Schaffhausen

[68] Schaffhausen, 1) der zwölfte u. nördlichste Canton der Schweiz, liegt in drei von einander getrennten Stücken, dem Hauptgebiet u. zwei kleineren Landstrichen, auf dem rechten Rheinufer zwischen Baden u. den Cantonen Zürich u. Thurgau, 5,6 QM. (13,3 schweizer Quadratstunden) mit 35,300 Ew., welche mit Ausnahme von 1400 Katholiken der Reformirten Confession folgen u. ihrer Abstammung nach Deutsche, doch mehr Schwaben als Schweizer, sind. Der Boden ist wellenförmig u. sehr fruchtbar; der bewaldete, durchschnittlich 1200 bis 1400 Fuß hohe Gebirgszug, eine westliche Fortsetzung des Jura, durchzieht den Canton; östlich davon erstreckt sich der Lange Randen, der Hohe Randen bildet ein kahles, wasserarmes, im Mittel 2709 bis 2800 Fuß hohes Plateau. Die östliche Hälfte des Hauptgebietes wird von dem zerklüfteten Kalkgebirge des Reyath durchzogen. Flüsse sind der Rhein, die Wutach, Bidern, Durach; 4 Haupt- u. 30 Nebenthäler, unter ihnen der fruchtbare, weinreiche Klettgau, durchziehen das Land. Das Klima ist im Rheinthale mild, rauh auf dem Plateau des Rauden u. Reyath. Producte: Rindvieh, Getreide, Obst, Wein, Holz, Fische (Hechte, Lachse), Federwild, Gyps, Thon, Sandsteine. Die Bewohner beschäftigen sich meist mit Landbau u. Viehzucht, der Bergbau auf Bohnerz wird nicht mehr betrieben, die Industrie ist ziemlich zurück, doch gibt es Baumwollspinnereien, 1 Kattundruckerei, 1 Gußstahl- u. Feilenfabrik, 1 Tuchfabrik, 1 große Wagenfabrik, Gerbereien, Gypsmühlen, Bierbrauereien, Kirschwasserfabriken etc. Der Handel hat seit dem Bestand des Zollvereins sehr gelitten. Schulanstalten sind Elementarschulen, 5 neugegründete Realschulen u. 1 Gymnasium. Der Canton ist in die sechs Bezirke: Ober- u. Unterglettgau, Reyath, Schaffhausen, Schleitheim u. Stein eingetheilt. Die Regierung des Cantons ist seit 1831 völlig demokratisch. Die Verfassung wurde 1834 revidirt; eine neue revidirte Verfassung ist vom 2. Mai 1852. Nach derselben wird der Große Rath, welcher die Gesetzgebende Gewalt u. die Oberaufsicht über alle Behörden ausübt, direct vom Volke nach dem Verhältnisse von Einem Mitgliede auf 200 Seelen gewählt; wahlfähig ist jeder Stimmberechtigte nach zurückgelegtem 25. Lebensjahre, Der Große Rath kann jederzeit auf den Antrag von 1000 stimmfähigen Bürgern durch die Wahlversammlungen abberufen werden. Die oberste vollziehende u. Verwaltungsbehörde ist der Regierungsrath, aus sieben Mitgliedern bestehend, welche das 30. Jahr zurückgelegt haben müssen; dieser Behörde liegt die Führung sämmtlicher Regierungsgeschäfte ob. Die Fürsorge für den öffentlichen Unterricht ist einem Erziehungsrathe, für das Kirchenwesen einem Kirchenrathe übertragen. Das Obergericht bildet die letzte Instanz für alle durch die Gerichte abgeurtheilten, appellabeln Civilstreitigkeiten u. Straffälle. Ein Cantonsgericht aus sieben vom Großen Rathe gewählten Mitgliedern behandelt bis zur Einführung der Schwurgerichte die Criminal- u. Zuchtpolizei, sowie die Matrimonialfälle. In jedem der sechs Gerichtskreise besteht ein Bezirksgericht von fünf Mitgliedern. Friedensrichtern liegt die Vermittelung u. Besorgung niederer Rechtsgeschäfte ob. Alle 3 Jahre findet eine theilweise Erneuerung sämmtlicher Behörden u. zwar je zur Hälfte ihrer Mitglieder statt. Einkünfte 1852/53: 370,994 Fr., Ausgaben: 474,177 Fr. Das Bundescontingent ist 39 Mann Packtrain, 137 