Eigen (Subst.)

Eigen (Subst.).


1. An Eigen ist die rechte Leibzucht der Frauen.Graf, 155, 109; Homeyer, Sachsenspiegel (Berlin 1827), III, 75, 1.

Leibzucht (Leibgedinge, Witthum) ist das dingliche Nutzungsrecht, das der Mann vor oder nach Eingehung der Ehe für den Leib, d.i. für das Leben der Frau gerichtlich an seinen Liegenschaften, also an wahrem Eigen und nicht an Fahrhabe (s. Eigen 7) bestellte, um das Bestehen derselben im etwaigen Witwenstande zu sichern. Dies Nutzungsrecht erlosch mit dem Tode der Frau.


2. Arken hual sin Anj, do waart 'm egh bidranj. (Nordfries.) – Firmenich, III, 4, 48.

Jeder halte sein Eigen, dann wird man nicht betrogen.


3. Breite Eigen werden schmal, so man sie theilet mit der Zahl.Eiselein, 138; Graf, 215, 216; Grimm, Rechtsalt., 474.

Wenn in ältern Zeiten das väterliche Besitzthum in so viel Theile getheilt wurde, als Kinder vorhanden waren, so mussten auch die grössten Güter endlich in sehr kleine, für den Ertrag unvortheilhafte Besitzer zerfallen; aus diesem Grunde schlug man später den entgegengesetzten Weg ein, die Liegenschaften ungetheilt einem der Söhne zu übergeben.


4. Das Eigen verachten und das Fremde lieben.

Lat.: Alienum amamus, proximum contemnimus. (Aler.)


5. Eigen gibt die besten Feigen.

Holl.: Er gaat niets voor eigen. (Harrebomée, I, 179.)


6. Eigen hat man ohne allen Zins.Graf, 103, 206; Klingen, Sechsisch Landrecht, 100, b, 1.

Lasten, Fronen und Dienste drückten nur den hörigen Mann; der freie entrichtete zwar dem Fürsten jährlich Geschenke und trug zu den Heerzugskosten bei, jedoch ursprünglich nur freiwillig; sein Gut aber blieb immer ohne Zins, was der Sinn des obigen Sprichworts ist.


[770] 7. Eigen ist unterscheiden.Graf, 103, 205; Ortloff, Rechtsbuch nach Distinctionen (Jena 1836), I, 7, 22.

Nach deutschem Recht bestand das wahre Eigen nur in liegendem Gut, was in Erbgut und gewonnenes Gut unterschieden wurde. Jenes war völlig unveräusserlich, weil auf dem Grundbesitze die ganze politische Stellung des freien Mannes ruhte, die auch den Erben gewahrt bleiben musste. Das letztere, was im Gegensatz zu Erbe das Eigen genannt wurde, konnte die besitzende Hand verändern.


8. Eigen und Erbe sollen gleichen Tag haben. Graf, 441, 331.

Von dem Gerichtsverfahren.


9. Mit Eigen darf der Erbe keine Schuld gelten. Graf, 222, 282.

Die liegenden Güter waren unveräusserlich. Nach dem Sachsenspiegel war der Erbe nur insoweit für die Schulden des Erblassers verpflichtet, als die Fahrhabe langte. Erbeigen und Lehen boten den Gläubigern keine Deckungsmittel.


10. Seinem eigen stehet einer selbst am besten für.Henisch, 831; Petri, II, 518.


11. Ungetheiltes Eigen leidet keinen Zaun.Graf, 85, 121; Grimm, Rechtsalt., 528.

Der Zaun dient seinem Wesen nach nur zur Abgrenzung und zum Einschluss des Sondereigenthums gegenüber der Almende, dem gemeinsamen Gut der Gemeinde, der Markgenossen.


12. Wer ein Eigen kauft, thut damit, was er will.Graf, 103, 212.

Eigen bezeichnet hier den gewonnenen Grundbesitz im Gegensatz zum Erbgut. (S. Eigen 7.)


13. Wo das Eigen liegt, soll man darüber richten.Graf, 437, 303.

Bei dinglichen Klagen bestimmt der Ort der belegenen Sache den Gerichtsstand.


14. Wohlgewonnen Eigen mag man wohl vergeben.Graf, 205, 167.

Die erbeigenen Liegenschaften gingen unveräusserlich und ungetheilt an den bestimmten Erben der Familie über; darüber aber, was der Besitzer gewonnen (s. Eigen 7), konnte er nach seinem Ermessen verfügen. »Alle gewonnenen und gekauften Güter sind freundtheilig.« (von Kamptz, Provinzialrechte in der preuss. Monarchie, Berlin 1826, III, 52.)


*15. In sein Eigen und Erbe kommen.Otfried.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867, Sp. 770-771.
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