Korallen

[713] Korallen, I. Corallia, Abtheilung der Pflanzenthiere aus der Klasse der Polypen. Es gibt nämlich Polypen, die nicht aus einer, sondern aus zwei verschiedenen Substanzen bestehen, indem sie entweder eine härtere im Innern enthalten od. von einer kalkigen Röhre umgeben sind. Da sie nun hauptsächlich durch Knospenbildung entstehen (s.u. Polypen), so entsteht aus der Vereinigung solcher Thiere ein gemeinschaftlicher Körper, dessen feste Theile der Fäulniß widerstehen u. der nach dem Absterben der Polypen fortdauert u. aufbewahrt werden kann, ebenso wie er Jahrtausende in den Kalkschichten der Berge, die im Meeresgrunde der Vorwelt gebadet wurden, aufbewahrt bleibt, endlich verwittert und zur Bildung von neuen Kalkschichten beiträgt. Diese feste Masse nennt[713] man Polypengehäuse, Polypenstock od. Korallenstock, u. dieselbe ist also nichts weiter als ein schichtenweise abgesonderter Körper, der aus den Absonderungsmassen mehrer mit einander durch Knospung vereinigter Thiere entstanden ist. Viele Arten der K. haben noch einen Zufluß von Nahrung, wachsen fort u. sind der Sitz der Knospenbildung, aus dem viele neue Polypen hervorgehen. Sie sind gleichsam Hüllen od. Kerne, die wie ein Haut- od. Knochenskelett zu einer hornigen od. kalkigen Masse erhärten können. Wegen der Ähnlichkeit dieser Korallenstöcke mit Pflanzen wurden sie lange Zeit wirklich dafür gehalten. Die steinartige Hülle derselben suchte man so zu erklären, daß die Koralle erst, aus dem Meere geholt, an der Luft erhärte Erst im 16. Jahrh. wurde durch den Ritter de Nicolai, welcher die K. genau untersuchte, der Irrthum nachgewiesen. Indeß fuhren die Botaniker Cäsalpinus, Bauhin, Lobel, Ray u.a. fort, die Korallengewächse zu den Pflanzen zu zählen, u. man glaubte sich noch darin bestärkt, als Ong de la Poitier (1613) u. Peiresc (1624) entdeckten, daß aus der durchgebrochenen Koralle ein dem Milchsaft des Feigenbaumes ähnlicher milchiger Saft fließe, der Letztere auch fand, daß die Koralle, wie die Stämme unserer Bäume, aus einem härteren inneren Theile u. einer weicheren äußeren Lage bestände, also deutlich eine Holz- u. eine Rindenschicht vorhanden sei, u. der Graf Marsigli (1707) sogar die Blumen der K. entdeckt haben wollte, worüber er erst 1725 in seiner Histoire physique de la mer ausführlicher berichtete. (Er hatte die kleinen Polypen mit ihren Fühlfäden für Blumen angesehen.) Daneben fehlte es übrigens auch nicht an Männern, welche, wie z.B. Boccone u. Quison, die Korallengewächse für Steine, zum Mineralreiche gehörend, hielten, vielleicht entstanden nach Art des sogenannten Dianenbaumes. Réaumur schlug dagegen einen Mittelweg ein, indem er meinte, daß die K. nach Außen Pflanzen, nach Innen Steine wären. Im Jahre 1725 übergab derselbe endlich der französischen Akademie den Bericht über einige, von Pryssonel angestellte Untersuchungen über die Natur der K., aus denen ersichtlich war, daß sie das Erzeugniß von Thieren seien, die zu den Meernesseln gehören. Eine kräftige Unterstützung erhielt seine Entdeckung später (1740) durch Trembley's Beobachtung der Süßwasserpolypen und volle Bestätigung endlich durch Linné. Dennoch konnte man sich von der Idee einer wenigstens zum Theil pflanzenartigen Natur nicht völlig trennen u. führte nun für den Namen Steinpflanzen (Lithophyta), den Namen Thierpflanzen (Zoophyta) ein, der später in Pflanzenthiere (Phytozoa) umgewandelt wurde.

