[27] Böhmische Brüder (Mährische Brüder), christliche Secte, welche sich aus den Überresten der von den freieren Hussiten (Calixtinern) besiegten strengen Hussiten (Taboriten) bildete; aus Prag, wo sie entstanden waren, zogen sie 1453, eingeladen von Georg Podiebrad, damals Gubernator von Böhmen, auf dessen Besitzungen an der Grenze von Schlesien u. Mähren, bes. nach Liticz. Hier hielten sie sich Anfangs zu den Calixtinern u. den katholischen Pfarrern, die einige Ceremonien abschafften u. strenge Kirchenzucht übten; als daraus aber Uneinigkeiten entstanden, errichteten sie unter der Leitung des Pfarrers Mich. Bradacz 1457 eine eigne Kirchengemeinschaft, welche sich Brüder vom Gesetz Christi (Fratres legis Christi), od. schlechtweg Brüder u. Brüderunität (Unitas fratrum, Fratres unitatis) nannte. Bald begannen jedoch die Verfolgungen der Katholiken gegen sie, welche die Brüder zwangen, sich in Einöden u. Höhlen zu verbergen, woher ihr Name Jamnicii u. Grubenheimer stammt. Dennoch breiteten sie sich aus u. wählten selbst 1467 zu Chota bei Reichenau 3 Obere, die sich, durch den in Österreich lebenden Bischof der Waldenser, Stephanus, zu Bischöfen weihen ließen. Bei späteren Verfolgungen (bes. 1499 u. 15038) reichten die B-n B. Vertheidigungsschriften ein, u. diese Schriften, so wie ihr lobenswerther Wandel, schafften ihnen viele Freunde; viele Calixtiner u. fast alle Waldenser (weshalb sie selbst auch Waldenser genannt wurden), gingen zu ihnen über, u. bei Anfang der Reformation zählten sie bereits 200 Bethäuser. Als sie sich im Schmalkaldenschen Kriege weigerten, gegen die Protestanten zu streiten, wurden sie von dem König Ferdinand des Landes verwiesen. An 1000 wanderten daher 1548 nach Polen u. von da nach Preusten aus, wo ihnen Herzog Albrecht Wohnsitze in Marienwerder anwies. Die Reformation zog ihre Aufmerksamkeit sehr auf sich, u. sie verhandelten viel mit Luther, Melanchthon, Calvin u. A. Da einige sich mehr zum schweizerischen, andere zum lutherischen Lehrbegriffe hinneigten, entstanden Streitigkeiten mit den Lutheranern, die zwar durch den Bergleich von Sendomir 1570, wo beide Parteien die Augsburgische Confession, die Confession der B-n B. (Confessio Picardorum) u. die wahre Gegenwart Christi im Abendmahl annahmen, beigelegt wurden; als indeß bis Lutheraner nach Albrechts Tode sie nöthigen wollten, zu ihrer Kirche überzutreten, schlossen sie sich mehr der reformirten Confession an; andere gingen unter Maximilian II. nach Böhmen u. Mähren zu ihren dort gebliebenen Brüdern, wo sie Fulneck zu ihrem Hauptsitz machten. Hier theilten sie das Schicksal der andern Akatholiken u. wurden 1620 mit ihnen wieder vertrieben. Sie zerstreuten sich in alle protestantischen Länder u. verschmolzen nach u. nach mit den daselbst herrschenden Religionsparteien. Amos Comenius ward 1632 auf der Synode zu Lissa zum Bischof der zerstreuten Brüder geweiht. Er weihte 1662 feinen Eidam Petrus Figulus, gewöhnlich Jablonsky genannt, u. dieser seinen Sohn Daniel Ernst Jablonsky 1699 zum Bischof, welcher die Weihe dann den, 1722 aus Böhmen u. Mähren nach Herrnhut gekommenen Brüdern zurückgab (s. Brüdergemeine). Dir B-n B. erloschen als Gemeinde. In Bezug auf die Verfassung nun sahen sich alle B-n B. als Unität an u. erkannten die Gewalt des Landesherrn, jedoch mit Vorbehalt ihrer Gewissensfreiheit, an. Das Lehramt bestand aus 56 Bischöfen (meist 2 in Böhmen, 2 in Mähren, 12 in Polen), welche die Aufsicht über die Gemeinden u. Lehren führten. Ihre Gehülfen waren die Mitbischöfe, die aus den Presbytern gleich den Pastoren gewählt wurden. Die Presbytergehülfen waren die Diakonen u. die Akoluthen, junge Leute, die zum Lehramt erzogen wurden. Diese Lehrer bildeten keinen eigentlichen geistlichen Stand, sondern oft waren selbst die Presbyter Handwerker; die untersten Kirchenbeamten hießen Bauleute. Die Gemeinde war in Anfänger (die Kinder u. neu bekehrte Katechumenen), Fortschreitende (die das Abendmahl genossen hatten), u. Vollkommene (die sich durch sittlichen Wandel auszeichneten) getheilt; aus Letzteren wurden Älteste u. Ältestinnen gewählt, welche das Gemeinwohl beriethen, auf die Sittlichkeit achteten, in jedem Vierteljahr die Familien einmal besuchten, Streitigkeiten schlichteten etc. Cultus: Gemeinschaftliche Andachten wurden an Sonn- u. Wochentagen gehalten; man sprach nur über Gegenstände des Evangeliums in Bezug auf die Sittlichkeit. Auch die Gesänge hatten diesen Geist; das Abendmahl ward in beiden Gestalten an einem mit einem weißen Tuch bedeckten Tische gereicht, das Brod wurde gebrochen. Kirchenzucht wurde ohne Ansehen der Person geübt; Strafen waren Erinnerung durch die Ältesten od. die Pfarrer, Ausschließungen vom Abendmahl, öffentliche Abbitte der Sünden u. Ausschließung von der Gemeinde. Die Bischöfe od. ihre Gehülfen mußten die Gemeinde jedes Jahr besuchen; besondere Synoden beriethen sich über das Wohl einzelner Kreise, allgemeine über das der ganzen Unität. Vgl. Amos Comenius, Historia fratrum Bohemorum, Halle 1702; Joh. Gottl. Carpzov, Religionsuntersuchung der B-n B. etc., Lpz. 1742; Lochner, Entstehung der Brüdergemeinde in Böhmen u. Mähren, Nürnb. 1832.
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