), die Einrichtungen für Eisenbahnbetriebssicherheit (s. d.), die Notleine etc. An diese S. schließen sich dann die verschiedenen Rettungseinrichtungen an, wie die Rettungsgeräte (s. d.) bei Feuersgefahr, das Rettungswesen (s. d.) in Städten, auf Eisenbahnen etc., das Rettungswesen zur See. In Industrie- und bei Bauanlagen handelt es sich einerseits um Vorrichtungen, welche die Bedienung und Behandlung von Maschinen und Apparaten, Gerüsten etc. möglichst gefahrlos machen, anderseits um Vorschriften, nach denen das Personal den einzelnen Fällen gegenüber sich zu verhalten hat, und deren Durchführung von staatlichen Beamten, den Gewerbeinspektoren, überwacht wird.
Bei Dampfkesseln dienen zahlreiche Hilfsapparate (s. Dampfkessel, Armatur, S. 449, Sicherheitsventile etc.) als S., außerdem unterliegen Dampfkessel, Dampffässer etc. der Überwachung (s. Dampfkesselüberwachung und Dampffässer). Für Dampfleitungen werden Rohrbruchventile (s. d.) angeordnet, die namentlich beim Zerspringen eines Rohres in Tätigkeit treten. Bei Dampfmaschinen und andern Motoren sind die frei liegenden gangbaren Teile, Schwungrad, Kurbel etc., mit Schutzblechen, Kapseln, Gittern, Geländern etc. zu umgeben. Ferner soll das Putzen und Schmieren, wenn irgend möglich, nur während des Stillstandes der Maschine vorgenommen werden; besonders beachtenswert sind hier selbsttätige Schmiervorrichtungen (s. d.) und Vorrichtungen, um das gefährliche Andrehen der Schwungräder mit den Händen zu vermeiden.
Unter den maschinellen Einrichtungen geben die Transmissionen mit ihren Riemen, Riemenscheiben, [423] Kuppel ungen etc. den größten Prozentsatz von Unglücksfällen, weil sie leicht Kleidungs- und Körperteile (Finger, Füße, Haarzöpfe) ergreifen oder losgerissene oder abgesprungene Teile herumschleudern. Grundsätzlich soll daher niemals eine Arbeit (Schmieren, Putzen etc.) an einer Transmission vorgenommen werden, solange sie in Bewegung ist, mindestens sind Vorkehrungen zu treffen, die solche Arbeit möglichst gefahrlos machen. Um an hochgelegene Wellen zu gelangen, benutzt man Hakenleitern, die zwischen den obersten Stufen mit Blech verkleidet sind und, über die mit einer Schutzhülle versehene Welle gehängt, einen sichern Standpunkt gewähren, oder eine neben der Welle an der Decke aufgehängte Galerie. Zum Auf- und Ablegen der Riemen während des Ganges auf die Riemenscheiben, das noch vielfach mit den Händen geschieht und dadurch zu Unglücksfällen Veranlassung gibt, gefahrlos zu machen, hat man verschiedenartige Riemenaufleger konstruiert. Veranlassung zu Unglücksfällen geben abgeworfene Riemen, wenn sie auf die in Bewegung befindliche Welle fallen; sie werden daher von Stangen u. dgl. aufgefangen und mit herum genommen. Alle Riemen sollten, soweit sie innerhalb des Bereichs der Arbeiter liegen, mit einer Umwehrung versehen sein. Beim Reißen von Riemen kommt es häufig vor, daß das ablaufende Ende von der treibenden Scheibe umhergeschleudert wird; horizontale Schutzstangen in der Nähe der treibenden Scheiben machen das Riemenschleudern unschädlich.
Von großer Wichtigkeit sind die Ausrückvorrichtungen für Riemen und Kuppelungen, mittels der einzelne Maschinen und Apparate in und außer Tätigkeit gesetzt werden (s. Riementrieb). Bei den Ausrückungen müssen die Ausrückhebel sich feststellen lassen, damit nicht eine ausgerückte Maschine von selbst wieder in Gang kommt, z. B. dadurch, daß der etwas federnde Ausrückhebel an einer Schiene entlang gleitet und an den Enden derselben in eine Kerbe einschnappt oder durch einen Riegel eingehängt wird. Sämtliche Arbeitsmaschinen sind mit festen und losen Riemenscheiben zu versehen. Räderwerke und schnell rotierende schwere Teile an Arbeitsmaschinen, Schleifsteinen, Zentrifugen etc. sind überall, wo sie sich im Bereich der Arbeiter befinden, mit Gitterwerk, Panzern oder Blechhülsen zu verdecken oder einzufriedigen, desgleichen die an Maschinen vorstehenden, hin und her bewegenden Teile oder deren Bahnen, z. B. bei Kreuzköpfen, bei den Steuerknaggen der Hobelmaschinen u. dgl.