Eine besondere Eigenthümlichkeit der Korallenpolypen ist die, daß sie zusammengesetzte Thiere sind, od. daß wenigstens ein früher einfaches Thier ein zusammengesetztes werden kann. Wenn die verschiedenen Individuen, die einen Polypenstock bilden, ihre Fangarme ausgebreitet haben, dann wird eine u. dieselbe Ursache, z.B. eine Bewegung in dem Wasser, nicht selten sie alle plötzlich u. in demselben Augenblicke in ihre Höhlen zrücktreiben. Die anatomische Untersuchung erkennt den Grund dieser gemeinschaftlichen Thätigkeit darin, daß alle die Thiere, welche eine solche Polypengemeinde bilden, wirklich Einen Körper ausmachen, gleichsam einen Körper mit vielen Köpfen, aber blos mit einem Sinne. Doch ist die Art u. Weise dieser Verbindung nicht bei allen gleich. Bei vielen hängt der Darmkanal des einen Individuums unmittelbar mit dem der benachbarten zusammen, so daß deshalb eine allen gemeinschaftlich zukommende Höhlung besteht, welche in verschiedenen Richtungen verzweigt ist. Die Nahrung von einem einzelnen Polypen aufgenommen, dient daher zur Nahrung der ganzen Kolonie. Doch gibt es auch Polypen, die nicht durch den Darmkanal, sondern blos durch ihre horn- oder steinartigen Hüllen zusammenhangen, in welchem Falle dann in der Zwischenmasse wirkliche Öffnungen sind, durch welche die an einander grenzenden Höhlen in gegenseitige Verbindung treten, od. auch wohl Netze von sehr seinen Fäden, die von einer Höhlung zur anderen führen. Ist dann auch die Verbindung eine viel geringere, so wird dieselbe doch durch den Umlauf des Nahrungssaftes gar sehr befördert, welcher übrigens mehr dem der Pflanzen, als dem des eigentlichen Blutumlaufes gleicht u. hauptsächlich durch Flimmerhärchen bewirkt wird, die auf der inneren Fläche des Darmkanals u. der Fangarme sich zeigen u. in anhaltender schwingender Bewegung sind. Die Korallenpolypen pflanzen sich übrigens nicht blos durch Knospung, ort, sondern auch durch wirkliche Eier u. durch Selbsttheilung, welche letztere von dem Magen u. der Scheibe mit der daran befindlichen Mundöffnung ausgeht Die nackten, weichhäutigen Polypen leben in allen Himmelsstrichen desgleichen die, deren Korallenstock hornartig ist; dagegen finden sich die mit laikartigem Korallenstocke, welche Korallenriffe bauen, fast nur auf den durch die Parallelkreise des 28° südlicher u. nördlicher Breite gebildeten Gürtels beschränkt. In der Mitte dieses Gürtels ist die mittlere Temperatur des Oceans 27–29°C., u. hier ist es, wo die Entwickelung der die Korallenstöcke bauenden Arten am üppigsten stattfindet. Sowohl nördlicher als südlicher von diesen Grenzen werden zwar noch Korallenpolypen angetroffen, aber spärlich u. daher nicht mehr Korallenriffe bildend. Was die Meerestiefe betrifft, in denen diese K. noch vorkommen, so hat man gefunden, daß sie bei einer Tiefe von 20–25 Faden, ja sogar bei 100–270 Faden noch leben u. wachsen können.

Was die Korallenriffe anlangt, so kann man drei Hauptformen annehmen: a) Strandriffe, die sich unmittelbar an den Strand einer Küste anschließen u. davon gleichsam sich zum Theil unter der See fortsetzende Anhängsel ausmachen; b) Kanalriffe, die mehr od. weniger in gleicher Richtung mit einer Küste laufen, doch davon durch eine Art Kanal geschieden sind; c) Koralleninseln od. Atollen fern von allem festen Lande, mitten im Ocean, diese haben eine rundliche od. länglichrunde Gestalt u. bestehen aus einem sich über das Wasser erhebenden Rand, von größerer od. geringerer Breite, innerhalb dessen sich meistens ein See (Lagune) befindet, s.u. Insel A) b) bb). Die Eintheilung der K. s.u. Polypen. Über K. u. Polypen überhaupt haben geschrieben: A. Trembley, J. Ellis, P. S. Pallas, F. Cavolini, E. J. C. Esper, C. G. Ehrenberg, G. Johnston, Wilne Edwards, Flourens, Gray, Guerin, Boddaert (s.d. a.) u.a.