M. Dragoner, 12 Compagnien mit 1346 M., 3 M. zum Gesundheitsdienste, 58 Trainpferde u. 4 Sechspfünderkanonen. Wappen: ein schwarzer springender Widder im grünen Felde. Münzen, Maße u. Gewichte: Man rechnet jetzt (seit 1850) im Canton S., wie in der ganzen [68] Schweiz (s.d.) nach Franken des französischen Münzfußes (8 Sgr.), früher nach Gulden zu 60 Kreuzern à 4 Heller od. auch zu 15 Batzen à 4 Kr. im 24-Guldenfuße. Maße u. Gewichte sind gesetzlich die neuen Schweizermaße etc. (s.u. Schweiz, Geogr.), doch kommen im bürgerlichen Leben noch häufig folgende vor: der Feldmeßfuß = 357,32 Millimeter = 1,19107 neue Schweizer Fuß, die Ruthe hat 10 solche Fuß; die Elle = 595,54 Millimeter = 0,99256 neue Schweizer Ellen; Feldmaß: der Juchart hat 4 Vierling à 4 Quärtlin od. Mäßlin u. hält 252 Quadratruthen = 32,175 Aren od. 0,89375 neue Schweizer Inchart. Fruchtmaß: das Malter für glatte Frucht hat 2, für raube Frucht 4 Mütt à 4 Viertel à 4 Vierling à 4 Mäßli, das Viertel für glatte Frucht = 22,287, für rauhe 25,7333 Liter; Flüssigkeitsmaß: der Saum lautere Sinn (lauteres Maß) hat 4 Eimer à 4 Viertel à 8 Maß (Landmaß) à 4 Schoppen, das Landmaß = 1,31035 Liter; 8 Landmaß = 91/2 Stadt- od. Schenkmaß; der Saum trübe Sinn ist 71/2 Maß größer. Vgl. Geographische Darstellung des Cantons S., Zürich 1811; M. Kirchhofer, S-s Jahrbücher von 1519–1529, Schaffh. 1810; Wanner, Der Canton S. in antiquarischer Bedeutung, Schaffh. 1851. Die Geschichte s.u. Schweiz. 2) Bezirk hier; 3) Hauptstadt darin, rechts am Rhein u. an der S.-Winterthurer Eisenbahn, mit Rheinbrücke; bat Stadtmauern u. Thore u. eine alterthümliche Bauart, 3 Kirchen (darunter die zu St. Johann). 3 Armenhäuser, Waisen-, Rath- u. Salzbaus, Gymnasium, Collegium humanitatis. Stadt- u. vier andere Bibliotheken, Bibelgesellschaft, Landwirthschaftlicher Verein, Historische Gesellschaft, Naturwissenschaftliche u. Kunstcabinette, Hülfsgesellschaft, Blindenunterstützungsanstalt, 2 Baumwollenspinnereien, Fabriken von Gußstahl, Wagen, Feilen, Kattundruckerei, Buchhandlungen, Druckereien, Rheinschifffahrt; 7700 Ew. Hier schöne Aussichten von der Rheinbrücke u. dem alten Bollwerk Unnoth, anmuthige Umgebungen, Promenade Fäsenstaub. Hierbei der Rheinfall von S., s.u. Rhein. S. ist der Geburtsort des Bildhauers Trippel, Johannes v. Müller (dessen Bildsäule seit 1852 auf einem der größeren freien Plätze steht) u. dessen Bruders Johann Georg Müller. Vgl. Zehnder, S.u. seine Umgebungen, Schaffh. 1842._– S. kommt als Scafhuson schon zur Zeit Karls des Großen vor. Die Gegend um S. gehörte früher den Grafen von Nellenburg; das Kloster Allerheiligen, welches Graf Eberhard bei S. 1052 gründete u. welchem er seine herrlichen Rechte auf die Gegend abtrat, trug sehr zur Vergrößerung S-s bei, indem es viele Arbeiter dahin zog. S. wurde in der Folge eine Reichsstadt, aber Kaiser Ludwig der Baier beschränkte ihre Rechte, indem er sie 1330 an die Herzöge von Österreich verpfändete. Diese blieben Herren der Stadt bis 1415, wo Kaiser Sigismund sie in ihre alten Rechte einsetzte, u. sie behielt diese bis 1501, wo sie am 10. August mit Basel zur Schweizerischen Eidgenossenschaft trat. 1803 war S. einer der Cantone, aus welchen unter französischem Einfluß die neue Schweizerische Eidgenossenschaft gebildet wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 68-69.
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