Auster [2]

[63] Auster (Ostrea, Ostreum), 1) Muschelgattung aus der Familie der Austern, Schloß mit einem[63] kleinen auf beiden Seiten in einer Grube liegenden Bande, ohne Zähne. Diese Gattung theilt Cuvier in die Gattungen Ostrea, Gryphaea, Pecten, Lima u. Pedum. 2) Eigentliche Auster (Ostrea Brug.), Schalen unförmlich, etwas rundlich, an der Basis schmäler, aus Kalkblättern bestehend, die obere Schale flacher, die untere gewölbter, das Thier (Peloris) fußlos, mit befranztem Mantel. Da die A-n keinen Fuß haben, so müssen sie ruhig auf dem Boden liegen, oft viele übereinander u. mit aufgesperrten Schalen warten, bis ihnen die Nahrung, die in kleinen Thieren besteht, zugeführt wird. Arten, von denen einige eßbar, sind folgende: a) die gemeine Auster (Ostrea edūlis), meist weiß, rundlich, wellenförmig blätterig, rauh, das Thier mit vor dem Munde zugehendem Mantel, krummem, halbkreisrundem, doppelt gewimpertem Rande (Barte) u. braunem Blute; lebt fast in allen Meeren, außer in kalten Zonen u. der Ostsee, gesellschaftlich zu Millionen, auf nicht tiefem Grunde festsitzend (Austerbänke). Sie pflanzen sich vom 3. Jahre an fort, haben im März Milchsaft, im Juni Eier (bei einer einzigen oft 1–2 Mill.). In den Rogen-A. sollen kleine rothe Würmer sein, welche bewirken, daß die Brut aus den Eiern hervorbricht, u. deshalb Accoucheurs heißen. Anfangs, wenn die Jungen hervorkommen, im Juli od. August, haben sie noch zarte Schalen u. setzen sich mit einem fettigen Safte auf den Bänken fest; nach einem Jahre ist die junge A. so groß wie ein Kronenthaler, nach 3 od. 4 Jahren ist sie eßbar. Man nimmt an, daß sie 10 bis 12 Jahre alt werden. Man theilt die A-n nach dem Meeresgrunde, auf dem sie sich angesiedelt haben, in Schlamm- od. Lehm-A-n (die unschmackhaftesten), in Sand-A-n (auf Sandbänken) u. Berg-A-n (die besten); nach ihrer Behandlung: See- u. Pfützen-A-n; Baum- od. Mangle-A-n heißen die, welche von Stürmen in Westindien losgerissen u. auf die Manglebäume geworfen worden sind. Um die A-n wohlschmeckender zu machen, erzieht man sie in sogenannten Austernparks, dies sind Gruben von etwa 4 Fuß Tiefe, von Pfählen umgeben od. mit Bohlen ausgefüttert, nahe am Meere; od. mit Kiesel od. Sand belegt auf dem Festlande, jedoch durch Kanäle mit dem Meere zusammenhängend od. während der Fluth vom Meerwasser bespült. Der Platz für die Parks ist mit Auswahl zu treffen. Kälte u. Schnee ist ihnen schädlich; der Frost soll sie tödten; süßes Wasser soll ihnen jedoch nach Carbonell zuträglich sein. Daher entwickeln sich die A-n auf Bänken, welche von einem Strome süßen Wassers getroffen werden, in einer weit günstigeren Weise, als wenn dies nicht der Fall ist, daher z.B. die Austerbänke an der Mündung des Flüßchens Leyre so vorzüglich schöne u. fette A-n liefern. Die in den Parks aufbewahrten A-n werden von bes. dazu angestellten Leuten (franz. Amareilleurs) besorgt. Sie legen sie zuerst auf dem Grunde des Parks nieder, nehmen sie in der ersten Zeit aller 3–4 Tage mittelst eiserner Rechen aus dem Wasser, suchen sie jedesmal sorgsam aus, legen die todten weg u. bringen dafür andere hin. Nicht ohne Gefahr für ihre Gesundheit vertauscht übrigens die A. ihren alten Wohnort mit dem neuen, dafür wird sie aber auch sehr veredelt. In der Regel füllt man einen Part sechsmal jährlich, dreimal im Frühjahre u. dreimal im Herbste. Die A-n bleiben 1–2 Monate darin. Noch größer ist die Sorgfalt bei den so beliebten grünen A-n od. Grünbärten nöthig. Der Ort, wo sie erzogen werden, muß sehr gereinigt u. mit Kies bedeckt sein. Ein ganz neuer Park ist dazu der beste. Sobald der Kies sich mit einer leichten Schicht eines grünlichen Mooses bedeckt hat, ist der Park geeignet, die A-n aufzunehmen, die hier sehr sanft niedergelassen werden müssen. Neuen Wasserzufluß bekommt diese Art der Parks nur bei Neu- u. Vollmond. Nach einem Monat überziehen sie sich mit einer grünen Schicht, nach älteren Naturforschern aus einer Art Infusionsthierchen (Vibrio ostreae, Austern-Zitterthier), richtiger aber wohl aus Algen bestehend. Als die wohlschmeckendsten A-n gelten die, welche lange in Parks gelegen haben. Man erkennt sie an ihrer glatt u. scharf gewordenen Schale. Beim Einkauf der A-n ist darauf zu sehen, daß man sie bei kalter Witterung zugeschickt bekommt, u. daß ihre Schalen noch gut geschlossen sind. Man muß sie an einem kühlen Orte aufbewahren, u. die schon geöffneten Tönnchen sind mit ihrem Deckel stets wieder gut zu verschließen, wenn die A-n nicht verderben sollen. Die kranken A-n, von lockerer Consistenz, die in den Schalen schlottern od. immer bläulich aussehen, sowie die todten in offenen Schalen sind zu