II. Edelkorallen (Isides), Familie der K.: Abtheilung der achtstrahligen Rindenkorallen, mit zweiförmig verbreitetem Stamme u. ganz kalkiger od. abwechselnd kalkiger Achse. Hierher gehört: a) die Gattung eigentliche Edelkoralle[714] (Isis L.): Stamm mit kalkigen, längsgefurchten Gliedern, zwischen denen hornartige Verengerungen (Zwischenknoten); Äste zerstreut (Isis) od. gefiedert (Mopsĕa Lamour); Arten: Gemeine K. (I. hippuris), Zweizeilige K. (M. dichotoma), M. mediterranea Risso u.a.; b) Knotenkoralle (Melitaea), eben so, aber die Zwischenknoten schwammig: M. ochracĕa, häufig an Ostindien, sehr ästig, etwas gabelig verflacht, Aste u. Ästchen aufrecht gebogen, bis 3 Fuß hoch, M. retifera s. Isis aurantia L, M. coccinea, M. textiformis u.a.; c) Schmuckkoralle (Blutkoralle, Corallium Lam), Stamm ungegliedert, schief gestreift, Achse ganz kalkig; nur eine Art: Gemeine Schmuck- od. Rothe Edelkoralle (C. nobile s. rubrum, Isis nobilis L.): ästig, zinnober- bis mennigroth, bis 1 Fuß hoch u. 1–2 Fuß dick. Diese Koralle ist vorzüglich im Mittelländischen Meere zu Hause, besonders an den Balearischen Inseln, an der Küste der Provence, am südlichen Gestade von Sicilien u. an der afrikanischen Küste von Barka, wo die Korallenfischer oft Wälder von K. entdecken u. zerstören, um daraus den bekannten Schmuck zu Halsperlenbändern, Stockknöpfe, Messerhefte, Rosenkränze u. dergl. zu verfertigen, welche früher ein sehr gesuchter Handelsartikel für den europäischen Markt waren, wie er es zum Theil noch jetzt ist, da auch jetzt noch von europäischen Frauen Korallenschmuck gern getragen wird. Im Orient u. dem indisch-chinesischen Markte hat der Handel mit K. seine Wichtigkeit immer ungeschmälert behalten u. bezieht seinen ansehnlichen Bedarf vorzüglich aus dem Persischen Meerbusen, der auch sehr ergiebig ist, aus dem Rothen Meere, welches von den Korallenbänken seinen Namen hat, u. stellenweise auch von den Küsten von Sumatra u. einigen anderen ostindischen Inseln. Die K. bedürfen 8–10 Jahre zu ihrem Wuchse, u. man fischt sie in Tiefen von 10–100 Faden u. noch tiefer, aber sehr selten in 21/2 Faden Tiefe. Am ergiebigsten ist die Korallenfischerei an der afrikanischen Küste, wo sie vorzugsweise von sardinischen Schiffern betrieben wird, welche zwischen dem April u. August oft mit 200 Barken mit großen Segeln (Corallines) in See gehen. Aber auch bei Sicilien, namentlich in der Straße von Messina, findet lebhafter Korallenfang statt, der nach Spallanzani's Angabe, durchschnittlich jährlich 12 Centner zu 250 Pfd., also 3000 Pfd. beträgt. Man läßt mit Hanfseilen befestigte, durch Kanonenkugeln beschwerte, mit Beuteln versehene Balken ins Meer, die K. werden losgestoßen u. fallen in die Beutel, od. verwickeln sich in die Stricke. Starke Korallenäste verden jedoch besser durch Taucher gewonnen. In der Hauptniderlage zu Marseille sucht man nun zuerst die Cabinetsstücke heraus, dann die welche zu größeren Gegenständen gebraucht werden können. Die stärkeren Äste werden nun zuerst von den kleineren Nebenästen befreit, dann glatt gefeilt, in kurze Stücke geheilt u. diese mit einem Drillbohrer durchbohrt, zwischen zwei schräg gegeneinander stehende Bretchen gelegt u. immer angefeuchtet, weil sie