Sehr gefahrdrohend sind schnellaufende Kreissägen, Bandsägen, Fräsmaschinen, Hobelmaschinen, Schmirgelmaschinen etc., ferner zahlreiche Maschinen in der Textil- und Papierindustrie: Wölfe, Schlagmaschinen, Kratzen, Strecken, Spinnstühle, Webstühle, Hadernschneider, Papiermaschinen, Kalander, viele landwirtschaftliche Maschinen etc. Für alle diese und andre Maschinen sind ihren Eigentümlichkeiten angepaßte Schutzvorrichtungen unentbehrlich und deshalb auch größtenteils vorgeschrieben.
Bei Hebemaschinen (Krane, Winden etc.) sind die Ketten mindestens monatlich einmal zu schmieren und alle 11/2-2 Jahre leicht auszuglühen, um die nötige Weichheit des Materials wiederherzustellen. Ferner sollen statt der gewöhnlichen Kurbeln, die beim Senken von Lasten rückwärts rotieren und dabei häufig Verletzungen von Arbeitern herbeiführen, Sicherheitskurbeln verwendet werden. Über Fallbremsen und Fangvorrichtungen, die beim Brechen des Seils in Tätigkeit treten, s. Fangvorrichtungen. Über die S. bei Aufzügen s. d., S. 103.
Dampfkochgefäße, Montejus, Lumpenkocher etc. sind wie Dampfkessel (s. d.) mit Sicherheitsventilen, Manometern etc. auszurüsten, vor Inbetriebnahme einer Druckprobe zu unterwerfen etc. Offene Pfannen, z. B. Braupfannen, sollen Umwehrungen gegen das Hineinfallen der Arbeiter erhalten. Überall, wo bei einer Fabrikation Staub entwickelt wird, ist dieser durch Ventilationsvorrichtungen zu beseitigen. Vgl. Staub. Schließlich sind auch die S. zu erwähnen, deren Benutzung ganz allein von den Arbeitern selbst abhängig ist, wie die Schutzbrillen, die Respiratoren oder Inhalationsmasken, die Sicherheitslampen und eine geeignete Kleidung. Durch nicht eng anliegende Kleidungsstücke sind schon viel Unglücksfälle herbeigeführt, indem dieselben an Zähnen, Schrauben, Nasen etc. hängen geblieben sind und die Arbeiter mit in die Maschinen hineingerissen haben. Beschreibungen und Abbildungen einzelner S. gibt die beifolgende Tafel. Über S. in der Elektrotechnik s. d., S. 689. Vgl. »Normalunfallverhütungsvorschriften für gleichartige Gefahren in den unter die Unfallversicherungsgesetze fallenden gewerblichen Betrieben nach den Beschlüssen des 10. Berufsgenossenschaftstages« (Berl. 1896); die von der Gesellschaft zur Verhütung von Fabrikunfällen in Mülhausen i. E. veröffentlichte »Sammlung von Vorrichtungen und Apparaten zur Verhütung von Unfällen an Maschinen« (2. Aufl., das. 1895); Albrecht u. a., Handbuch der praktischen Gewerbehygiene mit besonderer Berücksichtigung der Unfallverhütung (das. 18941896); Bericht über die allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung (das. 1890, 2 Bde.); Kraft, Fabrikshygiene (Wien 1891); »Die Sammlungen des gewerbehygienischen Museums in Wien: Einrichtungen zum Schutz der Arbeiter in gewerblichen Betrieben« (das. 1898); Schotte, Die notwendigsten Schutzvorrichtungen an den in landwirtschaftlichen Betrieben benutzten Maschinen (Heft 57 der »Arbeiten der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft«, Berl. 1901); »Die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie« (4. Aufl., das. 1906); »Gewerblich-technischer Ratgeber. Zeitschrift für Unfallverhütung, Gewerbehygiene und Arbeiterwohlfahrt« (das. 1901 ff.); Hartmann, Unfallverhütung für Industrie und Landwirtschaft (Stuttg. 1903).