verwerfen, da sie eben so übelschmeckend wie schädlich sind. Man erkennt die todten A-n an den offen stehenden Schalen. Zuweilen haben auch ganz frische A-n Ekel, Erbrechen u. andere schlimme Zufälle verursacht, u. die Ursache wird in Bänken gesucht, die eigens schädliche A-n enthalten sollen (so ward dies einmal von einer Bank bei Dieppe behauptet), od. darin, daß sie während der Fortpflanzungszeit nachtheilig sein sollen. Das in den A-n eingeschlossene Meerwasser verliert in ihnen seine Bitterkeit u. Schärfe u. erhält einen nicht unangenehmen Geschmack. Unter den ausgestochenen A-n sind die mit ihrem eigenen Wasser eingelegten besser, als die mit Salzwasser u. Lorbeerblättern eingemachten, die weniger frisch u. angenehm schmecken. In Holland sind die seeländischen, die bei Vließingen u. Middleburg gefangen werden, die besten. In Dänemark werden A-n bei der Insel Sylt u. im Amte Tondern gesammelt. Von den holsteinischen sind die beliebtesten die Deputat-A-n bei Schleswig u. bes. von Husum. Diese u. die jütländischen sind in Deutschland vorzüglich bekannt. In Italien sind die Pfahl-A-n von Triest u. die Arsenal-A-n von Venedig beliebt. In England gelten die A-n, welche zu Milton in Kent gesammelt werden, als die gesuchtesten, aber auch die Bänke zu Colchester, Maldon, Fewersbam, Queenborough, Rochester u. die in Medway stehen in Ansehen. Die Austernzeit beginnt zu Billingsgate den 4. Aug. Mittags u. endigt den 12. Mai. Die Anzahl der Austernhändler in London ist sehr groß. In Frankreich enthält keins der Ufer reichere Bänke als das der Cancalbai, das zwischen diesem Hafen, dem Mont Saint Michel u. Granville liegt. Der jährliche Betrag beläuft sich auf 600,000 Francs, indem Anfangs der Korb 7–8 Francs kostet, den andern Tag freilich oft nur halb so viel. Auch die Austernparks der Maremmen sind ergiebig. In Deutschland treibt Hamburg den bedeutendsten Handel mit ihnen. Ein Austerfäßchen enthält gewöhnlich 4–600 Stück. Der Austerfang geschieht übrigens, wenn die Ebbe sie[64] blosgelegt hat, mit der Hand, od. mit eisernen Rechen u. Kästen, womit sie losgerissen werden, od. mit einer Art Schaufel (Austerschaber), hinter welcher ein lederner Sack zum Auffassen der abgelösten befestigt ist u. der von den Fischerböten mit vollen Segeln gezogen wird. Letztere Fangweise gewährt zuweilen auf einen Zug 1200 Stück. Die A-n sind, mäßig genossen, Gesunden in der Regel nicht nachtheilig, u. ein, an ihren Genuß gewöhnter Mann kann 100 u. mehr Stück ohne üble Folgen verzehren. Am besten bekommen sie frisch genossen, nur mit dem Seewasser, mit Zitronensaft betröpfelt u. mit einem leichten, weißen Wein. Die A-n werden auch gebraten, indem man sie, in der Schale liegend, mit geriebener Semmel überstreut, mit brauner Butter u. Citronensaft übergossen, auch mit Petersilie u. klarem Pfeffer überstreut auf glühende Kohlen setzt; od. geröstet, indem man die Schalen erst mit Butter u. Ei ausstreicht u. auf ein heißes Blech legt; od. in einer heißen Mischung von Milch, Butter, Ei u. Mehl getaucht gebacken. Auch hat man Austerpasteten, wo man Austerbouillon, Eidotter, etwas Wein, Sardellen u. dgl. zu einem Fricassee bereitet, in Pastetchen u. Blätterteig füllt; Austerkuchen (Oester koeks), ein Gemisch von getrockneten A-n u. Mehl, als Zusatz zu andern Speisen gethan, hält sich ein Jahr; Austersauce, wo man die A-n zerschnitten mit Coulis, Eidottern, etwas Mehl u. Wein zu Sauce kocht u. sie dann zu Hühnern, Truthahn, Gänselebern u. dgl. gibt; auch braucht man die A-n zur Garnirung des Sauerkrauts, zu Suppen, des. werden sie in Gegenden, wo sie häufig sind, oft zu Krankensuppen verwendet. Französische Ärzte wenden auch das in den A-n eingeschlossene Meerwasser, bes. gegen Magenübel, an. Austerschalen (Conchae osterearum, Testae concharum), enthalten größtentheils kohlensauren Kalk; abgewaschen, ausgekocht, auf einem Schleifstein abgeschliffen, nochmals gewaschen, getrocknet, sein gepulvert, auf dem Reibstein sein gerieben od. geschlämmt heißen sie präparirte A – schalen (Conchae praeparatae). Das durch Übergießen ausgeglühter A-schalen mit Wasser erhaltene Austerschalenwasser (Aq. concharuin s. ostreodermatum), ist ein gewöhnliches Kalkwasser. Andere Arten: b) Wurzel-A. (Blatt-A., O. solium, O. cratium), oval, fingerslange Ränder der Schalen, zickzackig, klumpenweiß an Stämmen von Gorgonien u.a. Pflanzenthieren; c) Stock-A. (O. parasitica), rund, platt, an, den Wurzeln der Manglebäume; d) Hahnenkamm (O. crista galli), rundlich, sehr gefaltet, röthlich weiß, braunroth, selten u. theuer.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 63-65.
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