sehr leicht springen. Die durchbohrten K. werden dann auf einen Drahtstift gereiht, mit einem Sandsteine geglättet, u. alsdann wird jede Perle einzeln auf einen drehbaren Schleifstein rund geschliffen u. polirt. Die fertigen Korallenperlen werden nach ihren verschiedenen Farbennüancen u. Größen sortirt. Je größer eine Perle u. je höher die rothe Farbe derselben ist, desto größer ist ihr Werth. Eine K. von der Größe einer Flintenkugel kostet ungefähr 3 Ducaten, u. der Preis pro Unze steigt überhaupt bis zu 60–70 Thlr., indeß die geringste Sorte oft nur 10 Ngr. pro Pfd. werth ist. Die kleineren, von der Größe der Perlgraupen, werden zu Korallenperlen in eigenen Korallenfabriken bearbeitet u. heißen nach ihrem größeren od. geringerem Werthe: erstes, zweites, drittes Blut, Blutschaum, Blutrose etc. Sie werden loth- od. schnurenweise verkauft. Außer Südfrankreich ist bes. Italien der Hauptmarkt für K. Auch die Schwarze K. (Eunicĕa antipathes, Gorgonia ant. L.) mit hornigem, biegsamem, ungegliedertem, ästig verzweigtem Stamme, wird in Indien, ja fast wie die rothe geschätzt. Sie ist glänzendschwarz, hat keine Längsstreifen, eine korkartige Rinde u. die Rindenzellen sind zitzenartig vorspringend. Männer u. Weiber tragen sie in Ostindien mit Gold verziert zum Schmucke, aber auch zum Schutze gegen Bezauberung, so wie als Arzneimittel, bes. als Gegengift; eben so diente sonst in der Arzneikunde, namentlich gegen saures Aufstoßen, die Weiße (Isis bippuris s. Corallia alba, Augenkoralle), u. die Rothe (Corallium nobile s. Corallium rubrum) als Blutkoralle, letztere die Spitzen u. kleinen Stücke (Fraginenta corallii rubri). Da sie aber nur aus kohlen- u. phosphorsaurem Kalke u. etwas thierischem Leime bestehen, so haben sie vor Auster-, Eierschalen u. nichts voraus. Aus den Rothen K. wurde auch eine Tinctur, ein erdiges Salz u. Syrup (Korallentinctur, Korallensalz, Korallensyrup) bereitet.

Von den übrigen K. nennen wir hier noch die gemeine Spitzenkoralle (Retepora cellulosa. Neptunsmanschette), die Moosförmige Spitzenkoralle (R. lichenoides), beide aus dem Mittelmeere. Ebendaselbst u. an den amerikanischen Küsten leben die Nulliporen od. Klumpenkorallen, welche von Rapp u. Philippi jedoch für Pflanzen gehalten werden, von Link u. Blainville für kalkige Incrustäte über vegetabilische Stoffe. Ferner findet man daselbst auch die Punktkorallen od. Milleporen (Millepŏra), die in den west- u. ostindischen Gewässern, wie im Mittelmeer vorkommen, die Pöciloporen od. Becherkorallen (Poecilopŏra) im Indischen Ocean, namentlich die Damhirschkoralle (P. damicornis), welche sehr ästig ist, die Hirnkoralle (Maeandrina) z.B. die Labyrinthkoralle (M. labyrinthica), welche wie viele andere auf den Karaibischen Inseln zum Kalkbrennen benutzt wird; die Madreporen od. Schwammkorallen, von denen M. digitata in Indien ebenfalls zum Kalkbrennen benutzt wird u. die meisten Arten mit ihren vielästigen, zackigen Stämmen wesentlich zur Bildung von Korallenriffen u. Koralleninseln beitragen; vgl. Polypen. Korallen nennt man auch kleine geschliffene rothe Perlen aus Glas. Vgl. Korallenhalsband.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 713-715.
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